Wednesday, June 21, 2006

Ihr Freund ist Ausländer

Beim letzten WM-Spiel des Iran wollen Neonazis noch einmal ihre Sympathie für die antisemitische Politik des iranischen Präsidenten zum Ausdruck bringen. von arie moscovici
Für Toleranz und Gastfreundschaft!« Ein nettes, wenngleich ziemlich abgeschmacktes Mot­to für eine Demonstration, klingt es doch nach dem üblichen Gutmenschentum, das sich vor allem dann öffentlich äußert, wenn gerade mal wieder ein rassistischer oder antisemitischer Übergriff es wegen seiner von der alltäglichen Norm abweichenden Größenordnung auf die ersten Seiten der Zeitungen geschafft hat. Aber Pustekuchen: Die Idee für das obige Motto hatte die NPD Saar.
Fast könnte man meinen, die braunen Burschen seien zu ausländerfreundlichen Gastgebern mutiert. Doch was dem oberflächlichen Betrachter wie ein Sinneswandel anmuten mag, hat seinen Grund in den Gästen: der iranischen Nationalmannschaft. Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad hat sich in den vergangenen Monaten bei der Neonaziszene äußerst beliebt gemacht. Mit seinen Provokationen im Atomstreit mit den USA, seinen wie­derholten Tiraden gegen die Existenz Israels und seiner Ankündigung, im Iran eine Konferenz zur Untersuchung des Ausmaßes und der Faktizität des Holocaust organisieren zu wollen, zu der so renommierte »Experten« wie der Nazi-Anwalt Horst Mahler und der Pseudohistoriker David Irving eingeladen wurden, konnte er auch hierzulande einige neue Fans gewinnen.
Er wollte auch nach Deutschland reisen, in dem Fall, dass seine Mannschaft es bis ins Achtelfinale der Fußballweltmeisterschaft geschafft hätte. Als Vorhut hatte er seinen Stellvertreter Mohammed Aliabadi bereits zu den Gruppenspielen der iranischen Mannschaft entsandt. Da man sich in der Bundesregierung weder in der Lage sah noch willens zu sein schien, ein Einreiseverbot auszusprechen, organisierte ein Bündnis aus jüdischen und nichtjüdischen Organisationen und prominenten Einzelpersonen Protestdemonstrationen während der iranischen Vorrundenspiele.
Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt war von dem an­gekündigten Besuch begeistert und nahm ihn zum Anlass, die Völkerfreundschaft zu beschwören: »Wir begrüßen zudem die ausländischen Gäste und deren Nationalmannschaften in Deutschland. National denkende Menschen aller Völker, die stolz auf ihr Land sind, verstehen sich untereinander.« Doch die Freude war wohl voreilig, denn die iranische Mannschaft ereilte bereits am Samstag das Aus in der Vorrunde.
Ausschlaggebend für die pro-iranischen Sympathien der Neonazis sind vor allem die antisemitischen und antiamerikanischen Ressentiments, die Ahmadinejad so ungezwungen bedient. So erklärt sich auch, dass Voigt bei seinen Angriffen auf die Bundesregierung sein Herz für die gepeinigten Völ­ker dieser Erde entdeckt: »Warum thematisieren sie nicht die allgegenwärtigen Morde und Vertreibungen der Israelis an den Paläs­tinensern, wenn ein israelischer Staatschef die BRD besucht? (…) Was gibt den Ame­rikanern das Recht, weiter zu morden und zu foltern, die Völker Lateinamerikas zu be­vormunden und die Afrikaner um ihren Reich­tum an Bodenschätzen zu betrügen und gleichzeitig mit den Fingern auf den Iran zu zeigen?«
Diese Vorgänge wecken Erinnerungen an die rechtsextremen Aufzüge der vergangenen Jahre, auf denen Palestinensertücher oder T-Shirts mit den Konterfeis von Saddam Hussein und Ussama bin Laden samt der Aufschrift »Mein Freund ist Ausländer« getragen wurden. Wohl am deutlichsten begründete der damalige »Stabschef« des »Kampf­bundes Deutscher Sozialisten«, Thomas Brehl, die Sympathie der Rechten für nahöstliche Diktatoren. »Der Irak ist für uns von besonderer Bedeutung, weil mit Saddam Hussein an der Spitze des Irak ein Mensch steht, der uns schon in einigem an unseren Führer Adolf Hitler erinnert, der dieser gewaltigen Übermacht Amerikas trotzt, der nicht bereit ist, in die Knie zu gehen.«
Bereits am 10.Juni fand in Gelsenkirchen ein Aufmarsch von rund 200 Anhängern der NPD statt, auf dem skandiert wurde: »Solidarität mit Iran!« Nachdem sich in der vergan­genen Woche in Nürnberg lediglich 15 Anhänger der NPD am Rande der Altstadt mit iranischen Flaggen und Bildern des Präsidenten unangekündigt versammelt hatten, gedachten die antisemitischen Kapitalismuskritiker, es während des Spiels des Iran gegen Portugal in Frankfurt am Samstag besser zu machen. Man wollte »in der Stadt der Börse und der Banken, dem Jerusalem am Main«, demonstrieren, »dass uns wahrheitsliebende und völkische Iraner zu Gast willkommen sind«.
Die Demonstration wurde von der Kameradschaft »Freie Nationalisten Rhein-Neckar« angemeldet unter dem Motto: »Präsident Ahmadinedschad – zu Gast bei Freunden«. Man wollte unter Führung des hessischen NPD-Landesvorsitzenden Marcel Wöll aufmarschieren. Dann jedoch verbot die Stadtverwaltung die Demonstration. Überraschend verzichtete Wöll darauf, Rechtsmittel einzulegen, und zwar mit der Begründung: »Sonst würde das Versammlungsrecht noch weiter beschnitten. Wenn einem vorgeschrieben wird, welche Fahnen und Transparente man mitführen darf, und davon wäre auszugehen, dann macht eine Demonstration keinen Sinn mehr.«
Bereits für den Vortag des Spiels in Frankfurt rief ein antideutsches Bündnis zu einer Demonstration auf unter dem Motto: »Solidarität für Israel! Deutschland das Existenzrecht entziehen«. Die zentrale Kundgebung eines Bündnisses aus jüdischen und nichtjüdischen Organisationen fand am eigentlichen Spieltag statt. Etwa 500 Menschen nahmen daran teil. Eine Gruppe iranischer Studenten sammelte zuvor über 1000 Unterschriften für einen Protestbrief an die NPD: »Wir widersetzen uns jedem Versuch, dass wir Iraner als Verbün­dete einer Partei beansprucht werden, die den Holocaust verharmlost und sich nicht entschieden gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit ausspricht, sondern diese duldet oder gar fördert.«
Derweil rufen Rechtsextreme im Internet weiter zu Sympathiekundgebungen auf. Am 21.Juni findet das letzte iranische Vorrundenspiel gegen Angola in Leipzig statt. Hier hat ein »Bündnis gegen Antisemitismus Leipzig« zu einer Protestkundgebung aufgerufen, während die NPD ihrerseits »kreative Werbeaktionen« angekündigt hat.
jungle-world

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