Thursday, December 28, 2006

Bundesrepublik 2006 gefährdet wie nie zuvor

Gibt es 2007 ein großes Feuerwerk ?

Terrorbekämpfung in Deutschland
Frankfurt/Main (RPO). Noch nie war die Bundesrepublik Deutschland so von Terroranschlägen bedroht wie im abgelaufenen Jahr 2006. Der Schuldspruch gegen den Hamburger Terrorhelfer Mounir El Motassadeq, der im November zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, war das wichtigste Ereignis im Kampf gegen islamische Extremisten.
Es war das Jahr, in dem deutlicher als nie zuvor wurde, dass die Bundesrepublik nicht mehr nur der Vorbereitungsraum für Terroristen wie Motassadeq ist, sondern auch selbst das Ziel von Anschlägen. Hätten die Kofferbomber von Köln etwas mehr Erfahrung gehabt, hätten sie ihre Sprengsätze sorgfältiger gebaut - es wäre ein paar Wochen nach der fröhlichen Fußball-WM zu ähnlichen Bildern wie in London oder Madrid gekommen.
"Neue Dimension der Gefährdung"
Zwar gab es auch in den 70er und 80er Jahren eine Bedrohung durch Extremisten, doch die Opfer der RAF waren vor allem hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft. "Der heutige Terrorismus zielt darauf ab, die Bevölkerung zu treffen und große Opferzahlen zu erreichen. Das ist eine neue Dimension der Gefährdung", sagt der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke. Auch Generalbundesanwältin Monika Harms warnt eindringlich davor, die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus zu unterschätzen.
Laut BKA gibt es derzeit allein in Deutschland 222 Ermittlungsverfahren mit islamistischem und fundamentalistischem Hintergrund. Dabei haben es die Ermittler mit ganz unterschiedlichen Gruppen zu tun: So gibt es Täter, die bei Al Qaida eingebunden sind oder nur lose Verbindungen zum Terrornetzwerk haben, unabhängige Gruppen oder Einzeltäter. Bei den mutmaßlichen Kofferbombern Jihad Hamad und Youssef Mohamed el Hajdib waren es offenbar die Mohammed-Karikaturen in dänischen und deutschen Zeitungen, die die Initialzündung für die Anschlagspläne waren. Verbindungen zu Al Qaida gab es wohl nicht. Weil Jihad im Libanon in Haft sitzt und die Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden schwierig ist, werden die beiden Hauptverdächtigen wohl erst im zweiten Halbjahr 2007 angeklagt.
Bei zwei anderen geplanten Anschlägen, die nach Angaben der Behörden verhindert wurden, ist noch weniger über die Motive bekannt. So wurden im November mehrere Personen festgenommen und wieder freigelassen, die auf dem Frankfurter Flughafen offenbar Sprengstoff in eine Maschine der israelischen Fluggesellschaft El Al schmuggeln wollten. Laut Bundesanwaltschaft ist es unstrittig, dass die Verdächtigen über das Vorhaben sprachen. Die Ermittlungen sollen jetzt zeigen, ob die Männer es ernst meinten oder nur Spaß machten.
Anschlag auf Nena-Konzert verhindert
Sorge bereitet den Behörden ein Fall aus dem Sommer, bei dem offenbar ein Anschlag auf ein Nena-Konzert in Gelsenkirchen verhindert wurde. Die acht Verdächtigen sind Türken, aber sieben von ihnen wurden in der Bundesrepublik geboren. "Auch für Deutschland ist nicht ausgeschlossen, dass es wie in Großbritannien so etwas wie einen 'Home-Grown-Terrorismus' geben könnte", sagt BKA-Chef Ziercke. Es handele sich um den ersten derartigen Fall.
Die vereitelten Pläne von Frankfurt und Gelsenkirchen zeigen das Dilemma, in dem Polizisten und Staatsanwälte stecken: Um die Bevölkerung zu schützen, soll bei Hinweisen auf Anschläge möglichst früh zugegriffen werden. Andererseits brauchen Gerichte Beweise für die geplanten Taten, um die Extremisten verurteilen zu können. Dies zeigt sich beim Prozess gegen drei mutmaßliche Mitglieder der Terror-Organisation Ansar al Islam in Stuttgart. Sie sollen 2004 ein Attentat auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi in Berlin geplant haben. Waffen oder Sprengstoff wurden bei ihnen jedoch nicht gefunden.
Die Bundesanwaltschaft legt den Angeklagten aber auch zur Last, rund 75.000 Euro gesammelt zu haben, um Selbstmordattentate im Irak zu finanzieren und Hinterbliebene zu unterstützen. Ähnliche Vorwürfe - und eine ähnliche Komplexität - gibt es bei einem Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, der ebenfalls bis weit hinein ins kommende Jahr laufen soll. Die dort angeklagten mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieder wollten nach den Erkenntnissen der Ermittler mit einem groß angelegten Versicherungsbetrug Geld erschleichen und an das Netzwerk weiterleiten. Die Verdächtigen schweigen zu den Vorwürfen.
Ein Erfolg für Bundesanwaltschaft und Polizei war bereits im Januar das Urteil im Münchner Prozess gegen den irakischen Terroristen Lokman Mohammed, der unter anderem wegen der Mitgliedschaft bei Ansar al Islam zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Gegen Ende des acht Monate langen Prozesses legte er sogar ein umfassendes Geständnis ab und rief zur Abkehr von Selbstmordanschlägen auf.
Diese Kooperation gab es im Fall Motassadeq nie - und wird es wohl auch nicht geben, wenn ab 5. Januar über seine Strafe neu verhandelt wird. Denn die Verteidiger des gebürtigen Marokkaners beteuern seine Unschuld und hoffen erneut auf einen Richterspruch aus Karlsruhe: Sie legten kurz vor Weihnachten gegen die BGH-Entscheidung Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.
rp-online.de

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