Tuesday, January 16, 2007

Väter des Jihad: z. B. die deutsche Volksmusik

Den Serben platt machen, dem Saddam 'ne Platte

Marit Hofmann
Popkameraden
Von der Popfraktion bis zu den Schlagerfreunden - alle leisten ihren humanitären Einsatz für die deutsche Außenpolitik
Wozu braucht der Kanzler eigentlich noch Kanzlerberater? Zur Zeit läuft, ohne das Zutun der Marketingstrategen, die größte Werbekampagne, die es je für die Bundesregierung gegeben hat. "Gerhard Schröder hat es als erster europäischer Regierungschef auf sich genommen, vor diesem Krieg zu warnen", tönen etwa Manfred Bissinger und Hark Bohm, Günter Grass und Marius Müller-Westernhagen, Peter Sloterdijk und Friedrich Schorlemmer, Klaus Staeck und Martin Walser und noch einige andere Kulturelitesoldaten im Friedenseinsatz. Gleich darauf setzen Rafik Schami, Vicco von Bülow et al. eine Erklärung in die Welt, die den "Irak als Wiege der menschlichen Zivilisation" besingt.
Klingt bloß leider alles viel zu steif und staatsmännisch. Vorbildlich ist es daher, daß die Teilnehmer der "Echo"-Verleihung ihren Event spontan zu einem Wettbewerb umfunktionierten: Wer findet den griffigsten Slogan für die deutsche Außenpolitik? Thomas D. von den Fantastischen 4 wollte sich gleich um einen Posten als Kanzleramtssprecher bewerben: "Das Zeichen, das gesetzt wird dieser Tage und auch gesetzt werden muß, ist, daß sehr viele Menschen nicht für Krieg sind, sondern den Frieden behalten wollen." Wenig förderlich für seine Politkarriere dürfte allerdings die Einschätzung sein, "daß es ein paar Superwichser auf dieser Welt gibt, die einen Krieg wollen, sie wollen mehr Macht, sie sind geil nach dem Geschmack von Blut zwischen den Zähnen". Die Deutschen freilich ausgenommen: "Ich bin sehr froh, daß nicht nur die Menschen, die Bürger, das Volk nein sagt, sondern auch unsere Regierung sagt ›Nicht mit uns!‹. Es macht mich stolz."
Herbert Grönemeyer wiederum findet es "völlig richtig" und zudem "toll, daß das Land sich geschlossen zeigt, daß die Leute gegen den Krieg und die Bevormundung der Amerikaner sind. Ich finde das wunderbar und sehe das genauso." Und der Mann will Songwriter sein.
Der Rammstein-Musiker Flake Lorenz, den die "Junge Welt" ausgiebig zu Wort kommen ließ, zeigt, "daß ich gegen den Krieg bin, indem ich mit meinem Körper zu den Demonstrationen gehe". Immerhin räumt Lorenz in einem Anflug von Selbsterkenntnis ein: "Wenn ich mich gut verbal ausdrücken könnte, wäre ich kein Musiker geworden, sondern Redner." Oder Werbetexter. Sandy von den No Angels "weiß nur" - nur? -, "daß Schröder keinen Krieg will, und da stehe ich vollkommen hinter ihm". Wladimir Klitschko trinkt Jägermeister, weil "ich die Außenpolitik von Deutschland einfach erstklassig finde". Auch nicht übel. Doch wo der Hammer hängt, weiß allein der Reggaemusiker Gentleman. Die deutsche Haltung zum Irakkonflikt? "Hammer, es ist genau das Richtige."
Hartmut Engler von Pur hat sich bereits tiefer in die Materie eingearbeitet und "im Moment schon stark das Gefühl, daß es um Öl geht ... Ich finde, daß unser Bundeskanzler das in der Situation eigentlich richtig macht." Aber das rappt doch nicht! Immerhin empfiehlt Engler einen Demosoundtrack: "Als der Golfkrieg 1991 ausbrach, haben wir ein Lied gemacht ›Kein Krieg ist heilig, kein Krieg ist gerecht‹, und das ist jetzt genauso." In einem Punkt hat er natürlich recht: Man kann die vertracktesten Traktate und eingängigsten Parolen ausgeben - welches Werbemedium wäre aber effektiver als die Musik?
Zwar waren als Friedenssänger bislang nur die einschlägigen Weckerwadermey hervorgetreten, die allenfalls die Corega-Tabs-Linke begeistern. Aber als das Triumvirat im Anschluß an die Großdemo am 15. Februar die Aktion "Künstler für den Frieden" an der Berliner Siegessäule wiederbelebte (Wecker: "Es ist ein unheimlich schönes Gefühl, sich an so einem Tag emotional fallen lassen zu können"), solidarisierte sich Paddy Kelly und gab so auch den von Wecker unbeeindruckten Teenies Gelegenheit, ihre pazifistische Ader zu entdecken. Inzwischen ist das Mitglied der Kelly Family nur einer von vielen in einer einigen Musikergroßfamilie.
Während die Deutsch-Amerikanische Freundschaft (DAF) mit ihrem Radiohit "Der Sheriff (Antiamerikanisches Lied)" die Technoszene bedient ..., Rapper antiamerikanisches und antisemitisches Liedgut reimen ... und Karat und die Puhdys mit dem Sampler "Hey Mr. President - No Bomb" die Ostrockfans befrieden, hat nun auch die Popfraktion ihren Friedenssong bekommen. In einer Hamburger Gemeinschaftsaktion haben sich der Knallcharge Peter Lohmeyer, der Theatermacher Ulrich Tukur und die bislang der Politlyrik abholde Independentband Fink zusammengeschlossen, um "mal bißchen Flagge zu zeigen, bißchen Pep in die Friedensbewegung zu bringen" und nicht zuletzt "einen Kanal zu finden, wo unsere Ohnmacht reingeht" (O-Ton Lohmeyer). Als sie ihren "Bagdad-Blues" (Refrain: "Ja, der weiße Mann aus Texas dreht den Teufel heut am Spieß, und alle, die ein anderes Lied singen, grillt der Mann im Fegefeuer mit") auf einer Pressekonferenz präsentieren, treibt die Journalisten nur eine Sorge um: Ob die Kollegen vom Rundfunk sich auch trauen werden, so ein mutiges Lied zu spielen?
Immerhin fanden sich genug Sponsoren, um das nach Reinhard Mey meets Truck Stop klingende Countrystück auch gleich zu einem Video zu verwursten, in dem Peter "Peace" Lohmeyer den "Henker aus Texas" gibt. Der Charakterdarsteller wirft dem US-Präsidenten im übrigen "seine Dummheit" vor. "Zum Glück" sei er, Lohmeyer, "mit diesem Charakterzug nicht ausgestattet".
In einer Zeit, in der die Bundesregierung sich im Machtkampf mit den USA erprobt, in der Hunderttausende gegen einen Irakkrieg demonstrieren, in der sogar die deutsche MTV-Filiale gegen Amerika mobil macht, in der also die Türen für Anti-Bush-Songs sperrangelweit offenstehen, ist das wirklich mutig. Schließlich droht Lohmeyer und Konsorten, die zum deutsch angeheizten und mitgeführten Kosovokrieg geschwiegen haben, mindestens eine Ladung zum Verhör ins Kanzleramt.
Auch die Schlagerfreunde, die seit "Ein bißchen Frieden" auf neue Antikriegssong zum Mitsingen warten, dürfen aufatmen. Bei der deutschen Vorentscheidung für den Grand Prix verfehlte die "Taz"-Gesandte Senait mit einem u.a. von Claudia Roth und Bascha Mika gekürten Text zwar meilenweit das Thema ("Kannst du mein Herz aus Eis berühren, laß mich deine Nähe spüren"). Wie man den politischen Geist der Zeit unmusikalisch umsetzt, wußte der von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gecastete Junge mit der Gitarre dafür um so besser. "Heut denk ich nicht an Terror, nicht an Bomben, nicht an Krieg", trällert er. "Heut denk ich an den Frieden, weil die Sonne den Frieden so sehr liebt."
Die Gruppe Tagträumer träumt ebenfalls vom "living in a peaceful world" und unterbreitet den Kriegsparteien einen Vermittlungsvorschlag: "Laß uns aufstehen und verändern, denn es fängt bei deinen Nachbarn an." Geschickt unterwandern sie den Schlagerwettbewerb mit ihrem historischen Wissen: "Gewalt erzeugt Gewalt - das wissen wir doch schon lange hier in Deutschland." Das hört sich doch gleich viel überzeugender an als die Erklärung der Altherrenriege um Bissinger und Walser ("Zudem wissen wir uns als Deutsche in einer besonderen Verantwortung für den Bestand der Werte, die unsere demokratische Gesellschaft ausmachen"). Die ultimative Losung aber kommt vom Totalitarismustheoretiker Wecker. Die Wiedervereinigung habe schließlich gezeigt, daß eine "Diktatur ... unblutig zu Ende gehen" kann. So stark war sie nie, die Gemeinsamkeit der Demokraten. Jetzt müssen sie nur noch die arbeitslosen Kanzlerberater trösten.
konkret/o4/2003

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