Sunday, March 18, 2007

Eine Million Palästinenser lebt von EU-Taschengeldern

„Traditionell zahlen weniger als zehn Prozent der Haushalte in Gaza ihre Stromrechnung“, erklärte Mario Mariani, Leiter von TIM, dem „Temporären Internationalen Mechanismus“ der Europäischen Kommission. Deshalb habe die EU 2006 kostenfrei über fünf Millionen Liter Dieselöl in den Gazastreifen geliefert. 35 Millionen Euro läßt sich das der europäische Steuerzahler kosten. „Wir können doch nicht die Menschen einfach verhungern oder in Dunklen sitzen lassen, nur weil sie ihre Stromrechnungen nicht bezahlen“, argumentierte der junge Diplomat im schlecht sitzenden grauen Anzug vor der internationalen Presse...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
TIM schleust Gelder an der palästinensischen Autonomiebehörde vorbei direkt an die Palästinenser. Weiter sagte er, dass die Europäer die Gehälter von 95 Prozent der Angestellten und Beamten der Autonomiebehörde auf deren Privatkonten überweisen. Das seien 77.000 Bedienstete. Hinzu kommen noch Zahlungen an ebenso viele Bedürftige. Bei durchschnittlich sechs Personen in einem typischen palästinensischen Haushalt, so Mariani, erhielten etwa eine Million Palästinenser ihre Gelder direkt von der EU. Nur die „politischen Beamten“, die Angestellten der NGO´s (Nicht-Regierungs-Organisationen) und anderer „Organisationen“, insgesamt 10.000 Palästinenser, bekämen kein Geld. Die rund 80.000 Polizisten und sonstige Angehörige palästinensischer Sicherheitsdienste „erhalten ihre Gehälter von den arabischen Ländern“, sagte Mariani. Ob denn die palästinensische Autonomiebehörde über keinerlei eigene Steuereinnahmen für die Gehälter ihrer Bediensteten verfüge, wie jedes andere Land der Welt? Mariani erwiderte: „Israel hält bekanntlich die Steuern zurück...“ Darauf hingewiesen, dass Israel lediglich Zölle für Importwaren und deren Mehrwertsteuer zurückbehalte, nicht aber normale Einkommenssteuern oder andere Abgaben, verfiel der EU-Beamte in ein kurzes Schweigen und gestand, keine Antwort parat zu haben. Ob die von der EU gezahlten Gehälter besteuert würden, wusste er auch nicht. Da es sich doch um „Taschengelder“ (Allowances) handle und nicht um Einkommen, dürften die eigentlich nicht besteuert werden. Diese „Taschengelder“ belaufen sich nach Angaben von Mariani auf 200 bis 500 Euro und mehr. TIM wurde innerhalb weniger Wochen im Sommer 2006 eingerichtet, nachdem die EU im Februar, nach den Parlamentswahlen in den Palästinensergebieten, einen Finanz-Boykott beschlossen hatte. Erst müsse die Hamas-Regierung drei Bedingungen erfüllen: Anerkennung Israels, Ende des Terrors und Akzeptanz bestehender Verträge. Die EU wollte aber die Unterstützung für das palästinensische Volkes nicht unterbrechen. „Der Nahostkonflikt ist für alle Welt und besonders für Europa so gefährlich, dass wir es uns nicht leisten können, hier hungernde Palästinenser zu sehen“, erklärte Mariani zur Frage, wieso Äthiopier zum Beispiel, die unter Hungersnöten leiden, nur 18 Dollar Entwicklungshilfe pro Kopf erhalten, während die drei Millionen Palästinenser mit Milliardensummen nicht nur von der EU subventioniert würden. Statt die Gelder über die Autonomiebehörde in Ramallah fließen zu lassen, ließ sich die EU den Kontonummern aller Gehaltsempfänger mitsamt der Ausweisnummern und anderer Angaben geben. Seitdem hat die EU nach eigenen Angaben die Zahlungen im Vergleich zu 2005, als die Unterstützung noch durch die Autonomiebehörde verteilt wurde, sogar um 20 Prozent erhöht. „Wir können alle Angaben abgleichen und deshalb mit 900 Prozent Gewissheit sagen, dass da keine Gelder durch Korruption verloren gehen“, sagt der Diplomat. Als Arafat noch lebte und danach hatten EU-Beamte freilich auch behauptet, dass keinerlei EU Gelder durch Korruption verschwinden oder gar zur Finanzierung der sogenannten „Infrastruktur des Terror“ missbraucht würden. Doch selbst der als unbestechlich geltende ehemalige Mitarbeiter der Weltbank und künftige Finanzminister der Einheitsregierung, Salam Fayyad, gestand kürzlich, dass Millionensummen „unauffindbar verschwunden“ seien. Die Pressekonferenz war von der deutschen diplomatischen Repräsentanz in Ramallah organisiert worden und fand in Jerusalem in den Räumen von OCHA statt, einer UNO-Organisation, die alle israelischen Sperren, Sicherheitszäune und Sperrmauern auf Karten dokumentiert und sogar die Höhe der Erdwälle vermisst.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

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