Monday, October 19, 2009

Türkei: Prozess wegen Beleidigung des Islam ein „Skandal“

Silivri (idea) – Der inzwischen drei Jahre dauernde Strafprozess gegen zwei türkische Christen wegen „Verunglimpfung des Türkentums und des Islam“ entwickelt sich aus Sicht der Verteidigung zu einem Skandal.
Bei der jüngsten Verhandlung am 15. Oktober in Silivri nahe Istanbul erschienen von sechs geladenen Zeugen nur drei. Die von der Staatsanwalt benannten Personen sagten aus, dass sie die Angeklagten Hakan Tastan und Turan Topal nicht kennen. Ihnen wird vorgeworfen, durch einen Fernbibelkurs und in Gesprächen den islamischen Glauben und die türkische Identität beleidigt zu haben. Nach Angaben des Informationsdienstes Compass Direct bezeichnete ihr Verteidiger, der Anwalt Haydar Polat, den Prozess als Skandal. Die Staatsanwaltschaft gründe die Anklage lediglich auf schriftliche Vorwürfe der Polizei ohne hinreichende Belege. Es gebe nur ein Video, das beide Angeklagten im Gespräch zeige; man könne aber nicht verstehen, was sie sagen. Tastan und Topal droht bei einer Verurteilung eine zweijährige Freiheitsstrafe. Die Zeugen sagten bei der jüngsten Verhandlung aus, dass sie die Angeklagten nicht kennen, wohl aber auf Anzeigen reagiert hätten, in denen Bibeln angeboten wurden. Die drei bisher nicht erschienenen Zeugen sollten bei der nächsten Verhandlung am 28. Januar 2010 aussagen.
Auch der Prozess um die Ermordung von drei Evangelikalen im osttürkischen Malatya vor zweieinhalb Jahren zieht sich hin. Am 18. April 2007 hatten mutmaßlich muslimische Extremisten im Zirve-Verlag von Malatya drei Christen umgebracht. Sie fesselten und folterten den Deutschen Tilmann Geske sowie die Türken Necati Aydin und Ugur Yuksel, bevor sie ihnen die Kehlen durchschnitten. Der Verlag, der Bibeln in türkischer Sprache druckte, war bedroht worden und hatte um Polizeischutz gebeten. Geske hinterließ seine Frau Susanne und drei Kinder, die weiter in der Türkei leben. Angeklagt sind fünf junge Türken - Hamid Ceker, Emre Gunaydin, Salih Gurler, Cuma Özdemir und Abuzer Yildirim. Nebenkläger vermuten, dass hinter den Verbrechen ultra-nationale islamistische Kreise stecken, die in der Bekehrung von Türken zum christlichen Glauben eine Gefahr sehen. Über 95 Prozent der 72 Millionen Einwohner der Türkei sind Muslime. Von den rund 120.000 Christen gehören etwa 4.000 zu evangelikalen Gemeinden.

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