Thursday, November 05, 2009

Nachdenker der Vernichtung

Wer sich zu Jahresbeginn in deutschen oder europäischen Innenstädten aufhielt, der kam nicht umhin, auf mehr oder weniger große und aggressive Menschenmengen zu stoßen, die auf Plakaten und in Sprechchören einen Holocaust beklagten. Nun waren diese Menschen aber, was angesichts des Beweggrundes ihrer Zusammenkunft – der Operation Gegossenes Blei der israelischen Armee gegen die Hamas in Gaza – erstaunlich erscheinen mag, keine Juden oder proisraelisch gestimmte Zeitgenossen, ganz im Gegenteil: Nicht die zionistische Lobby, über die ironischerweise gerade in Deutschland so viel gemunkelt wird, machte sich vor den Vergangenheitsbewältigern aller Länder eines „instrumentalisierenden“ und „inflationären“ Gebrauchs des Begriffs Holocaust schuldig, sondern die Hamas- und Hizbullah-Fahnen schwingenden, „Tod Israel“ rufenden Apologeten des islamischen Kampfes um „ganz Palästina“ (und noch viel mehr). Dass diese den Begriff Holocaust überhaupt im Munde führten, verweist auf die Bedeutung des Begriffs im Umgang mit ihm in den arabischen und islamischen Ländern: Zum einen wird der Holocaust als drohendes, sich realisierendes oder bereits realisiertes Ereignis, als „Vernichtungskrieg“ (Norbert Blüm) Israels gegen die Palästinenser angeprangert; andererseits wird der Holocaust an den israelischen Juden als logische Konsequenz aus diesem imaginierten Krieg gefordert.
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