Friday, February 12, 2010

Streit um Bundestagsabgeordnete der Linken spitzt sich zu: Pfarrer werden als „Hassprediger“ diffamiert

Bochum (idea) – Der Streit um das Verhalten der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke) bei der Holocaust-Gedenkveranstaltung am 27. Januar im Parlament spitzt sich zu. In einem Offenen Brief hatten drei westfälische Pfarrer kritisiert, dass die Politikerin nach der Rede des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres demonstrativ sitzen geblieben sei, während sich die meisten anderen Abgeordneten erhoben.
Lediglich ihre Fraktionskolleginnen Sahra Wagenknecht und Christine Buchholz standen ebenfalls nicht auf. Nun hat Dağdelen den Theologen eine Unterlassungs- und Widerrufserklärung zukommen lassen, teilte Pfarrer Thomas Wessel am 11. Februar in Bochum mit. Er hatte den Offenen Brief mit zwei Pfarrern der St. Petri-Kirche Dortmund und der Bleckkirche Gelsenkirchen verfasst. Man habe die Erklärung unterzeichnet, sagte Wessel. Zudem verbreiteten die Pfarrer eine Richtigstellung, in der es zu dem Offenen Brief heißt: „Soweit diese Darstellung den Eindruck erweckt, Frau Dağdelen sei beim Kaddisch (ein jüdisches Gebet zum Totengedenken; Anm. d. Red.) sitzen geblieben, ist sie falsch. Richtig ist, dass Frau Dağdelen sich beim Kaddisch erhoben hat, hingegen sitzen blieb, als sich der Bundestag am Ende der Rede erhob.“ Die Pfarrer halten aber an ihrer Kritik fest: Dağdelen habe sich zwar erhoben, um der Ermordeten zu gedenken, sie sei aber sitzen geblieben vor dem, der seiner Ermordung entkam: Schimon Peres. Der Friedensnobelpreisträger wurde 1923 in der heutigen weißrussischen Stadt Wischnewa geboren. Um vor den Nazis zu flüchten, wanderte er 1934 in das heutige Israel aus. Dağdelen hatte ihr Verhalten damit erklärt, dass sie den von Peres vorgetragenen Teile der Rede mit Bezug zum Iran nicht im Stehen beklatschen wollte. Sie begründete dies damit, dass der israelische Politiker seinen Beitrag zur „ideologischen Vorbereitung auf einen Krieg gegen den Iran genutzt“ habe. Dağdelen war 2007 der Organisation „Rote Hilfe“ beigetreten, die vom Bundesverfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft wird. Sie versteht sich als „eine Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum unterstützt“. Seit 2005 gehört Dağdelen dem Bundestag an. Auch innerhalb der Partei „Die Linke“ gibt es laut Medienberichten Kritik am Verhalten von Dağdelen und der drei anderen Abgeordneten bei der Holocaust-Gedenkstunde.
Aber auch die drei Pfarrer werden im Internet scharf angegriffen. Auf der linksalternativen Plattform bochum-alternativ.de heißt es über die Geistlichen: „Drei bisher als aufgeschlossen und liberal geltende evangelische PfarrerInnen verrennen sich zur Zeit in die Rolle von kleinen HasspredigerInnen.“ Eine Internetnutzerin schreibt auf der Seite: „Wenn man bedenkt, dass Martin Luther sicherlich einer der widerwärtigsten und bedeutendsten Antisemiten in der deutschen Geschichte gewesen ist, dann sollten sich die drei Lohnempfänger der evangelischen Kirche mal damit auseinandersetzen, warum ihre Organisation die unsägliche Rolle ihres Kirchengründers bei der Verfolgung von Juden nie aufgearbeitet hat.“

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