Monday, November 01, 2010

Vernichtung als Bazar der Kulturen: Zur Aktualität des Antirassismus

Nicht die Jihadisten mit ihrem Hass auf den Westen sollen die Urheber der Selbstmordanschläge sein, sondern der arrogante und überhebliche Westen, der seine Kultur dem gesamten Erdball aufzwinge, fordere solch antirassistische Gegenwehr geradezu heraus. Diese wird folglich auch nicht als Krieg, sondern geradezu als – wenn auch manchmal überzogen gewaltsame – kulturbewahrende Notwendigkeit verstanden, womit die antiwestliche Enthemmung zugleich gegen jede Kritik immunisiert wird. Durch die Selbstentmündigung mittels der Reklamierung des Status als bloßes Opfer verbitten sich die Kollektive und ihre Fürsprecher nicht nur jede Einmischung, sondern auch jede Kritik von vornherein als ethno- oder eurozentristische Arroganz und als Rassismus. So schreibt etwa Judith Butler in ihrem Aufsatz Unbegrenzte Haft in Hinblick auf jihadistische Kämpfer: „Wenn wir annehmen, dass jeder Mensch so Krieg führt, wie wir das tun, und daß dies ein Teil dessen ist, was ihn erkennbar menschlich macht, […] dann verwenden wir einen begrenzten und begrenzenden kulturellen Rahmen für unser Verständnis dessen, was es heißt, menschlich zu sein.“ Und sie fährt fort: „Wenn diese Gewalt Terrorismus ist anstatt Gewalt wird sie als ein Handeln ohne politische Zielsetzung aufgefasst, oder sie kann politisch nicht gedeutet werden. […] Daß es ein islamischer Extremismus oder Terrorismus ist, bedeutet einfach, daß die bereits vom Orientalismus bewirkte Entmenschlichung auf die Spitze getrieben wird, so daß diese Art von Krieg aufgrund ihrer Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit von den Annahmen der Universalität und vom Schutz der Zivilisation ausgenommen wird.“ Auch hier sind es wiederum nicht die Jihadisten, die, wie man in jeder ihrer Verlautbarungen nachlesen könnte, ganz selbstbewusst einen Kampf gegen die Zivilisation führen und diese vernichten möchten, die an der Barbarisierung der Verhältnisse arbeiten, sondern der rassistische Westen mit seinen universalistischen Vorstellungen etwa vom Kriegsrecht. Während der Kampf gegen Rassismus, wie ihn etwa die amerikanische Bürgerrechtsbewegung in den 1960ern geführt hat, den Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen von universalistischen Rechtsansprüchen kritisierte und dagegen vorging, dreht der Antirassismus den Spieß um: Er behauptet, vernunftgeleitete Maßstäbe seien rassistisch, weil westlich. Er denunziert und verwirft so den Universalismus als Partikularismus – solange dieser nicht auch noch das grausamste Verbrechen im Namen der Kultur mit einbezieht. Der Universalismus, der Butler vorschwebt, ist der der vollendeten kulturell-konkreten Parzellierung im Kampf gegen die abstrakten Allgemeinbegriffe.
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prodomo14

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