Wednesday, November 07, 2012

US-Wahlen: Vertane Chance, aber kein Weltuntergang

WASHINGTON (inn) – Barack Obama bleibt weitere vier Jahre US-Präsident. Die Aussicht auf solide Staatsfinanzen haben sich die Wähler mit dieser Entscheidung wohl verbaut. Auch für Israel und die Perspektive des Nahen Ostens wäre Mitt Romney der bessere Mann gewesen – die von manchen gefürchtete Katastrophe wird aber ausbleiben.

„Während so einer schwachen Wirtschaftslage ist bisher kein Präsident wiedergewählt worden“, erklärte Paul Begala, Polit-Stratege der Demokraten, beinahe ungläubig angesichts des eigenen Erfolgs. Das Votum der Amerikaner ist in der Tat nicht ganz so leicht nachzuvollziehen: Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung standen bei dieser Wahl ganz oben auf der Agenda. Anders als 2008 haben die Republikaner mit Mitt Romney den richtigen Kandidaten aufgestellt, einen Mann der Mitte, einen Wirtschaftsexperten mit viel praktischer Erfahrung. Romney war eine Chance für Amerika, die die Wähler verspielt haben. In der Nahost-Politik haben sich die beiden Kandidaten aber hauptsächlich im Tonfall unterschieden.
Obamas Nahostpolitik begann 2009 mit einem scharfen Kontrast zu seinem Vorgänger George W. Bush. Während Bush mit der Invasion des Irak eine glaubwürdige Drohkulisse aufbaute, die sogar Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi zum Abrüsten brachte, ging Obama auf eine, wie seine politischen Gegner es nennen, „Entschuldigungs-Tournee“, um die Herzen und Köpfe der muslimischen Welt zu gewinnen. Genutzt hat das letzten Endes wenig, wie auch das Desaster um die US-Botschaft in Bengasi zeigt: Am 11. September 2012 wurde der amerikanische Botschafter zusammen mit drei Angestellten brutal ermordet. Wie sich später herausstellte, hatten die das Botschaftsangestellten mehrfach in Washington um mehr Sicherheitspersonal gebeten – vergeblich. Obama bezeichnete den Tod der Diplomaten Wochen später in einer Comedyshow als „nicht optimal“.
Es stimmt: Obama ist ohne außenpolitische Erfahrung ins Amt gestartet. Seine oftmals schwammige Diplomatie hat ihm wenig Erfolge eingebracht, und um ein gutes Verhältnis zu Israels Premierminister Benjamin Netanjahu schien Obama nie besonders bemüht. Überhaupt ist Israel für diesen Präsidenten kein besonderes Herzensanliegen. Allerdings: Durch seine Strategie, Terrorzellen gezielt mit Drohnen anzugreifen, hat Obama bewiesen, dass er den Kampf gegen den Terrorismus ernst nimmt. Er ist bereit, Terroristen gezielt und ohne sichtbare Skrupel auszuschalten – die riskante Militäroperation zur Tötung Osama Bin Ladens ist dafür ein weiterer Beweis. Paradoxer Weise sind es gerade diese erfolgreichen Aspekte von Obamas Präsidentschaft, für die er in Europa kritisiert wird.
Obama versichert Israel glaubwürdig Schutz vor dem Iran
In Israel und unter israelfreundlichen US-Wählern hat besonders Obamas Verhalten gegenüber dem Iran für Diskussionen gesorgt. Das Zeitfenster, die Islamische Republik vom Bau einer Atomwaffe abzuhalten, wird kleiner. Nach Auffassung mancher Strategen hat Obama vier Jahre lang die Hände in den Schoß gelegt. Auf den ersten Blick mag das tatsächlich so aussehen. Aber: Obama hat immer wieder betont, dass er dem Iran die Konstruktion einer Atombombe nicht erlauben werde. Die Geheimdienste der USA und Israels haben – vermutlich – mit ihren Cyber-Angriffen auf iranische Computersysteme dem Atomprogramm des Landes deutlich geschadet. Und spätestens im dritten TV-Duell mit seinem Herausforderer Mitt Romney hat Obama zudem glaubwürdig und nachdrücklich versichert, Israel zur Seite zu stehen, sollte das Land angegriffen werden. Das auf persönlicher Ebene schlechte Verhältnis von Obama und Netanjahu wäre in einem solchen Extremfall kaum noch von Bedeutung.
Israel ist das einzige Land, in dem sich eine Mehrheit der Bevölkerung einen Präsidenten Romney gewünscht hatte. Richtig ist: Auf Romneys Agenda hätte Israel einen wichtigeren Platz eingenommen als auf Obamas. Richtig ist auch: Romney hätte sich mit israelfreundlicheren Beratern umgeben, als Obama dies tut. Vielleicht ist aber zudem richtig, was Obama seinem Kontrahenten in einer TV-Debatte im Bezug auf die Nahostpolitik vorwarf: „Sie sagen ja dasselbe wie ich – nur lauter.“
Von: Moritz Breckner via israelnetz

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