Kritiker warfen den früheren bosnischen Spitzenpolitikern Alija Izetbegovic (Staatspräsident), Haris Silajdzic (Regierungschef) und Hasan Cengic (Vizepremier) viele Korruptionsaffären vor. Als das im Krieg ruinierte Bosnien Mitte der 1990er Jahre Finanzhilfe in Gesamthöhe von 1,8 Milliarden US-Dollar von den USA und arabischen Ländern erhielt, sollen Izetbegovic, Silajdzic und Cengic rund die Hälfte davon persönlich „erschlossen“ haben. Die gestohlenen 900 Millionen sollen auf ihren Geheimkonten gelandet sein. Auch heute hat Sarajewo angeblich geheime Konten, um Millionen Dollar und Euro aus muslimischen Ländern unter dem Deckmantel „humanitärer Stiftungen“ zu akkumulieren.
 Über Izetbegovic möchte ich hier etwas ausführlicher berichten. Im Jahr 1946 landete er erstmals hinter Gittern, und zwar wegen seiner Aktivitäten während des Zweiten Weltkrieges. Im Jahr 1983 begann seine zweite Haftstrafe, die Anklage lautete damals auf Anti-Revolutions-Umtriebe. Im Jahr 1988 kam er frei und gründete ein Jahr später die Partei der demokratischen Aktion. Als Präsident startete Izetbegovic im April 1992 den Bürgerkrieg – zunächst gegen die Serben und die Kroaten, dann (seit 1994) nur gegen die Serben.
 Von einem Demokraten mutierte er allmählich zu einem islamischen Fundamentalisten. Sein guter Freund war Mustafa Ceric, Großmufti von Bosnien und Herzegowina, der durch seine unversöhnliche Haltung zu anderen Religionen bekannt war. Izetbegovic hielt streng an den Islam-Regeln fest und hörte auf Ratschläge von Herrn Ceric. Die beiden sahen nach eigenen Worten die Wurzel allen Übels in Bosnien darin, dass der Islam in Europa nicht akzeptiert und nicht richtig verstanden werde.
 Izetbegovic sicherte seinen Verwandten Zugriff auf die staatliche „Goldader“. Sein Sohn Bakir ließ während der Blockade einen Tunnel unter dem Sarajewo-Flughafen einrichten, um Menschen aus der belagerten bosnischen Hauptstadt zu evakuieren und Mangelwaren wie Zigaretten, Alkohol und Seefrüchte aus Kroatien und Serbien einzuführen. Während die Menschen in Sarajewo Hunger litten, genoss die politische und Mafia-Elite in Restaurants teure europäische Weine und frischen adriatischen Fisch. Mit Hilfe dieses Tunnels soll Bakir Millionen erwirtschaftet haben. Die Amerikaner waren mit seiner Maßlosigkeit unzufrieden und rügten seinen Vater deswegen. Trotzdem stand Bakir bosnischen Macht- und den Geschäftskreisen nahe.
 Emin Skopljak, Neffe von Alija Izetbegovic, war während des Krieges ein ranghoher bosnischer Geheimdienstler. Dann wurde er Geschäftsmann. Lejla, die ältere Tochter von Izetbegovic, hielt sich während des Krieges in der Türkei auf. Die jüngere Tochter Sabina arbeitete bei Izetbegovic als Dolmetscherin. Einige weitere Verwandte des Präsidenten arbeiteten in seinem Apparat. Einer von ihnen war Bakir Sadovic (Enkel der Schwester) – als Offizier für die Verbindung mit der Armee zuständig. Izetbegovic erteilte ihm besonders geheime Aufträge.
 Mirza Hajric war Pressesprecher von Präsident Izetbegovic. Er war bei allen internationalen Verhandlungen mit dabei und für Kontakte mit islamischen Organisationen zuständig. Gemeinsam mit Hasan Cengic soll er den Sarajewo-Besuch von Osama bin Laden im Jahr 1993 mit organisiert haben. Die beiden waren dabei, als Bin Laden mit Izetbegovic zusammentraf. Ich kannte Mirza persönlich, er genehmigte meine Interviews mit Izetbegovic im Zeitraum zwischen 1992 und 2001. Als ich Mirza Hajric im Jahr 2002 zum letzten Mal sah, war er Geschäftsführer des Unternehmens Foreign Investment Promotion Agency of Bosnia and Herzegovina.
 Ein großer Freund von Alija Izetbegovic war Hasan Muratovic. Ihm wird nachgesagt, viel Geld für die Promotion in Ljubljana ausgegeben zu haben. In seiner Jugendzeit war Muratovic ein Komsomol-Funktionär in einer Vorstadt von Sarajewo. Gegen Muratovic gab es auch schwere Vorwürfe. Als Ministerpräsident soll er rund 200 Millionen US-Dollar illegal erwirtschaftet haben. Er soll unter anderem den Drogenschmuggel über den Igman und durch den Tunnel unter dem Flughafen erlaubt haben. Muratovic war Parlamentsabgeordneter und der bosnische Delegationschef bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Dies ermöglichte ihm Kontakte mit Albanern, darunter mit dem derzeitigen Regierungschef Sali Berisha. Ich beobachtete beispielsweise ihr freundliches Gespräch in Straßburg im Frühjahr 2004.