Thursday, September 04, 2014

Feigenblatt

Am 14. September veranstaltet der Zentralrat der Juden in Deutschland in Berlin eine Kundgebung unter der Überschrift “Steh auf! Nie wieder Judenhaß!” Nachdem im Sommer autochthone wie importierte Antisemiten öffentlich “Juden ins Gas” wünschten, Adolf Hitler hochleben und israelische Flaggen in Flammen aufgehen ließen, ist es zweifellos richtig und wichtig, Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen.
Das Potential dazu hat die Veranstaltung am übernächsten Wochenende gewiß. Dennoch drängen Fragen sich auf. So wirft Henryk M. Broder berechtigt ein, daß es doch eigentlich nicht Sache der Juden sein sollte, “etwas gegen den Antisemitismus zu unternehmen”. In Deutschland leben kaum mehr als 100.000 Juden, fand keiner der restlichen 80,6 Millionen Bewohner Deutschlands, es sei Zeit für eine Großkundgebung?
Immerhin beispielsweise nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel die antisemitischen Aufmärsche im Sommer einen “Versuch, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu erschüttern”. So groß war die Gefahr für die FdGO dann aber offenbar doch nicht, den Urlaub zu unterbrechen und ihr Kabinett zu einer Sondersitzung zusammenzurufen. Würden brennende Synagogen die FdGO wirklich gefährden?
Mit seiner Kundgebung und ihrer Zulassung als offizielle Unterstützer erspart der Zentralrat der Juden in Deutschland den im Bundestag vertretenen Parteien und ihren Stiftungen, sich mit ihrem Versagen in diesem Sommer – aber auch darüber hinaus – zu beschäftigen. Im Mai etwa wurde bekannt, daß es Regierung und Parlament nicht eilig haben, die vor Jahren angekündigte “Antisemtismus-Kommission” zu berufen.
Und was ist von den parteinahen Stiftungen als Teilnehmern an einer Demonstration gegen Antisemitismus zu halten, denen über alle politischen Lager hinweg regelmäßig und ebenso unwidersprochen wie folgenlos vorgeworfen wird, in “Palästina” Kräfte zu unterstützen, die weder für ein friedliches Zusammenleben mit Juden eintreten noch sich mit der Existenz Israels abfinden wollen?
Auch mit seinem “Ehrengast” Joachim Gauck sendet der Zentralrat der Juden in Deutschland ein zweifelhaftes Signal. Der Bundespräsident gehört zu den Erstunterzeichnern der “Prager Erklärung”, mit der Geschichte verfälscht und der Holocaust letztlich verharmlost werden. Kann jemand, der die Befreier von Auschwitz gleichsetzt mit den Planern des Genozids an Juden, glaubwürdig gegen Antisemitismus eintreten?
Man möchten den Veranstaltern der Kundgebung “Steh auf! Nie wieder Judenhaß!” sichtbaren wie nachhaltigen Erfolg wünschen. Mit der Wahl ihrer Unterstützer haben die Organisatoren gewiß dafür gesorgt, daß ersterer eintritt. Demonstriert man aber gemeinsam mit Organisationen und Persönlichkeiten, deren Verhältnis zu Antisemitismus bestenfalls ungeklärt ist, bleibt es beim bedeutungslosen Symbol, das morgen vergessen ist.
tw24

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