Sunday, March 08, 2015

Selbstverständlichkeit

Zehn Tage vor den vorgezogenen Knesset-Wahlen versammelten sich in der israelischen Metropole Tel Aviv zahlreiche Menschen, um gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu demonstrieren. Bis zu 40.000 Demonstranten, Sympathisanten zumeist des linken “Zionistischen Lagers” und des Meretz-Bündnisses forderten einen Regierungs- und Politikwechsel.
Meir Dagan, bis 2010 Mossad-Chef, warnte vor der Fortsetzung einer Politik, die nur einen Wandel Israels in einen binationalen Staat beschleunige. “He is dragging us down to a bi-national state and to the end of the Zionist dream”, griff er seinen ehemaligen Vorgesetzten an. Auch Michal Kastan Keidar, Witwe eines im Sommer gefallenen Offiziers, übte scharfe Kritik:
“‘Yes, Mr. Prime Minister, what’s important is life itself, but it’s impossible to speak all the time about Iran and to turn a blind eye to the bloody conflict with the Palestinians which costs us so much blood,’ she said.”
Die Partei des so Attackierten – der Likud und das “Zionistische Lager” sind in Umfragen derzeit etwa gleich beliebt, allerdings ist Benjamin Netanjahu als Likud-Spitzenkandidat weitaus beliebter als Isaac Herzog oder Tzipi Livni, die Spitzenkandidaten der Links-Zionisten – reagierte noch am Abend mit einem Statement, dessen Aufgeregtheit wohl in die heißte Phase eines Wahlkampfs paßt:
“[T]he rally in Tel Aviv is part of a campaign orchestrated by the left [and] funded by millions of dollars from abroad. The aim is to change the nationalist Likud government headed by Netanyahu with a left wing government headed by [Tzipi] Livni and [Isaac Herzog] which will be supported by the Arab parties.”
Gleichwohl muß niemand, der sich an der regierungskritischen Demonstration am Sonnabend beteiligte, fürchten, in den nächsten Tagen als Verräter ins Visier von Geheimdiensten zu geraten oder spurlos zu verschwinden, schlimmstenfalls droht Streit mit dem Nachbarn, denn Israel ist eine lebendige Demokratie, und Meinungsunterschiede sind ihr Lebenselixier.
Das unterscheidet den jüdischen Staat von allen seinen Nachbarn, von praktisch allen Staaten, Ex-Staaten und sonstigen Gebilden in der Region. Daß es so bleibt, daran sind wohl die meisten der Wählbaren interessiert; daran, daß es sich ändert, nicht nur zahlreiche erklärte Feinde der jüdischen Demokratie, sondern, leider, auch nicht wenige seiner “Freunde”.
 tw24

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