Thursday, April 30, 2015

Ahnungslos im Reichstag

In der Debatte um eine sofortige Anerkennung “Palästinas” als Staat durch die Vereinten Nationen und den Deutschen Bundestag in der vergangenen Woche haben nicht nur die “linken” Antragsteller ihre Weltfremdheit demonstriert. Auch ihre politische Konkurrenz offenbarte eine – wohlwollend formuliert – teils beschämende Ahnungslosigkeit.
So “dachte” etwa der für die deutsche Sozialdemokratie auftretende Niels Annen, die Gelegenheit sei günstig für ein paar Angriffe auf den israelischen Premier Benjamin Netanjahu. Der habe “sehr viel Zeit, eher zu viel Zeit, ungenutzt [..] verstreichen lassen”, sich für eine Zwei-Staaten-Lösung zu engagieren.
“Ich denke auch, man kann am Ende nur schwer dem widersprechen, was Außenminister Kerry vor dem Kongressausschuss gesagt hat. Er hat relativ deutlich gemacht, wo er den größten Hinderungsgrund für das Scheitern seiner Initiativen gesehen hat, nämlich in der Weigerung der Regierung Netanjahu, sich wirklich auf substanzielle Gespräche einzulassen. Dazu gehört natürlich auch die Bereitschaft, entsprechende Zugeständnisse zu machen.”
Daß man der Darstellung John Kerrys nicht unbedingt folgen muß, hat Tzipi Livni, die als israelische Unterhändlerin mindestens so glaubwürdig ist wie der Secretary of State, gegenüber der New York Times aufgezeigt. Nach ihren Angaben, die Washington nicht bestreitet, war es Abu Mazen, der sich weigerte, einen amerikanischen Lösungsvorschlag auch nur wahrzunehmen:
“On March 17, in a meeting in Washington, President Obama presented Mahmoud Abbas, the Palestinian leader, with a long-awaited American framework for an agreement that set out the administration’s views on major issues, including borders, security, settlements, Palestinian refugees and Jerusalem.
Livni considered it a fair framework, and Netanyahu had indicated willingness to proceed on the basis of it while saying he had reservations. But Abbas declined to give an answer in what his senior negotiator, Saeb Erekat, later described as a ‘difficult’ meeting with Obama. Abbas remained evasive on the framework [..].”
Daß Niels Annen vor diesem Hintergrund ausgerechnet Benjamin Netanjahu mangelnde Kompromißbereitschaft vorwirft, ihn beschuldigt, “konkrete Schritte in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung unterminiert” zu haben, belegt die ganze Inkompetenz dieses Mitglieds einer Partei, die Abu Mazens Fatah ein “strategischer Partner” sein will.
Doch auch Andrea Lindholz, sie sprach für die Unionsfraktion, wollte Jerusalem belehren. Schrieb die New York Times am 18. April, “Israel and the Palestinian Authority have reached an agreement to resolve a monthslong dispute over the transfer of tax revenue Israel collects on behalf of the Palestinians”, klagte die Abgeordnete fünf Tage später:
“Wenn die israelische Regierung diese Gelder nun teilweise zurückhält, um damit politische Stimmungsmache zu betreiben und Druck auf die palästinensische Verwaltung auszuüben, dann schadet sie sich selbst [..].”
Tatsächlich hatte die israelische Regierung weniger “politische Stimmungsmache” betrieben, sondern mit dem einbehaltenen Geld Schulden verringert, die das Regime in Ramallah bei israelischen Unternehmen angehäuft hatte – und nach wie vor anhäuft. Daß das problematisch und vertragswidrig sein könnte, ahnt Andrea Lindholz vermutlich nicht einmal.
Schuldentilgung, war für sie klar, “verstößt [..] gegen Friedensverträge”. In einem dieser Verträge, den Pariser Protokollen, heißt es, “jede Seite wird ihr Bestes tun, um Schaden für die Industrie der anderen Seite zu vermeiden, und sie wird die Interessen der anderen Seite in der Politik im Bereich der Industrie einbeziehen”.
Liefern israelische Unternehmen Waren und Dienstleistungen nach “Palästina”, liegt es gewiß in ihrem Interesse, dafür angemessen bezahlt zu werden. Und bleibt die Bezahlung aus, steigen die Schulden auf dreistellige Millionenbeträge, entsteht genau dadurch ein Schaden. Die Schuldner, nicht ihre Gläubiger, verstoßen damit gegen Friedensverträge.
Zwar verdient es Anerkennung, widersprachen Niels Annen oder Andrea Lindholz dem Ansinnen der Fraktion der Partei Die Linke. Dieser Widerspruch wird aber entwertet, diente er doch nur als Anlaß für in jeder Hinsicht unbegründete Vorwürfe an die israelische Regierung. Wer Benjamin Netanjahu verleumdet, ist Teil des Problems.
 tw24

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