Tuesday, August 04, 2015

Der Prügelknabe der Politik

Eine unappetitliche Populismuswelle erbrach sich in Sachen NSA über Deutschland. Politiker der zweiten und dritten Reihe warfen sich im Kampf gegen den Ami todesverachtend in Positur. Und auch die Kanzlerin („Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“) und ihr Regierungssprecher („”Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg”) traten mit Äusserungen hervor, die besser unterblieben wären. Jedenfalls dann, wenn man weiss, das Geheimdienste gelegentlich auch abhören. Und man kann die Amerikaner, nachdem eine Zelle der 9/11-Attentäter in Hamburg unbehelligt planen konnte, vielleicht auch noch verstehen.
Wer sich hier über Range empörte, tat dies entweder aus Kenntnislosigkeit hinsichtlich der Möglichkeiten, die ein Generalbundesanwalt überhaupt hat. Oder, und das darf man bei gewählten Abgeordneten in jedem Falle unterstellen, wissend, dass Range gar nicht so kann, wie er vielleicht gerne möchte. Denn er ist in seinem Tun nicht unabhängig. Auch der oberste Strafverfolger der Republik ist, wie jeder Staatsanwalt in Deutschland, der verlängerte Arm der Politik. Es ergeht ihm nicht besser als einem Ankläger in der Provinz, der von seinem jeweiligen Landes-Justizminister gegängelt werden kann. Für den Bundesjustizminister ist der Generalbundesanwalt nur ein nachgeordneter Beamter, der parieren muss.
Hat irgendjemand Zweifel daran, dass Range in Sachen NSA und dem Abhören von Merkels Handy bis ins Kleinste angewiesen wurde, wie er zu verfahren habe? Intern am ganz kurzen Gängelband, extern der Prügelknabe verlogener Politiker.
In Zusammenhang mit dem „Skandal“ um den Blog netzpolitik.org, der geheime Unterlagen des Verfassungsschutzes veröffentlich hat, ist Range jetzt der Kragen geplatzt. Und zwar völlig zurecht. Es ist völlig legitim und möglicherweise sogar berechtigt, wenn Verfassungsschutzpräsident Maaßen Anzeige erstattet, wenn geheime Dokumente seiner Behörde öffentlich werden. Vielleicht muss er dies sogar tun. Die Staatsanwaltschaft prüft den Vorwurf und leitet u.U. Ermittlungen ein. Wenn die Ermittlungen nicht eingestellt werden, entscheidet am Ende ein Gericht, ob eine Strafbarkeit vorliegt. Gegen diese Entscheidung gibt es in aller Regel noch Rechtsmittel.
Den vorliegenden Fall mit der „Spiegel“-Affäre zu vergleichen, ist wohl dem Sommerloch geschuldet.
Schwerwiegender allerdings ist der brutale Eingriff der Politik in die Gewaltenteilung. Die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte mag in Ausnahmefällen von höherem nationalen Interesse ihre Berechtigung haben. Sie hat es in Petitessen wie der vorliegenden keinesfalls.
Und daher verdient Range hier Respekt, wenn er sich seinen Dienstherren, Justizminister Heiko Maas, vorknöpft und einen “unerträglichen Eingriff” der Politik in die Unabhängigkeit der Justiz beklagt.
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