Friday, February 12, 2016

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In der aktuellen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung stellt Peter Münch ausführlich einen Bericht »israelischer Menschenrechtler« vor, der auf 36 Seiten »aufzeigen soll, wie die Regierung [in Jerusalem] unter dem Radar der weltweiten Wahrnehmung daran arbeitet«, durch den Bau neuer Siedlungen »Fakten zu schaffen, die eine Zwei-Staaten-Lösung immer unmöglicher machen.«
Die von Yesh Din, einer »Nichtregierungsorganisation«, die, so Peter Münch, »unter anderem von der EU-Kommission, den Vereinten Nationen und dem deutschen Außenministerium finanzielle Unterstützung« erhalte, angefertigte Studie soll an diesem Freitag einer Öffentlichkeit präsentiert werden, die sich auch fragen dürfte, weshalb eine deutsche Zeitung schon vorab informiert wurde.
Vielleicht macht dieses Detail aber gerade deutlich, weshalb in Israel die Aktivitäten von »NGO« wie Yesh Din zunehmend skeptisch gesehen werden. Handelt es sich bei der Gruppierung um einen Zusammenschluß israelischer Bürger, die unzufrieden sind mit der Politik ihrer Regierung, oder sind sie schon mehr oder minder üppig finanzierte Lautsprecher ausländischer Regierungen?
Mit der Veröffentlichung in der SZ wiederum wird eine Öffentlichkeit erreicht, der Experten hartnäckige antisemitische Vorurteile bescheinigen. Dem SPIEGEL etwa erklärte der Forscher Andreas Zick, »nur 16 Prozent hätten es in einer Umfrage geschafft, über die israelische Politik oder Juden zu urteilen, ohne auch nur einem von 16 antisemitischen Klischees zuzustimmen.«
Liefert Yesh Din also, wofür ein »israelkritisches« Auswärtiges Amt in Berlin bezahlt? Und serviert Peter Münch seinen Lesern nur, was die lesen wollen, zitiert er einen Yesh Din-Aktivisten mit den Worten, »Israel betreibt eine Politik der schleichenden Annexion«? Eine kritische Auseinandersetzung des Journalisten mit dieser Behauptung jedenfalls sucht man vergeblich.
Dabei scheint Vorsicht durchaus angebracht, wie beispielsweise der Blick in die gleichfalls aktuelle Neue Zürcher Zeitung deutlich macht. Sie befragt mit dem israelischen Verteidigungsminister Moshe Yaalon einen Politiker, der von einer »schleichenden Annexion« doch wissen müßte, aber nur erläutert, »das Thema der Siedlungen wird Gegenstand abschliessender Verhandlungen sein«.
Und auf die sollten die »Palästinenser« sich einlassen, könnten sie in ihnen doch nur gewinnen. »Wir wollen die Palästinenser nicht regieren. Wir sind froh, dass sie politisch unabhängig sind. [..] Wir haben jedem Teilungsplan seit der britischen Mandatszeit zugestimmt, und sie haben jeden abgelehnt! [..] Wir wollen mit ihnen als verlässlichen und verantwortungsvollen Nachbarn leben«.
Niemand verlangt von Peter Münch, daß er den Aussagen eines Regierungsmitglieds blind vertraut. Wenn er jedoch völlig kritiklos wiedergibt, was Yesh Din behauptet, und auf die Erwähnung offizieller Stellungnahmen aus Jerusalem verzichtet, offenbart er, was seriösen von süddeutschem Journalismus unterscheidet. Vier von fünf Lesern dürften sich leider bestens »informiert« fühlen.
 tw24

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