Wednesday, February 10, 2016

Narren im Dienste der Regierung

Die Narren können einpacken, wir dürfen aufatmen. An Aschermittwoch ist alles vorbei. Keine Fastnachtssendung mehr im Fernsehen, keine Prunksitzung, bei der die  Büttenredner wie abgesprochen aus der Rolle fallen. Über eine Woche lang haben sie Abend für Abend, abwechselnd bei ZDF und  ARD, ihr Herzensblut zur „Willkommens-Kultur“ vergossen. Kaum einer, der aus der Reihe tanzte. Die Schulmeister der karnevalistischen Besserungsanstalten wußten, was der Ernst der Stunde verlangte. Ehrfürchtig zogen sie die Narrenkappe vor Angie, dem blonden Engel; schnaubend zerschlugen sie ihre Narrenspiegel auf dem dunkeln Bubikopf der Frauke Petry. Mutig wagte sich der eine oder andere nach vorn, indem er die „Flüchtlinge“ ermahnte, das Gastrecht in vollen Zügen zu genießen, hübsch brav zu sein und uns den Fasching nicht zu verderben. Denn da, sollten sie wissen, würde der Spaß aufhören.
Was hier auf dem Spiel steht, offenbarte das ZDF gleich zum Auftakt der tollen Tage. In seiner Sendung „Mainz bleibt Mainz“ war der „Till“ als erster Redner auf eine Nachbildung der Reichstagskuppel gestiegen. Die Welt lag ihm zu Füßen. „Engelsgleich“ sah er die Kanzlerin „ins irdische Jammertal hernieder“ steigen, sich „zur Güte verpflichtet“ fühlend.  Eine ironische Übertreibung, bei der es auf bösen Spott hinausläuft? Mitnichten! Um solche Missverständnis gar nicht erst aufkommen zu lassen, schätzte sich der gerührte Till glücklich, von einer derart „emotionsgesteuerten“ Kanzlerin durchregiert zu werden. Denn: „Bei ihr ein Herz schlägt innen drin“.
Das Publikum applaudierte, wie es sich bei Hofe gehört, auch nachher, als ein gewisser Lars Reichow unter den Gäste im Saal Frank-Walter Steinmeier als „phantastischen Außenminister“ begrüßte – „das muss doch mal gesagt werden“. Es war zum Heulen schaurig, dieser ganze Spuk der linientreuen Narren, drinnen und draußen. Beim Umzug in Frankfurt am Main zogen sie am Sonntag einen Motivwagen durch die Stadt, auf dem die Freiheitsstatue den Kopf Angela Merkels trug.
Und wer weiß, was wir noch alles zu sehen bekommen hätten, hätte nicht Petrus ein Einsehen gehabt und dem Land einen Sturm verheißen, vor dem sich die unterwürfigen Spaßvögel in ihre Wagenburgen zurückzogen. Bei einem Kamerablick hinter die Kulissen sah man – war es in Düsseldorf oder in Fulda? – einen Anhänger, auf dem ein riesiger Krake die Demokratie mit seinen hässlichen Armen zerquetscht. Auf einer dieser Tentakeln stand groß geschrieben AfD. Der Kopf des Tieres trug die Frisur Adolf Hitlers.
Politische Fastnacht mit dem Holzhammer der Propaganda, ohne Witz, Pointe und Ironie, dafür ganz im Sinne der etablierten Parteien, die weiterhin unter sich ausmachen wollen, wer bei der Demokratie mitspielen darf. Hat doch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier erst vor wenigen Tagen dekretiert: „Die AfD ist für jeden aufrechten Demokraten unwählbar.“
Das, scheint es, haben sich die Fastnachter in der abgelaufenen Kampagne ebenso zu Herzen genommen wie die Worte des Bundesjustizministers Heiko Maas. Rechtzeitig vor den tollen Tagen, schon am 30. Januar, hatte er uns in einem Beitrag für die FAZ wissen lassen, dass die Kritik an der Regierung „der politischen Kultur und dem Recht schweren Schaden“ zufügen würde.
Das ist nicht geschehen. Die Obrigkeit wurde landauf landab beklatscht, kaum verlacht. Keiner, der es befürchtet haben mag, hat ein ein blaues Auge gefangen. Die Hofnarren sind bei Fuß gegangen und haben zudem die Gegner der Majestäten, so wieder der Stiefelecker Lars Reichow, „in ihre Grenzen verwiesen“. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass aus der deutschen Gesellschaft, die sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts einiges auf ihre Meinungsfreiheit zugute hielt, abermals eine staatlich manipulierte geworden ist, dann hat ihn der politische Karneval 2016 erbracht.
Was für ein Glück, das jetzt alles vorbei ist. An Aschermittwoch beginnt das große Fasten, die Zeit der Enthaltsamkeit. Keine Jecken mehr im Fernsehen, nur noch Helene Fischer. Selten haben wir uns darauf so gefreut.
achgut / Thomas Rietzschel

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