Monday, December 12, 2016

Postfaktische Selbstkontrolle

Im vergangenen Juli beriet und beschloß das israelische Parlament, die Knesset, »trotz aller Kritik«, wie es in einer Meldung eines deutschen Leitmediums hieß, das sogenannte »NGO-Gesetz«, »das vor allem Nichtregierungsorganisationen (NGO) schärfere Auflagen erteilt«. Eine der »Auflagen« schaffte es nur in der Phantasie der Autoren der Meldung ins Gesetz, nicht aber in der Realität.
Kennt das »NGO-Gesetz« tatsächlich keinerlei besondere Abzeichenpflicht für Vertreter von NGO, behauptet Zeit online bis heute das Gegenteil: »Vertreter dieser Gruppen müssen [..] bei Besuchen im Parlament spezielle Plaketten tragen«. Und darf auch Zeit online sich irren, wird der Irrtum zum Skandal, wird er nicht berichtigt. Denn das wichtigste Gut des Journalisten ist die Wahrheit.
So jedenfalls steht es im Pressekodex des Deutschen Presserats, der vor wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag feierte und bei der Gelegenheit vom deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck in den höchsten Tönen gelobt wurde. Wie wenig freilich schöne Theorie und Praxis miteinander zu tun haben, wird an der weiteren »Karriere« der Falschmeldung von Zeit online deutlich.
Feierte Joachim Gauck eine »publizistische Selbstkontrolle«, die doch dafür sorgen müßte, daß eine unrichtige Tatsachenbehauptung nicht weiterverbreitet wird, geschah genau dies: Im deutschen Staatsfunk wurde vor wenigen Tagen erklärt, Vertreter von NGO müßten »Anstecker tragen«. Und auf die Frage nach eine Quelle hieß es: »Ich hatte mich auf einen Artikel in der ›Zeit‹ bezogen«.
Und weiter: »Sollte meine Quelle – die ›Zeit‹ – mit ihrer Einschätzung falsch gelegen haben, bedauere ich das.« Im Pressekodex heißt es, »veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen [..], die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen.« Ist Bedauern »angemessen«?
Des Deutschlandfunk jedenfalls sah sich zu mehr nicht veranlaßt. Das Manuskript, das die falsche Behauptung enthält, wurde (bisher) so wenig geändert wie ihre ursprüngliche Quelle. Von einer »publizistischen Selbstkontrolle« ist hier nichts zu bemerken. Vielmehr wurde abgeschrieben – und erneut auf eine öffentliche Berichtigung verzichtet. Postfaktischer Qualitätsjournaillismus eben.
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