Eine Barrikade aus hochkant aufgestellten Bussen schützt die Menschen
hinter der Barrikade vor den Schüssen der Kämpfer vor der Barrikade.
Insofern ist sie für alle hinter der Barrikade eine gute Sache und kann
auch als Symbol für das Gute dienen. Davon konnte ein syrisch-deutscher
Künstler die Dresdner Stadtverwaltung überzeugen. Aus Anlass des
traditionellen Gedenkens an die Zerstörung Dresdens durch alliierte
Bombenangriffe am 13. Februar 1945 durfte Manaf Halbouni auf dem
Neumarkt vor der wunderschön wiederaufgebauten Frauenkirche eine
Barrikade aus drei Schrottbussen errichten, als Nachbau eines Originals
aus Aleppo.
Viele Dresdner empörten sich ob der Verschandelung des schönen Ortes
und vermochten die gewollte Aussage im Schrottbus-Monument nicht so
recht zu erkennen. Bei Einweihung durch den Oberbürgermeister gab es
Pfiffe und Proteste. Das Stadtoberhaupt sah das Pegida-Dresden am Werke.
Die Erklärungen, wie gut das Monument eigentlich ist, scheint bei
vielen Bürgern der sächsischen Landeshauptstadt nicht angekommen zu
sein. Sie greifen möglicherweise zu selten zur „Süddeutschen Zeitung“.
Dort hätten sie lesen können, welch wichtigen Beitrag der Künstler hier
aus dem Schrott des öffentlichen Nahverkehrs geformt hat:
„Jetzt ist das Postkartenmotiv verstellt, durch das Werk des
deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni. Auf den Kopf gestellte,
ausrangierte deutsche Linienbusse versperren den Blick. Bewohner der
Stadt Aleppo haben sich mithilfe solch einer Barrikade aus Linienbussen
vor Scharfschützen geschützt. Dass Dresden nun genau hier genau diese
Skulptur aufstellen ließ, ist ein mutiges Zeichen für eine Stadt, die
als Geburtsort von Pegida – einer unter anderem offen islam- und
fremdenfeindlichen Organisation – international bekannt geworden ist.
Diesem Zeichen gebührt Respekt.
Der Bevölkerung wird damit die Hässlichkeit zugemutet, die sie
nicht gerne duldet. Viel wichtiger ist jedoch die Symbolhaftigkeit: Die
Barrikade gibt der Frauenkirche auch ihre eigene Bedeutung zurück.“[1]
Bei so viel bedeutender Symbolhaftigkeit hätte sich ein Blick auf das
Original in Aleppo gelohnt, um symbolische Missverständnisse zu
vermeiden. Denn unabhängig davon, dass jede Barrikade vor Kugeln
schützt, ist es vielleicht nicht ganz unerheblich, welche Kriegspartei
sie errichtet hat. Zumindest die sonst sehr symbolsensiblen Spitzen der
Dresdner Stadtverwaltung hätten auf die Idee kommen können, sich die
Fotos der Bus-Barrikade von Aleppo anzuschauen, bevor man ein
Wahrzeichen der Stadt zur Nutzung freigibt. Auf dem Agenturfoto, das
jetzt von einigen Lokalmedien hervorgeholt wurde, weht die Fahne der
„Ahrar ash-Sham“, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als
„Terroristische Vereinigung“ eingestuft wird und laut Stiftung
Wissenschaft und Politik „zum islamistisch-salafistischen Spektrum des
Aufstands“ gehört. „Sie wollen das Asad-Regime stürzen und durch einen
islamischen Staat ersetzen, der auf dem islamischen Recht der Scharia
beruhen soll“[2], sagt die Stiftung über diese Kämpfer. Mit einer solchen Symbolik ist die Barrikade natürlich wahrlich ein „mutiges Zeichen“.
Nun will niemand dem Künstler Manaf Halbouni unterstellen, er wolle
Propaganda für Ahrar ash-Sham machen. Nur problematisch finden offenbar
weder er noch Dresdens Stadtväter die nun bekannt gewordene Verbindung
ihres schönen Symbols zu den Islamisten. Halbouni erklärte dem MDR, er
habe auf den Bildern, nach denen die Idee entwickelt wurde, keine Fahne
gesehen. Aber jetzt, da er sie nicht mehr übersehen kann, scheint sie
für ihn auch kein Problem zu sein:
„Das Einzige, was ich weiß, ist, dass eine der dort kämpfenden
Parteien die Busse dort aufgerichtet hat, um eine Schutzbarrikade für
die Zivilbevölkerung zu errichten, um die Sicht von Scharfschützen zu
blockieren“ und „Ich muss das Kunstwerk nicht neu bewerten, denn es steht für das, was ich meine: Für den Frieden.“ [3]
Was vor Schüssen schützt, ist also erst einmal gut, egal unter
welcher Fahne? Wenn die Stadt dieser Logik konsequent folgt, kann sie ja
zum nächsten 13. Februar ein Denkmal für den unbekannten Luftschutzwart
errichten. Dessen Dienst diente doch auch dazu, Menschen vor Bomben zu
schützen, oder?
Aber lassen wir das. Werfen wir vielleicht zum Abschluss noch einen
Blick in die künstlerische Gedankenwelt von Manaf Halbouni. Der stellt
auf seiner Webseite sein Projekt „What if“ vor. Dort verändert er
Landkarten so, wie sie bei einem anderen Verlauf der Weltgeschichte
heute aussehen könnten. Die Aussage fasst er selbst zusammen und um
Missverständnisse zu vermeiden, geben wir sie einfach buchstabengetreu
wieder:
„Bei meinem Kartenprojekt „What if“ stelle ich mir den Ablauf der Weltgeschichte anders vor.
In der Fiktiven Welt die ich erschaffen habe, hat die Industrie
Revolution im Arabischen so wie Osmanischen Reich stattgefunden. Somit
sind zwei Mächte hervor gekommen die die Welt mit Waffen sowie
Technologische Errungenschaften beliefern. Auf der Suche nach Ressourcen
und Absatzmärkte, begann man mit den Kolonialisierung Europas.
Bei der Kolonialisierung wurden neue Grenzen erschaffen um Europa
unter zwei Mächten aufzuteilen ohne Rücksicht auf die Verschiedenen
dort lebenden Völker.
Die entstandenen Kampfkarten, Verzeichnen den lauf der Truppen
und dessen verschiedenen Verbänden so wie wichtige Militärische Ziele.
Die neu Eroberten Städte werden Teils umbenannt oder übersetzt.
Lädiglich ein Par Große Städte dürfen ihren Namen behalten.“[4]
Leider kann ich kein Arabisch lesen und kann deshalb auf den Bildern
seiner Karten leider nicht erkennen, ob Dresden seinen Namen behalten
durfte.
[1] http://www.sueddeutsche.de/kultur/skulptur-vor-der-frauenkirche-dresden-setzt-ein-mutiges-zeichen-1.3369089
[2] http://www.sz-online.de/nachrichten/wer-baute-die-strassensperre-von-aleppo-3608706.html
[3] http://www.mdr.de/sachsen/dresden/interview-manaf-halbouni-monument-100.html
[4] https://www.manaf-halbouni.com/work/what-if/
Quelle: http://sichtplatz.de/?p=7755
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