Früher hießen Fake-News noch Falschnachrichten, Lügen oder
Propaganda. Damals galt es als selbstverständlich, dass sich
professionelle Journalisten bei jeder Recherche selbst darum kümmerten,
keinen falschen oder gefälschten Informationen aufzusitzen. Zumindest
war das in den Ländern so, in denen Meinungs- und Pressefreiheit
herrschte. Redakteure hinterfragten die Arbeit der Kollegen kritisch und
jeder Verleger und Senderverantwortliche akzeptierte, dass Recherchen
Zeit und Mühe, also auch Geld kosten.
Das ist lange her. Über viele Jahre wurde in den Redaktionen
„optimiert“, also vor allem bei der Erstellung der journalistischen
Inhalte gespart. In vielen Bereichen sind für freie Kollegen gründliche
Recherchen der pure Luxus, denn sie können sie kaum oder gar nicht
abrechnen. Auch in den öffentlich-rechtlichen Anstalten sollten die
Recherchen billiger werden, obwohl doch gerade diese Sender
Gebührenerhebungen damit begründen, eine journalistische Kultur zu
finanzieren, die sich rein betriebswirtschaftlich nicht darstellen
ließe.
Doch wo einst verschiedene Redaktionen mit ihren Recherchen im
gegenseitigen Wettbewerb standen, gibt es jetzt Rechercheverbünde, die
von privatrechtlichen Verlagshäusern und gebührenfinanzierten Sendern in
einer bedenklichen Grauzone gemeinsam betrieben werden. Außerhalb
solcher Recherche-Reservate ist dieser Teil des journalistischen
Kerngeschäfts ziemlich an den Rand gedrängt worden. Aber nun gilt es
plötzlich, Fake-News zu entlarven und zu bekämpfen? Wie soll man denn
falsche Nachrichten anders aufspüren, als durch Recherche?
Man könnte auf gesunden Menschenverstand hoffen. Man könnte darauf
warten, dass Sender-Verantwortliche sagen, man hätte überall sparen
können, nur nicht am eigentlichen Kerngeschäft, den Sendeinhalten. Man
könnte daran glauben, dass einfach mehr Geld investiert wird, um den
Kollegen, die das Programm füllen, wieder gründlichere Recherchen zu
ermöglichen. Aber das ist viel zu leicht gedacht. Lieber schafft man –
so ein Sender ist schließlich irgendwo auch eine Behörde – eine neue
Abteilung, pardon, die erste „öffentlich-rechtliche
Anti-Fake-News-Einheit“, wie der Fachdienst MEEDIA schreibt. Die
entsteht jetzt im Bayerischen Rundfunk (BR) und heißt offiziell
„BR-Verifikation“. Schöner neuer Name für etwas, das eigentlich zum
beruflichen Fundament eines jeden redaktionellen Medienarbeiters gehören
sollte.
Irgendwie muss dieser Gedanke auch den BR-Informationsdirektor Thomas
Hinrichs gestreift haben, als er die Notwendigkeit von
„BR-Verifikation“ erklären soll. „Fakten zu recherchieren, zu
verifizieren und fehlerfrei darzustellen, gehört selbstverständlich
traditionell zur Kernaufgabe eines jeden Journalisten, das ist unser
Tagesgeschäft“, gesteht er ein. Doch gegen Fake-News müsse es die neue
Abteilung geben, denn die würden „oft mit dem Ziel, einzelne Menschen
oder Bevölkerungsgruppen zu diffamieren und die politische
Meinungsbildung zu beeinflussen“ produziert und das seien neue
Herausforderungen.
Leider stellen die Kollegen von MEEDIA nicht die Frage, was denn
daran so neu ist, dass man eine neue Einheit braucht. Mit welchem Ziel
wurden denn Falschnachrichten, Lügen und Propaganda bis dato lanciert
und verbreitet? Ging es da um etwas anderes, als die Beeinflussung der
Medienkonsumenten?
Nein, das ist nicht neu, aber die Mittel gegen Fake-News sind heute
andere. Ging es früher darum, mit Recherche und eigenem Denken
Zusammenhänge herzustellen und an der richtigen Stelle zu hinterfragen
und auch neue Quellen und Fakten aufzuspüren, um eine Geschichte
entweder zu bestätigen oder zu widerlegen, so übernimmt das heute die
Technik:
„Im Kampf gegen Fake News soll die neue Browser-Erweiterung
„Factfox“ – die an eine agil wachsende Datenbank angebunden ist –
zusätzlich eine Stütze sein. Momentan befindet sich das Tool samt
Datenbank bei BR24, dem aktuellen News-Angebot des BR, in der Testphase
und wird im laufenden Betrieb in Zusammenarbeit mit Fachredaktionen des
BR aufgebaut.
Ein möglicher Anwendungsfall laut BR-Sprecher: BR24 berichtet
über aktuelle Flüchtlingszahlen, woraufhin sich Kommentare wie „Warum
kommen jetzt schon wieder so viele Flüchtlinge?“ ansammeln. Die
Browser-Erweiterung würde den Redakteuren dann auf Knopfdruck
ermöglichen, die Zahlen „maßgeschneidert und aktuell abzurufen und den
Kommentaren entgegen zu halten“.
Interessant ist, dass der Autor dieser Zeilen schon weiß, dass
künftig abgerufene Zahlen passend sein werden, um sie den zu erwartenden
Kommentaren entgegen zu halten. Das ist präfaktisches Wissen in
postfaktischen Zeiten. Werden so demnächst die Fakten festgelegt?
Donald Trumps Pressesprecher hat die Sprache ja um „alternative Fakten“
bereichert. Zu uns passen aber „alternativlose Fakten“ besser. Und die
sind in einer feststehenden Abteilung schon ganz gut aufgehoben. Da muss
nicht wie früher jeder Journalist selbst recherchieren. Am Ende kommt
der nur auf andere Ergebnisse. Das könnte die Zuschauer vielleicht
beunruhigen.
Alle Zitate aus: http://meedia.de/2017/02/08/erste-oeffentlich-rechtliche-anti-fake-news-einheit-bayerischer-rundfunk-testet-br-verifikation/
http://sichtplatz.de/?p=7761
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