Sunday, June 04, 2017

»Man müßte meinen …«

Vor fünf Jahrzehnten gelang es den israelischen Streitkräften, mit einem Präventivschlag Plänen zur Vernichtung des jüdischen Staates und dessen Mehrheitsbevölkerung zuvorzukommen. In wenigen Tagen schlug das von seinen vermeintlichen Verbündeten offenbar schon längst verratene Israel seine Gegner und befreite u.a. die seit dem Unabhängigkeitskrieg besetzten Teile Jerusalems.
Während die veröffentlichte Meinung im Westen Deutschlands eine im Vergleich zu heute durchaus auffällige Anteilnahme für Israel prägte, wurden im Osten unwidersprochen Ansichten öffentlich, die nur belegen, wie wichtig Israel als der Staat ist, der sich wie kein anderer dem Kampf gegen antisemitische Barbarei verpflichtet fühlt. Der Sozialismus klang wohl nicht nur bedrohlich.
So erörterte das Neue Deutschland die Frage, ob es wohl »übertrieben« sei, »Parallelen zwischen der Strategie der Nazis und der Tel Avivs zu ziehen«, und hievte den einem Leser zugeschriebenen Fluch auf seinen Titel: »Möge unser Haß gegen die imperialistischen Söldner unsere arabischen Brüder in ihrem gerechten Kampf beflügeln.« Als es anders kam, kam schließlich Walter Ulbricht.
»Ich meine, in Israel wohnen nicht wenige Menschen, denen unsere Sympathie gilt, weil sie von den Hitlerfaschisten grausam verfolgt wurden, heimatlos gemacht worden waren oder den nazistischen Todesmühlen und Folterkammern gerade noch entkommen konnten«, erklärte der Vorsitzende des Staatsrates der DDR auf einer Wählerversammlung in Leipzig am 15. Juni 1967.
Und er ergänzte: »Man müßte meinen, daß diese Menschen, die im Leben soviel durchgemacht haben, eine Gewähr dafür bieten sollten, daß die Regierung des Staates Israel das Völkerrecht und die Menschenrechte achtet.« Doch »diese Menschen« enttäuschten »uns« mit ihrem Wunsch zu überleben so bitterlich, daß Walter Ulbricht sich nur noch grollend abwenden konnte von ihnen:
»Die Welt kann und wird sich nicht damit abfinden, daß ein Vierteljahrhundert nach dem zweiten Weltkrieg im Nahen Osten von dem Aggressor Israel und dessen Hintermännern ein ›Protektorat Sinai‹ oder ein Generalgouvernement Jordanien‹ zu erneuter kolonialer Unterdrückung der arabischen Völker gebildet werden.«
Zum großen Glück für Walter Ulbricht war nur wenige Tage zuvor, am 9. Juni 1967, ein Beitrag von »Bürger[n] der Deutschen Demokratischen Republik jüdischer Herkunft« prominent auf Seite 2 im Neuen Deutschland erschienen, in und mit dem dessen Verfasser ihrer DDR einigermaßen begeistert bescheinigten, in ihr sei »der Antisemitismus ausgerottet und für Antisemiten kein Platz«.
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