Tuesday, January 31, 2006

UN-Botschafter Dan Gillerman: "Der Iran bereitet den nächsten Holocaust vor"

Ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag forderte der iranische Delegierte bei den UN eine "wissenschaftliche Überprüfung", ob die Schoah überhaupt stattgefunden hat.
"Es muss mit wissenschaftlichen Mitteln überprüft werden, ob der Holocaust stattgefunden hat", hieß es in einem offiziellen Dokument, das eine iranische Delegation den Vereinten Nationen (UN) in New York vorgelegt hat. Das Dokument wurde brieflich als Stellungnahme zum internationalen Holocaust-Gedenktag an den Präsidenten der Vollversammlung gesandt.Der Iran beschuldigt das "zionistische Regime", das "Leiden des jüdischen Volkes in der Vergangenheit benutzt" zu haben, "um die Verbrechen gegen die Palästinenser in den besetzten Gebieten zu verdecken." Außerdem hieß es in dem iranischen Dokument, dass "auf der Grundlage der Grundsätze der Demokratie die historischen Ereignisse uneingeschränkt überprüft werden müssen. Man kann die Vernichtung eines Volkes nicht für politische Zwecke ausnutzen."
Der israelische UN-Botschafter Dan Gillerman warnte die UN-Vollversammlung: "Die Eskalation in den Erklärungen des iranischen Präsidenten gegen Israel und die Leugnung des Holocaust beinhalten eine wirkliche Bedrohung der Volksvernichtung. Der Iran bereitet den nächsten Holocaust vor".
Am Freitag fanden in Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager in ganz Europa Gedenkveranstaltungen statt. Auch in mehreren Regierungsinstitutionen gab es Veranstaltungen und Sondersitzungen. Die zentrale Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Holocaust in Polen fand im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau statt. In Budapest wurden an einem Gedenkstein Blumen und Schuhe niedergelegt. In einer symbolischen Geste zum Gedenken an die polnischen Juden, die im Holocaust ermordet wurden, fuhr gestern ein Zugwaggon aus der Kriegszeit, der mit einem Davidsstern gekennzeichnet war, durch Warschau. In Boston besuchten Dutzende die Gedenkstätte der Stadt zum Gedenken an die Holocaust-Opfer.
(Yedioth Aharonoth, Haaretz, israel.de)

hagalil.com

Rudi Carells Entschuldigung

Autor: Jürgen Krafzik
Ausgezeichneter Beitrag von Henryk M. Broder zum muslimischen Sieg über die Meinungs- und Pressefreiheit des verhassten Westens:

Man redet in der Bundesrepublik und im freien Europa gerne von der Notwendigkeit, aus der Geschichte zu lernen, den Anfängen zu wehren und für eine wehrhafte Demokratie einzutreten. So sind sechzig Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft alle fest entschlossen, eine neue Machtergreifung der NSDAP zu verhindern.
Allerdings sind die operativen Möglichkeiten in der Realität eher bescheiden. Ein Dutzend Kostüm-Nazis im sächsischen Landtag schaffen es, die übrigen Parteien in hysterischen Aktionismus oder desperate Hilflosigkeit zu stürzen. Der leider zu früh verstorbene Johannes Gross, ein echter Konservativer mit Sinn für historische Zusammenhänge, hat einmal gesagt: “Der Widerstand gegen Hitler und die Seinen wird umso stärker, je länger das Dritte Reich zurück liegt.”
Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die politische Klasse reagieren würde, wenn dem Land wirklich eine totalitäre Gefahr drohen würde - von rechts oder von links.
Was man sich aber vorstellen kann und muss, ist, was in der Bundesrepublik los wäre, wenn eine deutsche Zeitung, sagen wir die “Frankfurter Rundschau” oder die “Süddeutsche Zeitung”, ein Dutzend Karikaturen über den Propheten Mohammed drucken würde, in der Art, wie täglich und überall Karikaturen über Jesus, den Papst und sein Bodenpersonal erscheinen. Man muss nur kurz über die Grenze schauen, nach Dänemark, wo “Jyllands-Posten” sich so etwas vor vier Monaten erlaubt hat. Seitdem tobt in der muslimischen Welt ein Sturm der Empörung, als wäre in einem Vorort von Kopenhagen ein zweites Abu Ghureib entdeckt worden. [Weiterlesen]

gegenstimme.net

Das romantische Bild des Freiheitskämpfers:Ent-Täuschungen der Europäer

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Die Enttäuschung über den Wahlausgang in den Palästinensergebieten ist in Europa größer als in Amerika oder Israel. Der Wahlsieg der Hamas zerschlug liebgewonnene Mythen und Klischees.Die Europäer hatten die PLO schon 1980 mit ihrer Venedig-Erklärung zum legitimen Repräsentanten des palästinensischen Volkes erklärt, ohne erst eine Absage an Terror oder die Anerkennung Israels zu fordern. Nur acht Jahre nach München wollten die Europäer den Freiheitskampf der PLO nicht mit Terror gleichsetzen. Die Amerikaner boten Arafat 1988 eine teilweise Legitimierung, nachdem er in Genf der Gewalt absagte und seinen Staat auf die besetzten Gebiete beschränken wollte. Als jedoch Arafats Gefolgsmann Abul Abbas mit Gummibooten einen Angriff auf die amerikanische Botschaft in Tel Aviv startete, zogen die Amerikaner ihre PLO-Anerkennung wieder zurück. Israel anerkannte die PLO 1993 nach Geheimverhandlungen in Oslo. Bedingung war ein Brief Arafats, in dem er der Gewalt abschwor und der Streichung jener Paragrafen in der PLO-Charter zustimmte, die zu Israels Vernichtung aufriefen.Der israelische Glaube an eine Friedensbereitschaft der Palästinenser verflog kurz nach der Einrichtung der Autonomie und der Rückkehr Arafats. Immer blutigere Terroranschläge stärkten die rechten Oslo-Gegner, bis Jitzhak Rabin ermordet und Benjamin Netanjahu zum Premierminister gewählt wurde. Das Intermezzo mit Ehud Barak hatte mit den Palästinensern wenig zu tun. Einerseits wurde Netanjahu wegen gescheiterter Wirtschaftspolitik abgewählt, andererseits versprach (und hielt) Barak einen Rückzug aus dem Sumpf des Libanon nach 25 Jahren und über 1200 sinnlosen Toten. Mit Ausbruch der Intifada verloren selbst die "Frieden-Jetzt" Aktivisten ihre palästinensischen Dialogpartner. Während der Aufstand schon tobte, glaubte Barak immer noch, mit Arafat in Taba im Januar 2001 einen Frieden aushandeln zu können. Die Quittung erhielt Barak, indem Ariel Scharon mit überwältigender Mehrheit gewählt wurde. Scharon verhieß Sicherheit. Seine Friedensversprechen klangen hohl. Am Ende beschloss Scharon, Israel von den Palästinensern "abzukoppeln" und mit "einseitigen Schritten" Israels Grenzen und Interessen durchzusetzen, anstatt noch auf das Wohlwollen der Palästinenser zu warten, anstatt zu bomben über jeden Quadratkilometer zu feilschen. Scharon setzte allen Friedensprozessen ein Ende und schuf die Grundlage für den Palästinenserstaat, aber ohne Friedensvertrag.Die Amerikaner hofften, weiter vermitteln zu können. Tennet, Mitchel, Zinni und andere Autoren von "Waffenstillstandsplänen" sollten Kontakt zwischen Arafat und Scharon aufrecht erhalten. Als aber Israel im Roten Meer ein Schmugglerschiff mit einer Riesenladung Raketen für Gaza aufrieb, wurde General Zinni nach Washington zurückgerufen. Wenig später wurden drei amerikanische Diplomaten im Gazastreifen durch eine Autobombe ermordet. Arafat tat nichts, den Anschlag aufzuklären. Desillusioniert kappten sie alle Kontakte zu Arafat.Die Europäer glaubten weiterhin an den "Freiheitskampf" der Palästinenser und pumpten Milliarden in die Autonomiegebiete, während in Israel immer häufiger Busse und Restaurants in die Luft flogen. Mit bürokratischen Kopfständen bestätigten sie sich selber, dass keine EU Gelder für die Finanzierung dieser Terroranschläge missbrauchte würden, obgleich über 50 Prozent der palästinensischen Staatskasse von der EU subventioniert wurde. Unbekümmert zahlte die EU auch Polizistengehälter weiter, obgleich immer öfter Arafats Sicherheitsleute in Anschläge verwickelt waren.Erst nach dem Tod von Arafat, als die Millionensummen auf dem Konto von Arafats Frau Suha zum Stadtgespräch geworden waren, begann man auch in Brüssel nach spurlos verschwundenen Milliarden Euro "Entwicklungshilfe" Ausschau zu halten. Bis dahin hatte man in Europa nur die in tiefer Armut lebenden Palästinenser gesehen, nicht aber die protzigen Villen und die chromblitzenden Autos der Funktionäre, die auf dem Höhepunkt der Intifada in der Nachbarschaft der europäischen Botschaften in Ramallah aus dem Boden gesprossen waren.Erst mit der großen Mehrheit für die fundamentalistische Hamas bei hoher Wahlbeteiligung erkannte die EU, dass die hehren Ideale eines friedlichen weltlich-demokratischen Staates neben Israel für die Palästinenser kein Thema mehr waren. Die Osloer Verträge, die Roadmap, die Kunstformel "Land für Frieden" und selbst die von der Schweiz mit Millionensummen unterstützte "Genfer Friedensinitiative" erweisen sich als Makulatur. Die Europäer stellen jetzt schmerzhaft fest, dass barttragende Islamisten und ihre tiefverschleierten Frauen nicht mehr in das romantische Bild des Freiheitskämpfers mit dem Palästinensertuch passen. Klarer als es je ein EU-Politiker gesagt hat, erklärte Angela Merkel in Jerusalem: "Wichtig ist, dass seitens der Hamas verstanden wird, dass wir klare Prinzipien haben."
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

hagalil.com

Monday, January 30, 2006

Susanne d'Arc


Aus der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung.
Bange Frage: Werden die Franzosen jetzt deutsches Sauerkraut boykottieren und auf öffentlichen Plätzen die deutsche Fahne verbrennen?

Foto: trans-intblog

Kauft dänische Produkte!

Saudi-Arabischer Supermarkt ruft zum Boykott dänischer Waren auf
Palästinensischer Mob verbrennt dänische Fahne

Der Amoklauf der islamischen Nazis gegen dänische Karikaturen über den Islam wird fortgesetzt.

Fotos: The Free West's Weblog


Sunday, January 29, 2006

Zur Psychopathologie des Islamisten

Von Christian Knoop und Thomas von der Osten-Sacken*

„Ein Freund von mir wurde bei einem Angriff (der amerikanischen Armee auf Falluja, Anm. d. Verf) verletzt. Man brachte ihn ins Krankenhaus. Als er seine Augen öffnete, sah er eine wunderschöne Frau. Er lächelte und dankte Gott, dass er nun endlich ein Märtyrer geworden sei und als Dank eine heilige Jungfrau erhalten hatte. Dann aber stellte er fest, dass er noch immer lebte und begann zu weinen.“Geschichte eines tunesischen Kämpfers von Zarkawis „Monotheismus und Jihad“ in Falluja(1)
„Jede irakische Mutter muss ihrem Kind beibringen wie man schießt, kämpft und heldenhaft stirbt.“ Die staatseigene irakische Zeitung Al-Jumhurriyah 1991
Nachdem die Bilder des islamistischen Massakers von Beslan um die Welt gingen, schrieb der Intendant des arabischen Satellitensenders Al Arabiya, dass zwar nicht alle Muslime Terroristen seien, wohl aber alle Terroristen Muslime. In Abwandlung dieser Feststellung ließe sich auch sagen, dass keineswegs alle Männer in der islamischen Welt zum djihadistischen Martyrium neigen, wohl aber nur in islamischen Ländern dieses Massenphänomen auftritt und sich immer gewaltsamer äußert.
Auch der holländische Filmemacher Theo van Gogh fiel dem islamistischen Terror zum Opfer, weil er gewagt hatte, den Islam öffentlich zu kritisieren. „Ein Mensch ist wegen seiner Meinung auf grausame Weise zu Tode gebracht worden. Für die Niederlande ist so etwas ziemlich neu. In islamischen Ländern ist es Normalität,“ schrieb daraufhin aus ihrem Versteck Ayaan Hirsi Ali(2), die Co-Autorin des Filmes „Submission“, dessen Ausstrahlung van Gogh das Leben gekostet hatte.(3)
Denn dieser Film(4) verletzt eindeutig jene viel zitierte arabisch/islamische Ehre, die hierzulande immer dann als Handlungsmotiv in Stellung gebracht wird, wenn sich in israelischen Schulbussen oder auf irakischen Marktplätzen Suicide Bomber in die Luft sprengen. Angesichts der Bilder von mißhandelten gefangenen Männern durch weibliches Personal der US-Armee in Abu Ghraib erklärte die Süddeutsche Zeitung etwa, bei den Bildern handle es sich um eine „Schmach, die nur mit Blut abgewaschen werden könne.“(5)
Auch Van Goghs „Verbrechen“, das mit Blut gesühnt werden musste, bestand in schandhaftem Verhalten, er hatte das Private öffentlich gemacht, indem er jene Gewalt thematisierte, die weitverbreitetes Merkmal des islamischen Geschlechterverhältnisses ist und sich in Form von Ehrtötungen, Genitalverstümmelungen, Zwangsheirat, Ausschluss aus dem öffentlichen Leben, und Schleierzwang gegen Frauen richtet. Nur ist diese tägliche Gewalt, anders als die Märtyreraktionen von Suicide Bombern oder die Massaker an "Ungläubigen" und „Kollaborateuren“ nicht für Zuschaustellung oder mediale Verwertung bestimmt, sondern findet im verborgenen Bereich des Familiären statt.Die strenge Trennung zwischen Öffentlichkeit und Privatem in der islamischen Welt ist keineswegs zu vergleichen mit dem in der westlichen Hemisphäre bekannten Konzept von Privatsphäre, die sich im Wechselverhältnis Arbeit/Freizeit als Organisationsprinzip kapitalistischer Produktionsverhältnisse herausgebildet hat.Da sich entsprechende Verhältnisse in der islamischen Welt nicht oder nur äußerst rudimentär entwickelt haben, definiert sich die strikte Trennung Öffentlich/Privat im Islam entlang geschlechtlicher Merkmale: „In den männlichen Raum der Religion und Politik sowie den weiblichen Raum der Sexualität und Familie.“(6)
In beiden Räumen sieht sich der islamische Mann ununterbrochen herausgefordert seine Ehre zu erhalten und zu verteidigen. Nach außen, im öffentlichen Raum gegen eine Unzahl – meist imaginierter – Feinde, im privaten gegen die Dämonen weiblicher (besser: nicht-männlicher) Sexualität und Triebhaftigkeit.Die eigene Ehre der Familie, des Clans und in umfassenderem Sinne der islamischen Gemeinschaft Umma, stellt das höchste zu beschützende Gut dar, das ein Mann zu bewahren hat. Sie ist genauestens geregelt und definiert und ihre Verletzung wird nicht von inneren Instanzen, wie dem Gewissen angezeigt, sondern von der Gemeinschaft, die über konformes Handeln entscheidet. Ehrhaftigkeit ist also nicht Teil eines ins Über-Ich übernommenen Wertekanons, sondern wird kollektiv und entlang koranischer, als unmittelbar von Gott stammenden Vorschriften und Regeln vermittelt.Diese Regeln unterscheiden sich in vielen Aspekten von den in den anderen monotheistischen Religionen tradierten. Am sinnfälligsten zeigt sich dies im Fehlen eines koranischen Tötungsverbotes; anders als im Christentum oder Judentum verbietet der Islam nicht prinzipiell das Töten anderer Menschen, sondern legt fest, in welchen Fällen das Töten erlaubt ist. So können auch heute unzählige Fatwas verabschiedet werden, die selbst das Töten von Kleinkindern, ja schwangeren Frauen gutheißen oder gar zur Pflicht erheben.(7) Viele der Massaker, die in der islamischen Geschichte Legion sind, verstießen keineswegs gegen religiöse Vorschriften und brauchten deshalb weder verheimlicht noch zumindest gerechtfertigt werden. Im Gegenteil, nicht erst Diktatoren wie Saddam Hussein bekannten sich offen zu einem Großteil ihrer Bluttaten und benannten einige sogar nach Suren aus dem Koran.(8) Denn „in keiner anderen (...) Religion findet sich die geheiligte Legitimation von Gewalt als Wille Gottes (...), wie sie der Islam als integralen Bestandteil seiner Ideologie im Koran kodifiziert und in der historischen Praxis bestätigt hat.“(9)Gegner des Tötens hätten im Islam keinen Platz erklärte treffend der oberste Richter des Iran Ayatalloh Kalkali. „Unser Prophet tötete mit seinen eigenen Händen. Ist Blutvergießen für den Bestand unseres Glaubens vonnöten, sind wir da, unsere Pflicht zu erfüllen.“(10)
Nicht das Gewissen (Christentum) oder das Gesetz (Judentum), sondern schariatische Regeln, die Pflicht im Sinne Kalkalis, bestimmen, was als richtig und falsch, erlaubt und verboten zu betrachten ist.Entsprechend bedeutet Schande das Scheitern gesellschaftlich konformen Verhaltens. In arabischen Sprichwörtern rationalisiert sich dieses offensichtliche Fehlen einer internalisierten Kontrollinstanz: „Wo du nicht bekannt bist, tue was du willst“ und „Eine verborgene Schande ist zu zwei Dritteln vergeben“. Schande droht deshalb dem Mann erst, wenn nonkonformes Verhalten auch öffentlich ruchbar wird. Durch die absolute – und heute zumindest noch nominelle – Oberherrschaft der Familie in ihrer Clanstruktur in arabischen Gesellschaften spielt es keinerlei Rolle, welches Mitglied der Familie oder Sippe eines schändlichen Verhaltens „überführt“ wird, es trifft alle. Die Familienehre muss durch Handeln, durch Auslöschen der eigenen Nonkonformität wiederhergestellt werden. Da Ehre etwa äußerliches ist, gibt es kein Äquivalent zur christlich vermittelten Buße, kein Ritual gliedert denjenigen, der die Ehre beschmutzt hat wieder in die Gemeinschaft ein, nur Tod oder Verstoßung können die Ehre wieder herstellen.
Öffentlich und privat
Anders also als im Zivilisationsprozess in der westlichen Hemisphäre, der Freud zufolge vor allem als Sublimierung und Internalisierung äußerer Zwänge ablief, bleiben Ge- und Verbote in der islamischen Welt vornehmlich äußerlich. Das Kollektiv befindet anhand eines Sets von Normen, ob etwa eine Ehrverletzung vorliegt. Wer sich dann dem Willen der Gemeinschaft nicht beugt – und oft genug erklären Männer, die Ehrmorde durchgeführt haben, dass sie persönlich nicht von der Schuld der oder des Getöteten überzeugt waren(11), sondern aufgrund äußeren Zwanges handelten – droht selbst verstoßen zu werden. Instanzen, die nicht der Willkür einzelner unterliegen, sind bestenfalls rudimentär ausgebildet, im Bereich des Privaten verzichtet sogar im Extremfall der Staat auf sein Gewaltmonopol. So legalisierte etwa der irakische Staat 1988 Ehrtötungen an Frauen(12) und überließ damit den männlichen Familienangehörigen zugleich die Entscheidungshoheit, wann ihre Ehre verletzt sei.Definiert sich nämlich im öffentlichen Raum Ehre durch Stärke, Kampfeskraft und Herrschaft, so sind im Privaten ausgerechnet die als unrein und sündig angesehen Frauen „Gefäße“ oder Träger dieser Ehre, ohne aktiv als handelnde ihre Ehre verteidigen oder wahren zu können. Da Frauen als passiv wahrgenommen werden, sind sie aus der handelnden Gemeinschaft, in den Worten Fatima Mernissis, sogar aus der Menschheit ausgeschlossen: „Die Botschaft des Islam (...) geht davon aus, dass die Menschheit nur aus Männern besteht. Die Frauen stehen außerhalb der Menschheit und sind sogar eine Bedrohung für sie.“(13)Ehrverletzendes Verhalten, das im Privaten dann auftritt, wenn männliche Kontrollinstanzen versagen (hierzu zählen keineswegs nur außer- oder vorehelicher Geschlechtsverkehr, sondern auch Vergewaltigungen; ebenso wenn Töchter ihre Zustimmung zu einem bereits vom Familienoberhaupt ausgesuchten Ehepartner verweigern), muss mit härtesten Sanktionen belegt werden. Erst die „Entfernung“ des schädlichen, weil schändlichen weiblichen Mitglieds der Familie stellt die öffentliche Ehre wieder her. Öffentliche Schande und die Reputation der Familie / des Stammes, nicht der eigentliche Sachverhalt oder eigene Gefühle zu diesem bestimmen das Handeln des Betroffenen.(14)
Vereinfacht ausgedrückt, steht der private Raum für den Bereich des „Es“, während koranische oder gesellschaftlich vermittelten Ge- und Verbote – der öffentliche Ruf –, nicht eine im Lauf der Zeit internalisierte Moral – Gewissen –, sondern ein starres tradiertes Regelwerk und die Unmittelbarkeit des Kollektivs weitgehend die Instanz des Über-Ich ersetzen.Das (männliche) „Ich“ erlebt so seine eigenen Triebe als ebenso externalisiert, wie die über ihn verhängte Kontrolle des Kollektivs, gegen das er nicht zu rebellieren vermag, da ihm ansonsten seine Ehre verlustig zu gehen droht. Elterliche Autorität, vor allem die Person des Vaters, stellt an erster Stelle eine Agentur kollektiven Verhaltens dar, die zudem aufgrund sozialer und ökonomischer Veränderungen an Bedeutung verliert. Der Ehrbegriff verbietet stärker noch als im Westen jede Auflehnung gegen den Vater oder andere Autoritäten. Dies mag zum Teil auch erklären, warum Jugendrevolten, die in anderen Teilen der sogenannten Dritten Welt stattgefunden haben, im islamischen Raum weitgehend ausblieben: Aggression richtet sich hier im Gegenteil regelhaft mit Unterstützung der Autorität gegen ein Außen. Man opfert sich für alte Männer, wie etwa die Jugend-Idole Yassir Arafat oder Sheikh Yassin, statt sich gegen sie aufzulehnen.„Wie der djihad von außen durch den Unglauben an die umma herangetragen werden kann, so lauert er als innerer djihad in Gestalt der ständigen, metaphysischen Drohung durch die weibliche Versuchung. (...) Die Gefahr, die in der Frau personalisiert die gesamte umma beständig belauert, muß durch kollektive Maßnahmen wie Verschleierung, Entrechtung, Demütigung und Einsperren gebannt werden.“(15)
Sublimierung
Sexualität, die nicht Herrschaft, Kontrolle und Reproduktion dient, also nicht-männliche Sexualität bedroht das Ich im „Privaten“, während im Öffentlichen andere Formen der Sublimierung bekämpft und letztinstanzlich zerstört werden müssen. Denn Sublimierung würde das islamisch/arabische Ich auflösen, das ständig im Kampf gegen sein externalisiertes „Es“ und ein ebenfalls externalisiertes Über-Ich sich zu behaupten versucht. Jede Form der Sublimierung ist deshalb folgerichtig unter Islamisten strengstens verboten: Musik, Literatur und Kunst – außer sie dienen narzistischer Selbstdarstellung im Martyrium, dem suizidalen Selbstopfer – von Hedonismus oder Sexualität nicht zu sprechen. Neben dem Kampf, dem kollektiven Gebet und dem Ideal platonischer Männerfreundschaft darf nichts existieren, außer dem pathologischen Hass: „Wir lieben den Tod, Ihr liebt das Leben“.Erst im Paradies, das aufs Martyrium, dem angestrebten Selbstopfer folgt, wartet dann jene Sexualität und Triebbefriedigung, der man im Diesseits sich mit allen Mitteln versagen muss. Der eingangs zitierte im Krankenhaus von Falluja aufwachende Djihadist, der die Krankenschwester für die ihm versprochene Jungfrau hält, kam, wie unzählige andere auch, in den Irak, um ins Paradies zu gelangen. „Die Kraft des Geistes zieht uns nach oben, während materielle Dinge einen nach unten ziehen. Wer fürs Martyrium bereit ist, wird immun gegen diese Zug nach unten“. Noch deutlicher als dieser palästinensische Suicide Bomber, dessen Mission fehlschlug, kann man es kaum ausdrücken. „Wir schwammen in dem Gefühl in die Ewigkeit einzutreten. (...) Es gibt andere Wege des Djihad. Aber dieser ist so süß – der süßeste.“(16)Im orgiastischen Augenblick des Martyriums endet der Kampf, soll „Ich“ werden, wo „Es“ war, wartet die Frau, die nicht vom Teufel besessen ist, kommt die Erlösung, die auf Erden nicht möglich scheint. Zerstörung und Selbstopferung sind der Preis, der zu zahlen ist.
Umso härter gilt es das Teuflische in dieser Welt zu bekämpfen und alles zu vernichten, was die Gemeinschaft zu zersetzen droht. Und dies sind an erster Stelle die Juden, denn sie befreien, in den Worten des islamistischen Vordenkers Sayyid Qutb „die sinnlichen Begierden von ihren Beschränkungen und sie zerstören die moralische Grundlage, auf der der reine Glaube basiert.“ Deshalb auch seien Marxismus und Psychoanalyse jüdische „Erfindungen“.(17)In den Juden werden all jene Kräfte am sinnfälligsten bekämpft, die einerseits den öffentlichen Raum, also die Welt des „Über-Ich“ angreifen und zu zersetzen drohen, andererseits sich die teuflischen Energien der Frau zunutze machen. „Die Charta der Hamas besagt, daß Frauen prinzipiell besonders anfällig seien, von den zionistischen Mächten des Westens verdorben zu werden.“(18) Nicht von ungefähr stufte der iranische Präsident Rafsanjani die Frauen, neben Israel und den USA als „oberstes Sicherheitsrisiko des Iran“ ein.(19)Der djihad gegen die Juden, ihren Staat und den großen Satan USA richtet sich gegen das „Sicherheitsrisiko Frau“ und die jüdische Weltherrschaft zugleich: „Mit den Türmen des World Trade Centers sollte das kosmopolitische Völker-Babylon New York getroffen werden, die „große Hure“ aus der Sicht der Attentäter, (...) die mit ihrem schamlosen Materialismus und Hedonismus alles durchdringt und befleckt – und gerade auch das Intimste: die menschliche Sexualität mit ihrem Urbild, dem weiblichen Körper.“(20)
Sexualität und Liebe
Die arabische Psychoanalytikerin Sania Hamady spricht in diesem Zusammenhang vom „Leben als einem angstgesteuerten Test“, nur ständig und im Kollektiv Aufrecht erhaltene Aggressivität ermöglicht den Zerfall des männlichen Ich bis zur erlösenden Tat aufzuhalten.(21) Wie schwach dieses Ich, dass nur im identischen Kollektiv sich behaupten kann und in Anonymität untergehen will, ist, verdeutlichen die Bilder aus dem Irak: vermummte Gestalten präsentieren sich, ihre Identität und ihr Gesicht wird erst enthüllt (öffentlich gemacht), nachdem sie den Märtyrertod gestorben sind.Die Gruppen, zu denen Islamisten sich zusammenschließen und in Zwangsritualen selbst bestätigen, werden, wie alle Männerbünde, ständig von eigener latenter Homosexualität bedroht, die um so aggressiver abgewehrt und gegen äußere Feinde gerichtet werden muss.(22) Nicht von ungefähr erfüllte Mohammad Atta augenfällig alle Klischees solch latent unterdrückter Homosexualität (sei es die Feminisierung des männlichen Körpers durch Entfernung jeder Körperbehaarung, oder die paranoide Angst, die eigene Leiche könnte von Frauen gewaschen werden).Das Ideal der islamistischen Gruppe könnte als platonische Männerfreundschaft zum Tode bezeichnet werden, wobei diese Vorstellung von Freundschaft durchaus auf ältere traditionelle Konzepte von Liebe und Treue in der islamischen Gesellschaft zurückgreift und sie transformiert.Ökonomische und politische Dauerkrise, der Zerfall herkömmlicher Lebensweisen (im Irak etwa lebten noch 1940 70 Prozent der Menschen auf dem Land, heute macht die städtische Bevölkerung 75 Prozent aus) und der Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem scheinbar erfolgreichen Modell Westen, wirkt sich nicht nur auf den Ehrbegriff aus, sondern auf die Vorstellungen von Sexualität und Liebe im Allgemeinen.Noch in den islamischen Gesellschaften des Mittelalters waren die sexuellen Verhältnisse konform zu der sozialen und politischen Machtstellung eingeteilt. Sexualität fand statt zwischen dem dominanten, freien Mann und den unfreien Anderen (Frauen, Prostituierte, Knaben, Sklav(inn)en, unterworfene Gegner). Gerade auch Knaben, als „Noch-nicht-Männer“ waren beliebte Sexualpartner, ohne dass sie dabei ihre (spätere) Zugehörigkeit zur Machtgruppe Männer verloren.(23)Die Beziehung zwischen Geschlechts- und Sexualrolle in traditionellen nahöstlichen Gesellschaften spiegelt sich am deutlichsten an den erwähnten öffentlichen und privaten Rollen wieder. Erwachsene Männer, die im privaten Bereich ihre Frauen und Sklaven dominierten, kontrollierten ebenso den öffentlichen Raum. Sex mit Jungen oder männlichen Prostituierten machte sie zwar im privaten Lebensbereich im religiösen Sinn zu „Sündern“, doch beeinträchtigte dies keineswegs ihre öffentliche Position als Mann. Die Penentration eines erwachsenen Mannes kann die Hypermaskulinität des aktiven Parts sogar noch verstärken, symbolisiert sie doch seine Überlegenheit und Macht über den Passiven.(24)So wurden im Kalifat männliche Eindringlinge im Harem den männlichen Sklaven zur Vergewaltigung überlassen, unterworfene Feinde zur zusätzlichen Erniedrigung penetriert. Auch heute werden in bewaffneten Konflikten, wie dem im Sudan, bevorzugt jungen Knaben vergewaltigt, teilweise von ganzen Gangs der Jannjawihd.(25) Überhaupt ist Pädarastie im gesamten Orient ein derartiges Massenphänomen, dass die Ethnologin Ingeborg Baldauf bei einer Studie in Afghanistan zu dem Ergebnis kam, das ca. 70 Prozent der männlichen Bevölkerung in pädarastische Handlungen involviert ist.(26) Mann-männliche Vergewaltigungen als Markierung der Macht treten zudem überdurchschnittlich gehäuft im Militär- und Gefängniswesen auf.Während im bürgerlichen Westen Liebe, Sexualität, Intimität und Ehe idealtypisch als Einheit gefasst werden(27), fallen sie in islamischen Vorstellungen auseinander: Liebe ist vor allem ein – meistens nicht erfüllbares – Sehnen nach einer Frau (oder auch einem Knaben). Sie kann auch mit einer intimen, aber nicht sexuellen Freundschaft unter Gleichen einhergehen.Liebe und Freundschaft sind also miteinander konnotiert, während es im Westen Liebe, Beziehung und Sexualität sind. Entsprechend kann die islamistische Gruppe Freundschaft so deutlich von Sexualität abspalten und sie verdrängen.Denn die einzige Form von Sexualität, die gesellschaftlich den männlichen Ehrvorstellungen entspricht ist Dominanzsexualität, die zwar durchaus Gefühle zulassen kann, diese aber extrem über eine feste, veräußerlichte Rolle zu kanalisieren hat.Schwul-Sein als Ausdruck nicht-männlicher Sexualität, bei der Liebe und Sex zusammenfallen und Passivität nicht als Schande wahrgenommen wird, muß deshalb dem islamistischen Mann, der selbst seine latente Homosexualität unterdrückt und auf äußere Objekte verschiebt, als ständige Bedrohung seines Ichs erscheinen, die mit allen Mitteln zu bekämpfen ist.Für jene Männer, die im Nahen Osten ein sozial, ökonomisch und sexuell frustriertes Leben zu führen gezwungen sind, ohne bislang die Möglichkeit zu haben dies emanzipatorisch zu ändern, stellt der manifest Homosexuelle, der „Schwule“ im bürgerlich-westlichen Sinne, somit eine weitere ideale Projektionsfläche dar, die eigenen verkannten Gefühle oder Wünsche aggressiv zu entsorgen.Schuld, im Sinne einer internalisierten Kategorie, fehlt weitgehend in dieser Selbstwahrnehmung und damit fehlt auch die Selbstinitiative, eigene Unzulänglichkeiten zu verändern. Männer, die wie Mohammed Atta alle Klischees der latenten Homosexualität erfüllen, wissen um ihre eigentliche Entmännlichung, die ihnen ihre frustrierte Sexualität tagtäglich in Erinnerung ruft. Terror wird so gleichzeitig zum „Ausbruch der eingesperrten sexuellen Wut“ und zum „verzweifelten und pathologischen Versuch der Re-Maskulinisierung des ent-männlichten Selbst.“(28)
Manns-Bilder
Nur mit Terror, der in Selbstvernichtung gipfelt, kann an dem überkommenen Begriff der Ehrhaftigkeit noch festgehalten, Aktivität und Männlichkeit im Sinne islamischer Tradition inszeniert werden.Denn der arabische Ehrbegriff betont ja aggressives Machtstreben, phsysische Stärke, Tapferkeit und die Bereitschaft zur Gewalt. Das Dilemma wird nun offensichtlich: Seit Jahrzehnten bieten die desolaten Gesellschaften des Nahen Ostens, die in Diktaturen erstarrt sind und sich ökonomisch bei rasant wachsender Bevölkerungszahl in einer Dauerrezession befinden, keinerlei Betätigungsfelder mehr für diesen Ehrbegriff. Oftmals verunmöglicht die eigene ökonomische Lage es sogar Mittelstandsmännern vor ihrem 30. Lebensjahr zu heiraten. Studien der marokkanischen Soziologin Fatima Mernissi zufolge ist die daraus resultierende Sexualnot so groß, dass über die Hälfte aller von ihre befragten Männer regelmäßig Verkehr mit Tieren hatten.(29)Die Bevölkerung des Nahen Ostens verdoppelt sich alle dreißig Jahre, so lebten etwa in Kairo um 1900 400.000 Menschen, heute sind es geschätzte 20 Millionen. Laut UN-Statistiken sind über 50 Prozent der Menschen im Nahen Osten unter 20 Jahre alt, ohne dass sich ihnen irgendeine tragfähige soziale oder wirtschaftliche Zukunft bieten würde. Selbst diejenigen, die ein Auskommen haben und nicht von Wohlfahrtszahlungen abhängig sind, finden größtenteils im unproduktiven und staatlichen Sektor Beschäftigung. Mehr als die Hälfte aller Ägypter arbeitet im staatlichen Bereich, das heißt vor allem in jener aufgeblähten Bürokratie, in der nicht Leistung, sondern unbedingte Loyalität als oberster Wert angesehen wird und über ein Fortkommen entscheidet.Die von der Weltentwicklungsorganisation UNDP im Jahr 2002 über die Länder der arabischen Liga vorgelegten Statistiken sprechen Bände: Das Bruttoinlandsprodukt Spaniens ist größer als das aller arabischen Staaten zusammen.(30) Arabische Ökonomien sind nahezu ausschließlich auf Distribution und Konsumption ausgerichtet, einzig Ölrendite, Transferzahlungen und westliche Subventionen erhalten sie (noch) am Leben.Von Produktivität kann deshalb keine Rede sein, aber auch die traditionellen Betätigungsfelder des arabischen Mannes, Kriege und Raubzüge zur Steigerung eigener Ehre und Mehrung des Wohlstandes, gibt es nicht mehr. Der Überfall Iraks auf Kuwait dürfte ein letzter Versuch gewesen sein, die tiefe Krise des Landes mit militärischen Mitteln zu beheben. Auch bietet Krieg, wie noch vor zwanzig Jahren, als etwa Ayatollah Khomeini eine ganze Generation junger Männer als Märtyrer in irakischen Minenfeldern verheizte, keine Abhilfe mehr, der wachsenden Zahl „zorniger junger Männer“ Herr zu werden. Die Zeit dieser Art zwischenstaatlicher Kriege scheint mit dem Blockkonflikt und seinen unzähligen Stellvertreterkonflikten vorerst vorbei.
Da die dem islamisch/arabischen Patriarchat zugrunde liegenden wirtschaftlichen und sozialen Strukturen sich also weitgehend aufgelöst haben ohne dabei, wie in Europa, zu einer graduellen Emanzipation der Frau beigetragen zu haben, führen patriarchale Strukturen ein gespenstisches Eigenleben und bedingen sich mit einer staatlichen Herrschaft, die ebenso dysfunktional geworden ist. Eine durch freie Konkurrenz bedingte Redefinition von Männlichkeit fand ebenfalls nicht statt.Kurz, der Ehrbegriff ist obsolet geworden. Die überwältigende Masse der Männer ist zu Passivität verurteilt, hängt von staatlichen Alimenten ab, die nachwachsende Generation steht noch chancenloser da als ihre Väter. Wer je in arabischen Großstädten die Scharen junger beschäftigungsloser Männer gesehen hat, die an irgendwelchen Straßenecken herumlungern, denen zugleich aber die Freuden ihrer gleichaltrigen Geschlechtsgenossen in Europa oder Israel versagt sind, kennt dieses Dilemma aus eigener Anschauung.Der islamistische Mann nun vermag weder den überholten Ehrbegriff, der den Kern seiner strukturell mißglückten Ich-Konstitution ausmacht, in Frage zu stellen, noch bieten sich ihm Formen gelungener Sublimierung, also bleibt als Ausweg nur ungehemmte Aggressivität: „Erst wenn die Welt in Flammen steht, können sie überglücklich im Feuer vergehen.“(31)
Männer, die den Weg des modernen Djihad beschreiten, sind keineswegs die Mehrheit in der arabischen Welt, sie stellen allerdings, und das macht sie so gefährlich, einen Idealtypus dar, der strukturelle Elemente islamischer Vergesellschaftung und Krisenreaktion konsequent zu Ende führt. Den islamistischen Apokalyptikern mit Verständnis für den arabischen Ehrbegriff entgegenzutreten, heißt sie in ihrem Tun zu bestärken. Nur eine radikale Veränderung der Strukturen, die diese Märtyrer hervorbringen, könnte langfristig Abhilfe schaffen. Dieser Prozess ist mit dem Wort Demokratisierung nur unzureichend gefasst.Offenbar aber muss der initiale Anstoß für die notwendige radikale Veränderung arabischer Gesellschaften und Männlichkeitsbilder von außen kommen, eine strukturelle Veränderung von innen scheint nachhaltig blockiert. Der islamistische Haß, den auch nur der Gedanke an Veränderung auf sich zieht und die Wut mit der im Irak und anderswo Frauenrechtlerinnen, Liberale, Homosexuelle und all jene vom sogenannten Widerstand verfolgt werden, die im Verdacht stehen im Diesseits ein besseres und freieres Leben führen zu wollen, ist, so bleibt zu hoffen, zugleich Ausdruck dafür, dass zunehmend mehr Menschen im Nahen Osten die Verfasstheit ihrer Gesellschaften grundlegend in Frage zu stellen beginnen ohne sich nach dem „Delirium der Vernichtung“(32) zu sehen.

*) Christian Knoop, Soziologe, ist Mitarbeiter bei Wadi e.V. und forscht derzeit über zwischenmenschliche Sexualität und Geschlechterverhältnisse im Nahen Osten. Thomas von der Osten-Sacken von Wadi e. V. (http://www.wadinet.de/) ist Mitherausgeber des im Ca ira-Verlag erschienen Sammelbandes Amerika. Der „War on Terror” und der Aufstand der alten Welt.
Schreibweise lt Al Arabiya-homepage
(1) „With the Insurgents in Hideout, Foreign Arabs Share Vision“, Washington Post v. 10.11.2004.(2) Ayaan Hirsi Ali : Der Terror hat sich festgesetzt; Zum Tod des Theo van Gogh. In: Die Welt v. 10.11.2004.(3) Ein anderer Filmemacher, der muslimische Inder Parvez Sharma, erhält aus ähnlichen Gründen fast täglich Todesdrohungen. Sein Film „In the Name of Allah“, wird in Kürze Premiere feien. Sharma beschreibt das Leben homosexueller Frauen und Männer in islamischen Staaten, in denen die Homophobie sprichwörtlich ist. Wer sich in der islamischen Welt zu seiner Homosexualität bekennt gefährdet im schlimmsten Falle sein Leben und erfährt im besten erniedrigendste Diskriminierungen.(4) Es ist kein Wunder, dass Filme die Gemüter der Islamisten weit mehr Erhitzen als Bücher. Zwar galt Khomeinis Fatwa gegen „Die satanischen Verse“ einem Buch, sie verfolgte vor allem aber ein politisches Ziel: mit dem Aufruf Salman Rushdie zu töten sollte der Geltungsbereich des Islam auf Europa ausgedehnt werden. Ansonsten wäre das Buch weitgehend unbemerkt geblieben. Filme und Fernsehen stellen in Gesellschaften, die laut einer UN-Studie aus 60 Prozent Analphabeten bestehen, gefährlichere „Waffen“ als Druckwerke dar. Deren geringe Bedeutung vor allem in der arabischen Welt verdeutlichte die klägliche Präsentation der arabischen Staaten auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse.(5) SZ v. 04.05.2004.(6) Hans-Peter Raddatz: Vom Allah zum Terror? Der Djihad und die Deformierung des Westens. München 2002, S. 288.(7) Vgl. Memri Special Dispatch v. 09.11.2004: Arabische Liberale rufen UN zu einem Tribunal zur Verfolgung von Terroristen und ihren religiösen Vordenkern auf.  HYPERLINK http://www.memri.org www.memri.org(8) Die gegen die irakischen Kurden gerichtete Vernichtungskampagne, bei der auch gezielt Giftgas eingesetzt wurde, taufte Saddam Hussein nach koranischem Vorbild „Al Anfal“.(9) Raddatz 2002, S. 71.(10) Zit. nach Hans Peter-Raddatz: Von Gott zu Allah? München 2001, S. 213.(11) Runak Faraj Rahim and Hana Shwan: Statistics on Violence Used Against Women, published by Rewan Women Information and Culture Center, Suleymaniah, Kurdistan - Irak 2003, S. 34.(12) Siehe: Thomas von der Osten-Sacken und Thomas Uwer: „...keinen staatlichen Sanktionen unterworfen“; Eine Anaylse der Mängel im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes zum Irak. Pro Asyl Veröffentlichung, Frankfurt a. M. 2000, S. 14.(13) Fatima Mernissi: Geschlecht, Ideologie, Islam, München 1987, S 161.(14) Wie sehr auch Frauen dazu neigen, Mechanismen der eigenen Unterdrückung zu affirmieren, zeigt Natascha Wilting: „Kaum besser gestellt als eine Sklavin, herumkommandiert von einem aufgeplusterten Macho, einem Patriarchen aus zweiter Hand: Widerstand, so erwartet man, sollte sich regen unter den islamischen Frauen, doch das Gegenteil ist der Fall: Statt sich ihre Freiheit zu erkämpfen, demonstrieren immer mehr Frauen z.B. in der Türkei dafür, doch endlich wieder überall das Kopftuch, Symbol ihrer Unterdrückung, tragen zu dürfen, treten ein für die Bestrafung derjenigen Frauen, die sich den islamischen Vorschriften zu entziehen drohen (…)“, Natascha Wilting: Psychopathologie des Islam, Bahamas Nr. 38, Berlin, S. 44. Zugleich organisieren sich dort, wo es möglich ist, immer mehr Frauen gegen Ehrtötungen, Genitalverstümmelungen und andere Formen männlicher Unterdrückung, gründen Frauenschutzhäuser und versuchen auf die Gesetzgebung ihrer Länder Einfluss zu nehmen.(15) Raddatz 2002, S 285.(16) Zit. nach Nasra Hassan: An Arsenal of believers; Talking to the ‚human bombs‘. In: The New Yorker v. 19.11.2001.(17) Sayyid Qutbd, zit. nach Gerhard Scheit: Suicide Attack; Zur Kritik der politischen Gewalt, Freiburg 2004, S. 457.(18) Scheit, 2004, S. 457.(19) Zit. nach Jan Goodwin: Der Himmel der Frau ist unter den Füßen ihres Mannes, Frankfurt a. M. 1999, S. 62.(20) Gerd Koenen: Mythen des 20. Jahrhunderts; Über das Neue und Andere in Antisemitismus und Antizionismus. In: Kommune, Herbst 2004.(21) Sania Hamady: Temperament and Character of the Arabs. New York 1960, S. 39.(22) Vgl.: Ernst Simmel: Antisemitismus und Massenpsychologie, in: Ders. (Hg.): Antisemitismus. Frankfurt a. M. 1993, S. 60 ff.(23) Di Martino und Schmitt: Kleine Schriften zu zwischenmännlicher Sexualität und Erotik in muslimischen Gesellschaften. Berlin 1985, S. 16ff.(24) Bruce Dunne: Power and Sexuality in the Middle East. In: “Middle East Report”. Spring 1998, S. 3.(25) Mandi Steele: Arab Masters raping boy slaves. WorldNetDaily v. 18.07.2002.(26) Ingeborg Baldauf: Die Knabenliebe in Mittelasien: Bacabozlik. Berlin 1988, S. 11ff.(27) Wie wenig auch hier Ideal und Realität übereinstimmen zeigt eine kürzlich vorgelegte Studie, der zufolge 40 Prozent aller befragten Frauen in Deutschland angaben schon Erfahrungen mit männlicher Gewalt gemacht zu haben.(28) Hamady 1960, S. 98.(29) Mernissi 1987, S. 63 ff.(30) Zahlen bei Bernard Lewis: The Crisis of Islam, Holy War and Unholy Terror. London 2003, S. 99.(31) Leon de Winter: Dann ergeben wir uns doch einfach! Mit Demutsgesten und Rückzugsgedanken ist den islamistischen Apokalyptikern nicht beizukommen. In: Die Welt v. 27.03.2004.(32) Theodor W. Adorno bezeichnet die „Vereinigung des Entsetzlichen und des Wunderbaren, ein Delirium der Vernichtung“, als das Erlösungsversprechen des faschistischen Agitators. Gleiches gilt für den Djihadisten. Vgl. Thodor W. Adorono: Antisemitismus und faschistische Propaganda. In: Simmel 1993, S. 161.

www.wadinet.de




Kauft Dänisch!

Den islamischen Nazis in die Suppe spucken-kauft dänische Produkte!

Little Green Footballs schreibt:

The Danish Anti-Boycott
Since Islamic nations have begun boycotting Denmark over a Danish paper’s publication of cartoons depicting Mohammed, here’s an easy way to show your support for freedom of speech and enjoy some delicious Havarti cheese at the same time: Buy Danish.

littlegreenfootballs.com

Saturday, January 28, 2006

Esst Arla Foods, und die islamischen Nazis ärgern sich kaputt!



Dhimmiwatch.org berichtet:

Strike a blow for anti-dhimmitude: support Arla Foods
The Danish company Arla Foods faces an international boycott stemming from Muslim cartoon rage. Help Arla Foods survive this unconscionable bullying and intimidation, and help the free world protect the principle of freedom of speech: please buy as many of their products as you possibly can. Here is an email received by Jihad Watch reader Steve from an Arla Foods executive:
Thank you for your e-mail and your support.
You can find our products in the cheese deli in most supermarkets. We market the following products here in the US: Rosenborg - Blue cheeses Denmarks Finest - Havarti (an imported mild and creamy yellow cheese) Lurpak - Butter Dofino - Havarti (produced in Wisconsin) Mediterra - Feta
You can also visit our website for further information: arlafoodsusa.com
You should be able to find our products in most stores, but certainly in Safeway, Albertsons and Costco.

Friday, January 27, 2006

Postone-Aufsatz

abdel kader's Journal (133)

Überarbeitete Version des Postone-Aufsatzes

Auf der Homepage der des Ça-Ira-Verlages ist nun eine aktualisierte Fassung von Moishe Postones bekanntem Aufsatz Nationalsozialismus und Antisemitismus erhältlich, welche die verschiedenen Versionen, die von diesem Text kursieren zusammenfasst und um Fußnoten ergänzt. Postone kann sehr überzeugend andere Erklärungen der Judenvernichtung als unzureichende "einfache Sündenbocktheorien" widerlegen, verfällt aber selbst in ein ähnlich vereinfachtes Modell. Auf Grundlage der Marxschen Theorie des Fetischismus (1, 2 ) reduziert er den Antisemitismus auf den Hass auf das Abstrakte, wohingegen er sich mit anderen Dimensionen des Antisemitismus, wie z.B. seinem Verhältnis zu Nationalismus gar nicht auseinandersetzt.

abdel kader
x-berg.de

Zeitung: Entführer stellen Forderungen

Angeblich soll die Bundesregierung ihren Kontakt zum Irak abbrechen
Berlin - Die Entführer der beiden deutschen Ingenieure im Irak stellen einem Zeitungsbericht zufolge ähnliche Forderungen wie die Geiselnehmer im Fall Osthoff. Wie der „Tagesspiegel“ unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, verlangen die Kidnapper, daß die Bundesregierung den Kontakt zum Irak abbricht und die Hilfe für das Land einstellt.Sicherheitsexperten stufen dem Bericht zufolge jedoch die Gefahr für das Leben der beiden entführten Sachsen deutlich höher ein als im Falle von Susanne Osthoff. Nach bisherigen Erkenntnissen stünden die Geiselnehmer möglicherweise der „Islamischen Armee im Irak“ nahe. Diese Gruppierung setze sich aus Gefolgsleuten des früheren irakischen Machthabers Saddam Hussein und aus Islamisten zusammen.
Mitglieder der „Islamischen Armee im Irak“ hatten im August 2004 den italienischen Journalisten Enzo Baldoni entführt und später ermordet. Die Gruppe entführte im August 2004 auch die beiden französischen Journalisten Christian Chesnot und Florence Aubenas. Vergeblich forderte sie von der französischen Regierung eine Aufhebung des Kopftuchverbots an Frankreichs öffentlichen Schulen. Beide Journalisten wurden im Dezember 2004 wieder freigelassen.

WELT.de

Thursday, January 26, 2006

Bloß keinen Frieden

Der Krieg in Tschetschenien ist ohne Kidnappingindustrie und profitable Kriegsökonomie nicht denkbar. Von Klaus Thörner

Der Krieg in Tschetschenien wird von beiden Seiten mit einem erschreckenden Ausmaß an Gewalt geführt. Auf mindestens 25 000 gefallene Russen und 200 000 getötete Tschetschenen beläuft sich die bishe­rige Bilanz. Von der eine Million Menschen umfassenden Vorkriegsbevölkerung leben nur noch 650 000 in der Republik. 150 000 Menschen sind geflohen. Die Haupstadt Grosny ist heute ein Trümmerfeld und die seit dem Zweiten Weltkrieg meistbombardierte Stadt der Welt. Die Folgen für die Bevölkerung sind katastrophal. Eine von der Weltgesundheitsorganisation finanzierte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass 86 Prozent der Tschetschenen körperlich oder psychisch krank sind. Und in Russland ging der zweite Tschetschenien-Krieg (seit 1999) mit einer Militarisierung des gesamten Staatsapparates unter Wladimir Putin einher, wie es Olga Kryschtanowskaja in ihrem Buch »Anatomie der russischen Elite« anschaulich nachgewiesen hat.

Im Februar 1944 hatte Josef W. Stalin fast die gesamte tschetschenische Bevölkerung, die sich in großer Zahl gegen die Kollektivierung wehrte, unter dem Vorwurf der Kollaboration mit den Nazis deportieren lassen. Die Sowjetrepublik Tschetschenien-Inguschetien wurde aufgelöst und unter den Nachbarrepubliken aufgeteilt. Es war die Deportation, die innerhalb der traditionellen Clans den Bezug auf eine tschetsche­nische Nation entstehen ließ.

Erst 1957 erlaubte Nikita Chruschtschow den Tschetschenen die Rückkehr. Doch auch danach blieben sie innerhalb der Sow­jet­ord­nung eine stigmatisierte Randgruppe. Zwar entstand bald eine tschetschenische Mittel­schicht, aber die wichtigen Posten im Staat blieben meist Russen vorbehalten. Viele Tschetschenen gingen als »Gastarbeiter« in andere Teile der Sowjet-union oder traten in Moskau und anderen Großstädten Mafiagruppen bei. Sie schufen damit eines der gefährlichsten und brutalsten Netzwerke des Landes.

Seit dem Beginn der industriellen Förderung wurde in Grosny Rohöl verarbeitet. In der Sowjetunion stand die Stadt an zweiter Stelle der Raffineriekapazität. 1990 lieferte Grosny das gesamte Paraffin, das in der Sow­jet­union erzeugt wurde, und war außer­dem ein Knotenpunkt der sowjetischen Erdölpipelines vom Kaspischen zum Schwarzen Meer. Tschetschenien verfügt auch selbst über Erdölquellen, die die separatistischen Warlords Anfang der neunziger Jahre kontrollieren wollten. Die Anlagen der Ölindustrie wurden während des ersten Tschetsche­nien-Kriegs nicht beschossen, da die russischen Behörden wohl darauf spekulierten, sie nach dem Krieg wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch seit dem Beginn des zweiten Kriegs werden auch sie systematisch bombardiert.


Separatismus

Der im November 1990 einberufene Tschetschenische Volkskongress bildete die organisatorische Ausgangsbasis der aufkommen­den Unabhängigkeitsbestrebungen. Radika­le Moslems, Clanchefs, Afghanistan-Veteranen und kriminelle Gruppen schlossen sich ihm an. Sie waren die ersten, die auf Konfrontation drängten. Die Erosion der Sowjetunion von 1991 spielte den Radikalen in die Hände, das »unabhängige« Tschetschenien von 1991 bis 1994 wurde zu einer Schattenzone außerhalb der direkten Jurisdiktion Moskaus, doch innerhalb seines Wirtschafts­raums.

Zwar produzierte Tschetschenien jetzt weniger als zu Sowjetzeiten, doch entwickelte es sich zum größten Schwarzmarkt der Russischen Föderation. Ein tschetschenischer Geschäftsmann konnte ohne Kontrolle und ohne Zahlung von Steuern oder Zöllen von Grosny nach Moskau und zurück fliegen. Doch als die chaotischste Phase im neuen Russland vorbei war, bekam Tschetschenien wirtschaftlichen Druck zu spüren. Die Öllieferungen in die Raffinerien von Gros­ny wurden eingestellt und internationale Flüge gestrichen. Dennoch setzte die von den Clanfürsten bestimmte Regierung Dscho­char Dudajews nun auf Separatismus. Die Separatismusbewegung hatte erstmal nichts mit Religion zu tun. Dudajew war ein ehemaliger sowjetischer Offizier, der gern Alkohol trank, als Präsident erinnerte er die Tschetschenen nur halbherzig an ihre islamischen Traditionen und gab seinem nicht anerkannten Staat eine weltliche Verfassung.

Nachdem Tschetschenien seine auf der Erdölraffinierung beruhende Wirtschafts­basis Anfang der neunziger Jahre verlor, blie­ben vielen Verarmten außer Tauschhandel und Gelegenheitsarbeiten nur die Kleinkri­mi­nalität und das organisierte Verbrechen als Einkommensquellen. Im Milieu einer sol­chen Zusammenbruchsökonomie hat die Verbindung von Sharia und Kalaschnikow eine aussichtsreiche Zukunft. Intakt gebliebene Clanbeziehungen eröffneten die schnel­le Chance zur Bandenbildung. Das Ausbleiben von Investitionen und der fehlende Zugang zu ausländischen Märkten führten zu einer Arbeitslosenquote von 95 Prozent. Als einzige Boombranche erwies sich das Geschäft mit Geiselnahmen.

Erst im zweiten Tschetschenien-Krieg wur­de der Islamismus zu einem entscheidenden Faktor. Dabei war Tschetschenien nie so religiös wie etwa die Nachbarrepublik Dagestan. Der Islam fasste erst im 19. Jahrhundert im Zuge der Kaukasus-Kriege in Tschetschenien Fuß. Als sie den Islam annahmen, traten die Tschetschenen zwei Sufi-Richtungen bei, die sie an tschetschenische Gebräuche anpassten. Von strikten Formen des Islam waren sie weit entfernt.

Mit dem Krieg von 1994 bis 1996 änderte sich das Bild. Achmed Kadyrow, das dama­lige religiöse Oberhaupt, ermunterte die Tschetschenen, ihre Religion wieder zu entdecken. Zudem zog der Krieg islamistische Veteranen des Afghanistan-Kriegs an, die am Jihad gegen Russland teilnehmen wollten. Die russischen Befehlshaber unterschätzten die militärische Kampfkraft des Gegners. Sie waren nicht darauf vorbereitet, dass sie neben Tschetschenen auf Gotteskrieger aus Jordanien, Afghanistan, Algerien und Ägypten trafen. Der berühmteste war der im April 2002 getötete Jordanier Umar Ibn-al-Chattab. Er stieg schnell zum Stellvertreter des tschetschenischen Kommandeurs Shamil Bassajew auf und spielte als Finanzier eine zentrale Rolle. 1996 nahmen russische Sicherheitskräfte den Ägypter Ayman al-Zawahiri fest, heute der erste Stellvertreter Ussama bin Ladens, und ließen ihn nach sechs Monaten wieder frei.

Ein einheimischer Protagonist des Islamis­mus in Tschetschenien ist Bassajew. Noch 1991 stand er mit Boris Jelzin in Moskau auf den Barrikaden und galt als Wodka trinkender Lebemann. Um Geld und Kämpfer zur Durchsetzung des Separatismus und seiner Mafiaherrschaft zu akquirieren, legte er sich das Image eines Islamisten zu und schloss zur Devisenbeschaffung ein Bündnis mit dem wahhabitischen Islamismus. 1994 trat er mit islamistischen Gruppen und Geld­gebern in Verbindung, absolvierte ein Ausbildungslager in Afghanistan und traf sich mit Bin Laden.

Als im Dezember 1994 der erste Tschetschenien-Krieg begann, führte Bassajew das Kommando der Separatisten. Im Juni 1995 überfiel er mit seiner Miliz die südrussische Stadt Budjonnowsk und nahm in einem Krankenhaus 1 000 Geiseln. Aus dem Krankenhaus führte er Verhandlungen mit Russlands Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin, der die Terroristen abziehen ließ und das Ende des Kriegs sowie Friedensverhandlungen zusagte. Als Bassajews Terrorbanden Grosny besetzten, unterzeichnete die russische Regierung Ende Mai 1996 einen Waffenstillstandsvertrag. Er beinhaltete de facto die Anerkennung der tschetsche­nischen Unabhängigkeit, wobei der Endstatus offen gelassen wurde. Mit dieser fatalen Appeasement-Politik signalisierte die russische Regierung: Terror und Geiselnahmen zahlen sich aus.

Unabhängig wurden in der Phase von 1996 bis 1999 vor allem der Islamismus und die Warlords, die ihre informelle Herrschaft nun ohne Kontrolle oder Repressionen Russ­lands sichern und ausbreiten konnten.

Im Januar 1997 siegte Aslan Maschadow bei den tschetschenischen Präsidentschafts­wahlen. Er war wie Dudajew nicht religiös und galt als moderat. Doch diese Konsensbereitschaft stellte sich für Tschetschenien als großer Fehler heraus. Er suchte nicht die Konfrontation mit den Hardlinern und Wahhabiten, sondern einen Kompromiss. Bassajew wurde zum Vizepremierminister ernannt und gab die Direktive aus, Tschetschenien in ein islamisches Land zu verwan­deln.


Islamisierung

Statt sich um Maschadow zu scharen und mit dem Aufbau des Staats zu beginnen, er­richteten die tschetschenischen Komman­deu­re kriminelle Fürstentümer. Die Wah­ha­bi­ten eröffneten in Gebieten unter Bassajews Kontrolle Trainingsbasen für islamistische Terroristen. Tausende Islamisten wurden hier ausgebildet. 1997 erklärte bin Laden Tsche­tschenien zur Brutstätte des Heiligen Kriegs.

Viele tschetschenische Männer, zumeist jugendliche Arbeitslose mit guter Schulausbildung, aber wegen der wirtschaftlichen Misere ohne Berufsaussichten, schlossen sich den Wahhabiten aus ökonomischen Erwägungen an. Sicherlich sahen viele mit der Verbreitung des Wahhabismus in ihren Familien und Clans auch eine Chance, ihre fraglich gewordene männliche Dominanzposition wieder herzustellen.

Im Januar 1998 schließlich berief Mascha­dow nach islamistischer Dauerkritik an seinem »gemäßigten« Kurs Bassajew zum Regierungschef. Daraufhin erklärte das oberste Sharia-Gericht den »heiligen Krieg« zur Grundlage der tschetschenischen Unabhängigkeit und der nationalen Identität. Als weitere Konzessionen gegenüber den ­finanziell einflussreichen Wahhabiten und um zumindest den äußeren Schein staatlicher Einheit zu wahren, ließ Maschadow die arabische Schrift und später in allen Bezirken das Scharia-Gesetz einführen.

Tschetscheniens drittgrößte Stadt Urus-Martan wurde zum Zentrum der Geiselnehmerindustrie. Aber nicht nur Entführungen machten das Land zu einem Hort der Kriminalität, auch mit dem Verschieben gestohlener Autos, mit Drogen- und Waffenhandel, Öldiebstahl und Finanzmanipulationen ließ sich Geld verdienen. Von Anfang an gelang es der Regierung nicht, den Öldiebstahl und das Anzapfen von Leitungen zu verhindern, vielmehr erreichten diese Praktiken bald katastrophale Ausmaße. 1999 ähnelte der tschetschenische Abschnitt der Erdölpipeline vom Kaspischen zum Schwarzen Meer einem Schweizer Käse.

Dass die Kriminalität anwuchs, lag auch am Ausbleiben der von Moskau versprochenen Wiederaufbaugelder. Dabei war fast die gesamte tschetschenische Industrie zer­stört. In krimineller Hinsicht existierte Tsche­tscheniens Unabhängigkeit nur auf dem Papier. An fast allen Geschäften verdienten Russen mit. So schmuggelten russische Ölfirmen ihr Rohöl nach Tschetschenien, ließen es dort raffinieren und re­importieren, um Steuern zu hinterziehen.

Nichts aber war so einträglich wie das Geschäft mit Geiseln. Im Westen machten nur entführte Ausländer Schlagzeilen, etwa als 1998 zwei englische Telefoningenieure verschwanden. Kurze Zeit später wurden ihre abgetrennten Köpfe an einer Straße gefunden. In Grosny gab es im Stadtzentrum einen »Sklavenmarkt«, wo interessierten Käufern Listen mit Geiseln vorgelegt wurden und Entführerbanden mit Geiseln handelten. Neben tschetschenischen Re­gionalfürsten verdienten auch russische Geheimdienstler und Offiziere an der Kidnappingindustrie. Sie entführten Ausländer oder Russen in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan und verkauften sie ihren Geschäftspartnern in Tschetschenien. Der Kopf eines Ausländers war für mindestens eine Million Dollar gut. 1999, am Vorabend des zweiten Kriegs, schätzten offizielle russische Quellen die Zahl der Geiseln auf ungefähr 2 000.


Zweiter Tschetschenien-Krieg

Beide Seiten konnten mit ihren kriminellen Geschäften in der Friedenszeit eigentlich zufrieden sein, doch versprachen sie sich wohl vom erneuten Krieg noch größere Profite. Die Wahhabiten zielten auf eine islamistisch »befreite Zone« als Nukleus eines islamischen Kalifat-Staates zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer. Und auch die russische Regierung hatte ihre Hoffnungen. Der Aufstieg des ehema­ligen Geheimdienstlers Putin zum Präsidenten Russlands ist eng mit der Reaktion der russischen Administration auf den Tschetschenien-Konflikt verknüpft. Putin stand für die Re-Etablierung des starken Staats nach dem Autoritätsverfall Jelzins.

Zwei Ereignisse gaben in dieser Situa­tion die Initialzündung zum zweiten Tschetschenien-Krieg. Im August 1999 besetzte eine Gruppe der tschetschenischen Warlords Bas­sajew und Chattab mehrere Dör­fer in Dagestan, in denen – erstmals in der Geschichte des Nordkaukasus – im August 1998 wahhabitische Führer die Macht übernommen und einen unabhängigen islamischen Staat proklamiert hatten. In Dagestan war daraufhin der Wahhabismus verboten worden. Chattab und Bassajew erhofften sich durch die Besetzung der Dörfer die Vereinigung Dagestans und Tschetscheniens und später des ganzen Nordkaukasus unter dem Banner des Heiligen Krieges.

Kurz danach, im September 1999 wurden in Moskau und Wolgodonsk mehrere Wohnhochhäuser durch Bomben in die Luft gesprengt. 300 Menschen starben. Die Attentate wurden von der russischen Regierung und den Massenmedien sofort »den Tschetschenen« zur Last gelegt, obwohl dafür keine Beweise vorgelegt wurden und es auch keine Bekenntnisschreiben tschetschenischer Terrorgruppen gab. Die Anschlä­ge dienten entscheidend zur Rechtfertigung des Ende 1999 beginnenden zweiten Tsche­tschenien-Kriegs.

Der zweite Krieg führte zu einer extremen Brutalisierung beider Seiten. Die rus­sische Armee begann sofort mit Luftangriffen. Im März 2000 wurde Putin dank des Kriegs zum Präsidenten gewählt. Dokumente der von Putin eingesetzten Verwaltung Tschetscheniens bestätigen, dass allein im Jahr 2002 jeden Monat über 100 Zivilisten von russischen Einheiten entführt und ermordet wurden. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial ging Anfang 2003 von 2 800 Entführten und Verschwundenen im zweiten Tschetschenien-Krieg aus.

Auf russischer Seite wissen vor allem die mit Dreimonatsverträgen dienenden »Kontraktniki« – Veteranen des Afghanistan- oder des ersten Tschetschenien-Kriegs sowie ehe­malige Sträflinge –, dass sie in Tschetschenien ungestraft erpressen, plündern und morden dürfen. An vielen Kontrollpunkten werden Zivilisten ausgeraubt oder ermordet. Oft verhaften die Russen tschetsche­nische Männer, damit ihre Verwandten sie freikaufen – mit Geld oder Maschinenpis­tolen. Selbst die Leichen von Ermordeten müssen freigekauft werden.

Nachts aber beherrschen die Kämpfer der tschetschenischen Warlords und die russischen Todesschwadronen der Geheimdienste und die mit ihnen zusammenarbeitenden tschetschenischen Kommandeure die Städte und Dörfer der Kaukasus-Republik. Die Söldner der Warlords überfallen russische Kontrollpunkte oder jagen russische Autos und Lastwagen in die Luft. Die russischen Einheiten durchkämmen Dörfer und Städte und entführen echte und vermeintliche Rebellen.

Bereits im Juni 2000 bezeichneten russische Armeesprecher den Krieg als gewonnen. Doch das trifft allenfalls für die größeren Städte wie Grosny und Gudermes zu. Im Bergland, dem neuen Kampfgebiet, haben die Warlords und Wahhabiten dagegen taktische und strategische Vorteile. 50 000 bis 60000 Soldaten sind dauerhaft an den Kriegsschauplatz gebunden, ohne aber die in den Bergen verteilten 5 000 bis 6 000 Militanten fassen zu können.

Für die Kriegsherren – seien es tschetschenische Warlords oder russische Sol­daten – sind Geiselnahmen, Waffen- und Rauschgiftschmuggel ein einträgliches Geschäft. Sie sind nicht daran interessiert, dass Tschetschenien und Russland Frieden schlie­ßen. Bei Kriegsende drohen ihre lukrativen Einnahmequellen zu versiegen.

jungle-world.com

Køft næt bæ dån Jøden!

"Jerusalem Post":
Norwegens Sozialistische Linkspartei sagt, daß sie am geplanten Boykott israelischer Waren festhalte, obwohl die Parteiführerin als Mitglied der Regierung in dieser Sache nachgeben mußte. Die Parteichefin und Finanzministerin Kristin Halvorsen brachte Norwegen letzte Woche an den Rand einer diplomatischen Krise mit Israel, als sie öffentlich einen Boykott des jüdischen Staates befürwortete, um gegen Israels Behandlung der Palästinenser zu protestieren. Norwegens Bundesland Soer-Trondelag sorgte letzten Monat für Aufregung, als es sich zur ersten norwegischen Provinz ernannte, die Israel offiziell boykottiert.

konkret, Feb 06

Rechtsextremist Mahler soll Paß entzogen werden


Horst Mahler
Foto: AP




Das Land Brandenburg will damit verhindern, daß er an einer internationalen Revisionismus-Konferenz teilnimmt. Das Innenministerium befürchtet eine gravierende Beschädigung des Ansehens Deutschlands, sollte Mahler in Teheran den Holocaust leugnen.

Potsdam - Dem früheren RAF-Mitbegründer und heutigen Rechtsextremisten Horst Mahler soll für ein halbes Jahr der Paß entzogen werden. So will ihn das Land Brandenburg an der Teilnahme an einer internationalen Revisionismus-Konferenz in Iran hindern. Das Innenministerium befürchtet eine gravierende Beschädigung des Ansehens Deutschlands, sollte Mahler in Teheran den Holocaust leugnen. Nach Angaben des Ministeriums vom Donnerstag stimmt sich die Behörde eng mit Mahlers Wohngemeinde Kleinmachnow in Brandenburg ab.
Das Paßgesetz erlaubt nach Ministeriumsangaben, das persönliche Dokument einzuziehen, wenn Belange der Bundesrepublik gefährdet sind. Der frühere NPD-Anwalt sei ein „fanatischer Antisemit und Geschichtsfälscher“, betonte das Ministerium. Mahler war 2005 vom Landgericht Berlin wegen Volksverhetzung zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Teheraner Revisionismus-Konferenz, deren Termin laut Innenministerium noch unbekannt ist, hätte vor dem Hintergrund der jüngsten antiisraelischen Äußerungen des iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad besondere Brisanz. Es wird erwartet, daß Mahler die weltweit scharf kritisierten Positionen des Präsidenten stützen würde.

WELT.de/dpa

Susanne Osthoff inkognito












Susanne Osthoff (Foto, mit Tochter) inkognito beim Shopping in Bahrein.

Wednesday, January 25, 2006

Pflicht unter Landsleuten


Die Informationen über die Entführung und Freilassung von Susanne Osthoff sind widersprüchlich. Sicher ist, dass der BND eine dubiose Rolle spielte. von thomas von der osten-sacken und thomas uwer

Was ich möchte, hat mich noch nie im Leben einer gefragt. Das wäre mir jetzt neu, wenn ich diese Frage plötzlich hören dürfte. Ich höre sie gerade, aber ich kann nicht so handeln, wie ich will.« Was da spricht, ist Volkes Stimme, den Mund leiht ihr Susanne Osthoff. Seit sie aus der Geiselhaft entlassen wurde, sprudeln Sätze wie diese nur so aus ihr heraus. Und aus der Presse hallt es zurück. Susanne Osthoff sei eine »bayerische Agatha Christie«, Archäologin und »engagierte Helferin«. Sie habe ihre Tochter sitzen lassen, sei unbelehrbar, undankbar, total verrückt und habe einen ständig besoffenen Bruder, der gerne auch mal gewalttätig wird.
Nichts davon stimmt, und doch ist alles richtig. Denn Susanne Osthoff scheint direkt dem kollektiven Unbewussten der Deutschen entsprungen, und wie alles, was von dort aufsteigt, ist auch ihre Person: widersprüchlich, wirr und der Rationalität unzugänglich. Fragt man nach der Entführung, dann erfährt man, dass ihr Vermieter sie rausgeworfen hat. Will man wissen, was die Bundesregierung den Geiselnehmern für ihre Freilassung geboten hat, schwadroniert sie von »jüdischen Geheimdienstoffizieren«.
So gerne die Entführung auch als der Fall der Susanne Osthoff dargestellt wird, so trügerisch ist die Konzentration auf ihre Person. Nicht nur, dass bis heute unklar ist, wer überhaupt die Deutsche entführt hat. Wirr und widersprüchlich erscheinen auch der gesamte Ablauf und die Umstände ihrer Freilassung. Die Aussagen der involvierten Behörden Bundesnachrichtendienst und Auswärtiges Amt wirken kaum rationaler als jene der ehemaligen Geisel. Beide Behörden bemühen sich darum, jede Information zum Verlauf der Geiselnahme zu vertuschen. Je mehr aber über den »Fall Osthoff« ans Licht kommt, desto deutlicher zeichnet sich ab, dass die Angelegenheit mehr ist als eine persönliche Lebenstragödie, nämlich eine hausgemachte deutsche Nahost-Posse.
Die Rätsel beginnen im Detail: Videotapes mit erniedrigten und vor Angst schlotternden Geiseln sind Teil des Terrors. Islamistische Gruppen im Irak haben daher immer großen Wert auf die Ausstrahlung solcher Botschaften gelegt. Warum aber sandten die Entführer Osthoffs ihr Video ausgerechnet der ARD, einem Sender, der in der arabischen Welt noch seltener geschaut wird als in Deutschland? Aus gutem Grunde trägt ansonsten al-Jazeera die Bildpost des »Widerstands« aus.
Und wie kommt es, dass Osthoff von der deutschen Botschaft aus mit ihrem PKW durch einen Landesteil fährt, den andere Irakis meiden und Amerikaner nur in gepanzerten Kolonnen durchqueren? Und vor allem: In wessen Gewalt befand sich Susanne Osthoff eigentlich? Glaubt man dem Auswärtigen Amt, dann stammen die Entführer aus dem Dunstkreis sunnitisch-arabischer Gruppierungen. Davon aber gibt es viele. Glaubt man der ehemaligen Geisel, dann handelte es sich um al-Qaida. Zumindest die Behörde, die in Verhandlung mit den Geiselnehmern stand, sollte in etwa wissen, mit wem sie es zu tun hatte und wem sie das Lösegeld, Gerüchten zufolge immerhin fünf Millionen US-Dollar, überreichte. Es könnte sein, dass der nächste Sprengsatz, der in einer schiitischen Moschee oder auf einem Marktplatz in Bagdad explodiert, mit diesem Geld finanziert wurde.
Wie nunmehr gemeldet wird, sollen Mitarbeiter der deutschen Botschaft mehrere tausend Dollar in den Kleidern der Geisel gefunden haben, die aus dem gezahlten Lösegeld stammten. Waren es also Gentleman-Entführer, die der Geisel noch ein Trinkgeld mit auf den Weg gaben? Oder ist die ganze Angelegenheit, wie die FAZ mit der gebotenen Unschärfe formulierte, am Ende »von der Betroffenen selbst inszeniert« worden? Doch das könnte sie nicht allein getan haben.
Wie sich herausstellte, pflegte Susanne Osthoff Kontakte zum BND und war zumindest als Informantin für den Dienst tätig. Auch das mag ohne ihr Wissen geschehen sein: Sie habe Mitarbeitern der deutschen Botschaft Hinweise auf »drohende Gefahren oder die Lage in bestimmten Gebieten gegeben«, erklärte sie in der ARD. Das sei eine »Pflicht unter Landsleuten«. Was aber treibt eine deutsche Archäologin eigentlich in »bestimmten Gebieten«, womit nicht die Bar des Hotels Palestine gemeint ist? Welche Informationen über »drohende Gefahren« kann sie aus dem sunnitischen Kernland liefern, die so harmlos sind, dass ihr der Gedanke gar nicht erst kommt, diese könnten nachrichtendienstlich verwertbar sein?
Passen würde sie jedenfalls perfekt in das Aufgebot an dubiosen Gestalten, die im Umfeld der deutschen Vertretung in ihrem Fall tätig geworden sind: Da ist Rolfeckhard Giermann, früherer DDR-Handelsattaché in Bagdad, der ein deutsches Kulturzentrum aufbauen soll. Da ist Scheikh Dulaimi, ehemaliger Psychiater Saddam Husseins, der angeblich die Kontakte zu den Entführern herstellte, aber auch ein enger Freund von Osthoff zu sein vorgibt und ihr jenen Fahrer vermittelt haben soll, der wiederum im Verdacht steht, an der Entführung beteiligt gewesen zu sein. Und da ist ein »Deutsch-Irakischer Club«, der in den siebziger Jahren in Bagdad gegründet wurde.
Sollte es sich also bewahrheiten, dass Susanne Osthoff, möglicherweise unwissentlich, eine Informantin des BND war, dann wirft dies zugleich auch ein besonderes Licht auf den Dienst selbst. Osthoff kann kaum Sympathie für die neue irakische Regierung nachgesagt werden. In der ARD erklärte sie, sie wünsche sich, der Irak werde wieder so, wie er war, wobei sie sich ausdrücklich auf die späten achtziger Jahre bezog. Zu dieser Zeit, als das Regime Saddam Husseins sich auf dem Höhepunkt seiner inneren Macht befand, »verschwanden« Tausende von Kurden und andere Regimegegner oder wurden mit Giftgas ermordet. Auch dies mag ihr wiederum entgangen sein.
Seit den Zeiten, als Klaus Kinkel Chef des BND war, bestehen Kontakte, die vor allem durch die Ausbildung irakischer Nachrichtendienstoffiziere im bayerischen Pullach geknüpft wurden. »Besondere Verbindungen« bestanden auch zwischen deutschen Firmen und dem staatlichen »Rüstungsprogramm«, jener Behörde, welche die Produktion chemischer Kampfstoffe koordinierte. Und nicht zuletzt hat der deutsche Spitzeldienst die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse der DDR übernommen und somit auch an jene Kontakte anknüpfen können, die dem Westen verschlossen geblieben waren. All die »guten Kontakte« haben gemein, dass sie über Funktionsträger des gestürzten Regimes entstanden. Heute sind diese Leute, wenn überhaupt, dann nur noch im so genannten Widerstand zu finden.
Was immer auch noch zu Tage treten mag, bereits jetzt steht fest, dass der BND einen schwer wieder gut zu machenden Schaden in der Region angerichtet hat. In der wahrscheinlichen Zuarbeit der Nothelferin Osthoff findet sich die pathische Vorstellung all jener im Nahen Osten bestätigt, die hinter jeder ausländischen Organisation nur das Wirken westlicher Geheimdienste vermuten. Auch in diesem Sinne ist der Fall Osthoff ein deutscher Fall: Was als Geheimdiplomatie beginnt, endet in einem lärmigen Tohuwabohu.

jungle-world.com

Von wegen Selbstmord


Warum nur gibt es in Tschetschenien so viele »Schwarze Witwen«? Einige Thesen von Klaus Thörner

In der Geschichte der zahlreichen kaukasischen Kriege der vergangenen Jahrhunderte gab es nicht einen Fall, in dem sich ein Tschetschene oder gar eine Tschetschenin mit Sprengstoff umgürtet in die Luft gesprengt hätte. Selbstmord galt als Schande, und Frauen beteiligten sich grundsätzlich nicht an Kriegen. Schon dass eine Frau Rache nimmt, war in Tschetschenien die große Ausnahme und kam nur in Frage, wenn kein Mann der Familie mehr dazu in der Lage war. Mittlerweile jedoch werden Frauen als Selbstmordattentäterinnen angeworben oder zu solchen Zwecken auch verkauft. Der Präzedenzfall des islamistisch motivierten Selbstmordanschlages einer Frau im neuen Jahrtausend wurde nicht, wie zu vermuten wäre, von einer Palästinenserin in Israel verübt. Die erste »Schwa­rze Witwe«, die 17jährige Schülerin Chawa Bara­jewa, steuerte am 6. Juni 2000 einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in eine Militärkommandantur der russischen Streit­kräfte in Alchan Jurt in Tschetschenien.
In Israel stehen den sieben Frauen, die bisher von der Hamas, dem Islamischen Jihad und den Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden auf tödliche Mission entsandt wurden, unzäh­lige Männer gegenüber. Tschetschenische Männer aber sprengen sich in der Regel nicht in die Luft. Sie hängen zu sehr an ihrem Leben. Deswegen starben in Tschetsche­nien bis heute fast ausschließlich Frauen bei Selbstmordanschlägen – insgesamt rund 40. Eine weitere signifikante Differenz ist, dass palästinensische Frauen die Explosionen stets selbst auslösten, während die tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen in Russland oft aus der Ferne in die Luft gesprengt werden.
Frauen gesucht
Tschetschenische Frauen spielten in der Sow­jetunion nach dem Zweiten Weltkrieg im öffentlichen Leben ihrer Region eine wichtige Rolle. Viele von ihnen waren ins berufliche, politische, wirtschaftliche und soziale Leben des Landes integriert; sie arbeiteten als Ärztinnen, Schuldirektorinnen, Dozentinnen, als höhere Angestellte in der Verwaltung oder bekleideten politische Füh­rungspositionen auf lokaler Ebene. Einen Schleierzwang gab es nicht.
Doch infolge der ökonomischen Krise, des Separatismus, des Kriegs und der Ausbreitung des Islamismus wurden die Frauen wieder ins traditionelle Rollenkorsett gedrängt. Schnell stieg die Anzahl der im Alter von 13 oder 14 Jahren verheirateten Mädchen an. Eine weitere wiederbelebte Tradition ist das Kidnappen von Bräuten. Sie erlaubt es einem tschetschenischen Mann, die Braut seiner Wahl gefangen zu nehmen und zur Heirat in seinen Clan mitzunehmen. Der Kidnapper kann Streitigkeiten mit der Familie der Braut durch Cash oder mit Gewalt regeln.
Selbstmordanschläge sind ein neues Phänomen in Tschetschenien. Noch während des ersten Tschetschenien-Kriegs gab es keine suicide attacks. Doch seit Beginn des zweiten Krieges im Herbst 1999 waren weibliche suicide bomber an mindestens 15 Attentaten und brutalen Geiselnahmen beteiligt. Innerhalb von zehn Monaten, vom Oktober 2002 bis Juli 2003, forderten Anschläge von »schwarzen Witwen« 246 Todes­opfer. Die Zahl der Opfer der Geiselnahme im Moskauer Musicaltheater nach dem russischen Betäubungsgaseinsatz (129 Tote) ist in dieser Bilanz nicht enthalten.
Aus keinem Land der Welt kamen bisher so viele weibliche »Selbstmord«-Attentä­terinnen wie aus Tschetschenien. Viele von ihnen wurden unfreiwillig »schwar­ze Witwen«. Mit Erpressung und Entführung, durch sexuelle Gewalt und Psychophar­ma­ka werden tschetschenische Frauen zum sui­cide bombing gedrängt oder gezwungen, wie Julia Jusik in ihrem Buch »Die Bräute Allahs. Selbstmordattentäterinnen aus Tschetschenien« schreibt.
Den ideologischen Hintergrund dieses Terrors bildet der Wahhabismus, die in Saudi-Arabien geprägte, fundamentalis­tische Form des sunnitischen Islam. Verschärfend hinzu kommen nach Ansicht von Sabine Adler (»Ich sollte als Schwarze Witwe sterben. Die Geschichte der Raissa und ihrer toten Schwestern«) die in Tschetschenien nach dem Ende des Realsozialismus wieder verbreiteten archaischen kaukasischen Bräuche, wie »kanly«, die Blut­rache, und »Adat«, das Gewohnheitsrecht, das Frauen weitgehend entrechtet.
Mit dem Zufluss saudischen Geldes, der Hauptfinanzierungsquelle der tschetschenischen Separatisten, gewann die »wahhabitische« Form des Islam in Tschetschenien einen zuvor nie gekannten Einfluss. Die tschetschenischen Terrorgruppen übernahmen die Methode von al-Qaida und Hamas, Geld über angebliche Hilfsorganisationen zu sammeln. Große Geldströme sind nicht nur aus den Golfstaaten, sondern auch aus Europa und Nordamerika belegt. Auch die Muslimbruderschaft, eine Vorläufergruppe von al-Qaida und Hamas, eröffnete ein Büro in Grosny, über das Terrorgeld ins Land gebracht wurde.
Im September 1997 wohnten in Grosny mehr als 2 000 Menschen der ersten öffentlichen und nach islamischem Recht ausgesprochenen Hinrichtung bei. Von nun an wurden auch Todesurteile an Frauen vollstreckt, denen man »Ehebruch« vorwarf. Im November 1997 verabschiedete die Regierung einen Erlass, nach dem Frauen ihr Haar bedecken müssen, zudem wurde weiblichen Regierungsangestellten und Studentinnen befohlen, traditionelle islamische Kleidung zu tragen. Bühnenauftritte von Frauen wurden als unislamisch verboten und Frauen aus den öffentlichen Ämtern gedrängt.
Kurz nach dem Beginn des zweiten Krieges begannen die islamistischen Warlords, nach Frauen zu suchen, um sie als »lebende Bomben« einzusetzen. Es entwickelte sich neben der Zwangsprostitution eine neue Form des Frauenhandels. Zur bevorzugten Ware gehören Witwen oder geschiedene Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren sowie junge unverheiratete Frauen, deren Vater verstorben ist. »Vaterlose« unverheiratete junge Frauen sind in Tschetschenien »Freiwild«. Wenn ihre Brüder Kontakte zu Terrorgruppen haben, ist es für sie oft eine Frage der Ehre, die Schwestern zu opfern, um ihre Wertigkeit in den Terrororganisationen zu steigern.
Als Anwerberinnen beschäftigten die Wah­habiten meist ältere Frauen, die wussten, wo sich gerade eine Mutter, Schwester oder Ehefrau vor Gram verzehrte. Oft gehen die Anwerberinnen in Familien, in denen gerade ein Vater oder Sohn ermordet oder verschleppt wurde. Die Rekrutierung erfolgt fast immer nach dem gleichen Muster. Die junge Frau bekommt Besuch von der Anwerberin. Diese gibt sich als mildtätige Freundin aus, jederzeit bereit, Leid zu lindern und zu trösten.
Die Anwerberin kommt in Begleitung eines Mannes, der dem »Opfer« bekannt ist – für den Fall, dass Gewalt angewendet werden muss. Sie erklärt der Auserwählten, dass nun die Zeit gekommen sei, ihren Bruder oder Vater zu rächen. Manchmal werden auch Frauen angeworben, die in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen, weil sie ver­gewaltigt wurden oder vom Krieg traumatisiert sind. Die anschließende Trennung der Frau von ihrer Familie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ihre Erziehung zur »Schwarzen Witwe«. Einige Frauen wurden zur Terrorausbildung nach Baku gebracht. Dort und in anderen Ausbildungshäusern lebten mehrere Frauen, die auf den Tod vor­bereitet wurden, samt ihren Betreuern. Eine Flucht war unmöglich. Weitere Ausbildungs­zentren gab es in Inguschetien, im Pankisi-Tal in Georgien und in Tschetschenien selbst.
Um die Frauen zu einem Suizidattentat zu bewegen oder zu zwingen, werden sie in den Ausbildungsstätten einer permanenten religiösen Indoktrinierung ausgesetzt. Nicht selten werden sie auch mit sexueller Gewalt gebrochen. So wächst bei einzelnen Frauen die Bereitschaft, ihr Leben für ein Befreiungs-, Erlösungs- oder Vernichtungsziel zu opfern. Wenn sich trotz all solcher Maßnahmen die nötigen Veränderungen im Bewusstsein der Frau nicht einstellen und sie den Selbstmordanschlag kategorisch ablehnt, beginnen die »Ausbilder« oft, Drogen und Psychopharmaka zu ver­abreichen. Bei Autopsien wurde festgestellt, dass viele tschetschenischen Selbst­mord­attentäterinnen unter Drogen standen.
Eine Suicidebomberin, deren Anschlag scheiterte, berichtete, dass die Ausbilderin ihr immer wieder Orangensaft zu trinken gab, der sie schwindlig machte und Kopfschmerzen auslöste. Am letzten Tag flößte sie ihr eine noch größere Menge Saft ein und händigte ihr dann einen Rucksack mit Sprengstoff aus. Die »Schwarzen Witwen« führen ihren Bewachern oft den Haushalt, bekochen sie und müssen ihnen zu Diensten sein. Sobald die Stunde Null naht und die Frau zum Ort des Anschlags gebracht werden soll, wird ihr der Gürtel mit dem Sprengsatz umgehängt. Ein »Scha­hi­dengürtel« lässt sich nur schwer ablegen; oft gibt es einen Begleiter, der in der Nähe bleibt und die Frau aufmerksam beobachtet; er wird diese Versuche bemerken und den Sprengsatz per Funksignal zur Detonation bringen.
Frauen gefunden
Chawa Barajewa, die erste tschetschenische Selbstmordattentäterin, war die Cousine von Arbi Barajew, dem bis zu seinem Tod im Oktober 2000 bekanntesten Geiselnehmer des Landes. Bis 1998 lebte Chawa als Halbwaise bei ihrem Vater, trug nor­male Kleidung und galt als modernes Mädchen. Dann nahm sie Arbi Barajew in sein Haus. Aus Chawa machte er eine glühende Wahhabitin und bereitete sie darauf vor, Schahidin zu werden. Damit sie auf dem Weg ins Paradies nicht zauderte, gab er ihr Psychopharmaka. Barajew inszenierte ihren Tod wie in einem Drehbuch. Zunächst ließ er sie zu Hause filmen: Demütig auf einem Sofa sitzend las sie aus dem Koran vor und antwortete auf Fragen über den Sinn von Leben und Tod. Auch ihre Todesfahrt in einen russischen Militärposten wurde von der Beifahrerin, einer 16jährigen Freundin von Chawa, die ebenfalls ums Leben kam, bis zur Explosion gefilmt. Die tschetschenischen Warlords benötigen Körperteile und Videokassetten von Folterungen, Hinrichtungen und Anschlägen als Beweismittel, ohne die ihre arabischen Geldgeber das ver­sprochene Geld nicht auszahlen.
Das zweite Selbstmordattentat einer »Schwarzen Witwe« wurde am 29. November 2001 auf eine russische Militärkomman­dantur verübt. Die Frau war von einem wah­habitischen Anwerber rekrutiert worden, kurz nachdem sie hatte mit ansehen müssen, wie russische Soldaten ihren Ehemann in Gefangenschaft ermordeten. Der Anwerber erhielt nach dem erfolgreichen Anschlag 200 000 Dollar von Bassajew. Die Familie der Frau bekam ihren abgerissenen Kopf. Bassajew zahlte für jede potenzielle Attentäterin, die rekrutiert werden konnte, mindestens 1 500 Dollar. Vielen Vätern oder Brü­dern wurde Geld versprochen, wenn sie ihre Töchter oder Schwestern in das wahhabitische Kommando gäben. Damit die Patriarchen schneller einwilligten, versicherten ihnen die Anwerber, dass die Frauen wieder nach Hause zurückkehren würden.
In der wahhabitischen Gemeinschaft kommt es vor, sich eine Frau zu teilen, mit der Frau eines Freundes zu schlafen oder ihm die »eigene« zur Verfügung zu stellen. Dies wird mit der Formel bemäntelt: »Alle sind wir Brüder und Schwestern zueinander und sollen miteinander alles teilen.« Mädchen mit »einschlägiger Vergangenheit« sind jedoch von ihren »Brüdern« vollkommen abhängig. Sie haben keine Chance mehr, zu heiraten oder in ihre Familien zurückzukehren, mit ihrer »Schande« will sie dort keiner mehr haben. Sex vor der Ehe oder wechselnde Geschlechtspartner sind für eine tschetschenische Muslimin eine schwere Sünde oder tödliche Schmach.
Die bisher größte Aktion unter Beteiligung »Schwarzer Witwen« war die Geiselnahme während einer Musicalaufführung im Dubrowka-Theater in Moskau im Oktober 2002. Anführer des Kommandos war Mowsar Barajew, Neffe von Arbi Barajew. Unter den 41 Terroristen waren 19 von Kopf bis Fuß verschleierte und mit Sprengstoffgürteln verschnürte Frauen. Sie nahmen 900 Geiseln.
Die Ausbildung der Frauen fand in zwei tschetschenischen Dörfern statt. Sie wurden Tag und Nacht bewacht. Alle Schwarzen Witwen mussten zur Vorbereitung der Geiselnahme immer wieder Sprengstoffgürtel schnüren, doch bei der Aktion selbst wurden ihnen Gürtel ausgehändigt, die über Fernsteuerung zur Explosion zu bringen wa­ren. Dies war eine Folge des geschei­terten Attentats von Sarema Inarkajewa in einer Polizeistation in Grosny. Sie war mit 16 von einem jungen Mann angesprochen worden. Ein paar Tage später ging sie mit in seine Wohnung. Dort traf sie auf drei weitere junge Frauen, die eingeschüchtert wirkten und später ermordet aufgefunden wurden, nach­dem sie sich geweigert hatten, Selbstmord­attentate auszuführen. Der Anwerber schlief mit der 16jährigen und gab ihr Tabletten, nach denen sie sich wie betäubt fühlte. Später machte er Sarema seinen »Brüdern« zum Geschenk. Er hatte viele »Brüder«. Sie wurde von ihnen reihum vergewaltigt.
Dennoch wollte sie nicht sterben. Um ihren Willen zu brechen, gaben die Männer ihr immer wieder Drogen. Eines Tages kam der Marschbefehl. Sarema erhielt eine Tasche mit unbekanntem Inhalt. Der Anwerber und seine »Brüder« setzten sich mit ihr ins Auto und fuhren vor das Polizeikommissariat von Grosny. Sie gaben ihr den Auftrag hineinzugehen, nach dem Chef zu fragen und ihm die Tasche zu übergeben. Doch sie ahnte ihre tödliche Mission. Außer Sichtweite ihrer Begleiter setzte sie die Tasche im Flur ab und entfernte sich rasch. Sie hatte nur wenige Schritte gemacht, als die Bombe vom Auto aus ferngezündet wurde. Sarema überlebte schwer verletzt.
Seit diesem misslungenen Anschlag kommen kaum noch Taschen zum Einsatz, sondern Gürtel. Sobald ein Störfaktor auftritt, der die Aktion gefährden könnte, wählt der »Begleiter« die Tastenkombination und sprengt die lebende Bombe in die Luft. In den Sprengladungen sind ferngesteuerte Zünder montiert, die von einem Mobiltelefon aus aktiviert werden können.
Im Dubrowka-Theater starben mindestens 14 der an der Geiselnahme beteiligten Frau­en. Mowsar Barajew hatte ihnen zuvor erklärt, dass das Unternehmen anspruchsvoll und schwierig würde, aber stets betont, dass ihnen nichts passieren könne. Alle hatten Rückfahrkarten erhalten. Sie gingen davon aus, in zehn Tagen wieder in Tschetschenien zu sein. Für die Teilnahme wurde den Frauen Geld und die Übersiedlung ins Ausland versprochen.
Frauen gesprengt
Der Vater einer der Geiselnehmerinnen war ein Mitglied der wahhabitischen Gruppen. Als er versuchte, sich von seiner illegalen Vergangenheit zu lösen, musste er mit seiner Tochter bezahlen. Sie wurde in Baku mit einem Wahhabiten verheiratet und für die Moskauer Geiselnahme ausgebildet. Die An­werberinnen, die Honorare erhielten, waren selbst nicht an der Geiselnahme beteiligt. Eine von ihnen fuhr durch Tschetschenien und nahm junge Frauen aus ihren Elternhäusern mit. Den Eltern versprach sie, dass sie die Töchter wieder nach Hause zurückbringe.
Die Mutter von zwei weiteren Schwar­zen Witwen, die bei der Geiselnahme im Dubrow­ka-Theater umkamen, erhielt in Baku ein Honorar von mehreren 10 000 Dollar. Ih­re Töchter waren mit 26 und 28 Jahren noch nicht verheiratet, für eine tschetschenische Familie eine Schande. Beide waren krank, eine psychisch, die andere mit chronischen Lungenbeschwerden. Als eine wahhabitische Gang sie aufspürte, wurden sie mit je einem Mitglied verheiratet. Die lungenkranke Schwester stimmte der Teilnahme an der Geiselnahme des Geldes wegen zu, mit dem sie eine Auswanderung in die Türkei oder nach Aserbaidschan zu realisieren hoffte. Beide Schwestern waren während der Geiselnahme schwanger.
Sicher kann auch der Rachegedanke bei einigen Frauen ein individueller Motivations­grund ihrer Tat sein. Dafür spricht das Beispiel einer anderen der Geiselnehmerinnen von Moskau. Ihre Brüder hatten sich den Wahhabiten angeschlossen. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt als Anwerber und durch das Geschäft mit russischen Geiseln. Als Medina, eine ihrer Schwestern, ins entsprechende Alter kam, wurde sie mit einem ihr unbekannten Mann verheiratet. Während ihrer Hochzeit wurde bekannt, dass der beste Freund des Ehemanns von russischen Soldaten getötet worden war. Nachdem die Leiche freigekauft und beerdigt war, übertrugen die Männer des Clans Medinas Ehemann die Aufgabe, russische Soldaten in dem Camp zu töten, aus dem die Leiche freigekauft wurde. Er drang nachts in das Lager ein, warf eine Brandbombe in ein Zelt und tötete mehrere russische Soldaten. Selbst verletzt, konnte er jedoch nicht mehr fliehen und wurde gefangen genommen.
Medina wurde in das russische Camp gebracht und musste mit ansehen, wie ihr Ehe­mann bei lebendigem Leib in einer Grube verbrannt wurde. Danach war es für ihre Brüder leicht, sie als Selbstmordattentäterin anzuwerben. Ihre jüngere Schwester Hej­da, die sich nicht von ihr trennen wollte, starb mit Medina durch den russischen Giftgaseinsatz bei der Geiselnahme im Theater. Das Rachemotiv kann dennoch keine hinreichende Erklärung für die Selbstmord­attentate sein, denn sonst müssten vor allem Männer unter den Attentätern sein – in Tschetschenien sind sie ja traditionell für Racheakte zuständig.
Die tschetschenischen Jihadisten stellten das suicide bombing von Frauen auch nach der gescheiterten Geiselnahme in Moskau nicht ein. Auf dem Rockfestival in Tuschino bei Moskau explodierten im Juli 2003 zwei tschetschenische Frauen. Sie rissen 16 Men­schen mit in den Tod. Im Februar 2004 ereignete sich ein heute längst vergessener Präzedenzfall für die suicide attacks in der Londoner U-Bahn. Bei einem wohl von einer Frau verübten Attentat starben in der Moskauer Metrostation »Awtosawodskaja« nach offiziellen Angaben 50 Menschen.
Auch die Flugzeuge, die im August 2004 von Moskau nach Wolgograd und Sotschi starteten, wurden von zwei tschetsche­nischen Selbstmordattentäterinnen gesprengt. 90 Menschen starben dabei. Rus­sische Sicherheitsbeamte vermuten, dass die beiden Frauen die Detonation nicht selbst auslösten, sondern dass ihre Sprengstoffgürtel ferngezündet wurden. Kurz darauf forderte das suicide bombing einer Tschetschenin an einer weiteren Moskauer Metrostation zehn Opfer.
Nur einen Tag später stürmten tschetsche­nische Terroristen eine Schule in Beslan in der russischen Republik Ossetien und nahmen 1 200 Geiseln, darunter 700 Kinder. Unter den 32 Geiselnehmern, die sich im Kern aus der Leibwache Bassajews re­kru­tier­ten, befanden sich mindestens zwei schwarz verschleierte Frauen. Überlebende erzählen, dass die Terroristinnen bestürzt waren über die vielen gefangen genommenen Kinder und dafür plädierten, sie leben zu lassen. Daraufhin wurden sie von den männlichen Befehlshabern durch die Fernzündung ihrer Sprengstoffgürtel getötet.
Eine längere Version des Textes mit Quellenangaben findet sich unter:

www.typoskript.net/texte/artikel_0023/0023_web.htm

Tuesday, January 24, 2006

Wie glaubwürdig sind die GRÜNEN im Engagement gegen den Antisemitismus?



Eine Heidelberger Initiative will's noch immer wissen, fragt wieder nach - und verteilt folgendes Flugblatt...
Große Worte....In der WDR-Sendung „Hart aber fair“ vom 16. Februar2005 sagte Fritz Kuhn (Orginalton!): „Ich will deutlich machen, dass ich es für absolut notwendig halte, dass Organisationen, die sich mit der NPD und der rechtsradikalen Szene beschäftigen, vom Staat auf allen Ebenen .... richtig gefördert werden. Die ganzen Debatten haben keinen Sinn, wenn wir das nicht tun. Ich möchte mich mit meiner Partei dafür einsetzen, dass solche Programme wieder aufgenommen und aufgestockt werden“.(nachzuhören und zu sehen unter wdr.de/tv/hartaberfair05 direkt unter Stichwort "Schlussrunde": video...)... nichts dahinter? Bei haGalil, einem jüdischen Online-Magazin (www.hagalil.com), das sich in vielfältiger Weise stark macht gegen Antisemitismus und Rassismus und gleichzeitig ein breites Bildungsangebot zum Judentum bietet, freute man sich über diese deutlichen Worte und bat Fritz Kuhn deshalb nach der Sendung um Unterstützung, da staatliche Zuschüsse überraschend weggefallen waren. Am Telefon bekam man aber von seinem Berliner Stab zu hören: „Was glauben Sie, was Herr Kuhn so alles sagen muss“ und auf erneute Nachfrage: „Sie nerven!“ ... und der Telefonhörer wurde einfach aufgelegt. Dieser Umgang weckt doch erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der GRÜNEN. Eine jüdische Familie aus dem Wahlkreis von Fritz Kuhn fragte deshalb mehrfach nach, per eMail, per Fax, in Berlin und im Wahlkreisbüro. Keine Antwort. Wenn so das „Engagement“ gegen Antisemitismus aussieht, dann kann es selbstverständlich nicht fruchten. Vielleicht wollen Sie auch wissen, wie ernst es die GRÜNEN und insbesondere ihr Vorsitzender und Abgeordneter im Wahlkreis Heidelberg mit dem Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus meinen.Vertrauen verdient nur, wer auch tut was er sagt.

Wir bitten Sie deshalb: Fragen Sie nach!Im Internet:

http://www.fritz-kuhn.de

Bundestag: Fritz Kuhn, MdBFraktionsvorsitzendeBündnis 90/Die Grünen Deutscher Bundestag Platz der Republik 111011

BerlinTel.-Nr.: 030-227-71896/-7Fax-Nr.: 030-227-76896

fritz.kuhn@bundestag.de


hagalil.com

Monday, January 23, 2006

Business with Saddam

Das Oil for Food-Programm der Vereinten Nationen

„Can I trust Saddam Hussein? I think I can do business with him.“
Kofi Annan (Pressekonferenz, 28.2.1998)

„Wenn man das Unbehagen und die Verstörung beschreiben sollte, mit denen Amerikaner auf die Ereignisse der UN-Vollversammlung (…) reagierten, dann läge einiges Gewicht auf der Entdeckung, daß die überwältigende Mehrheit der Staaten dieser Welt den Eindruck hat, Ansprüche anmelden zu können, die alle dem Wohlergehen einzelner Nationen dienen. Diese Ansprüche sind sowohl bedenkenswert als auch furchterregend – furchterregend für Staaten wie die USA, die sich regelmäßig in der Minderheit in einer Generalversammlung von 138 Mitgliedern wiederfinden, oft als einzige, bestenfalls zusammen mit einem halben Dutzend Staaten.“(1)
Die bittere Klage des Daniel Patrick Moynihan ist so global und zeitlos wie das Ärgernis, dem sie galt: Die Vereinten Nationen – oder besser: deren Vollversammlung –, die Moynihan als „Bühne für Diktatoren und Tyrannen“ ansah. Sein Zorn richtete sich gegen den Beginn einer Entwicklung, die heute in der Bestätigung der Mitgliedschaft des Sudan im Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen just zu jenem Zeitpunkt gipfelt, zu dem arabische Milizen im Einvernehmen mit der Regierung in Khartoum die nichtarabische Bevölkerung in Darfour malträtieren und in den Tod treiben, während ein Resolutionsentwurf der Vereinigten Staaten zur Sanktionierung der sudanesischen Regierung – was auch immer man von ihm halten mag – an der Mehrheit der Vollversammlung scheitert – mit dem Argument, es handele sich dabei lediglich „um einen weiteren Versuch westlicher Obstruktion in einem arabischen Land“, so der algerische UN-Botschafter.
Moynihans Klage wurde im Herbst 1975 verfaßt. Ihr voraus gingen zwei denkwürdige Ereignisse in der Geschichte der UN (2). Im Juli desselben Jahres wurde in Mexiko die erste UN-Weltfrauenkonferenz abgehalten, an deren Ende eine Handvoll Resolutionen in das Dritte Komitee der Vollversammlung eingebracht wurden, die sich fast ausschließlich mit der „imperialistischen, rassistischen und kolonialen“ Unterdrückung befaßten. Die meiste Zeit verbrachten die Teilnehmerinnen der Konferenz jedoch damit, über den von der palästinensischen Delegation eingebrachten Resolutionsentwurf zu debattieren, der den Zionismus als „weltweites Problem“ verdammte. Die Resolution, die als Teil des Mexiko-„Frauenpakets“ später die Vollversammlung passierte, rief alle Staaten und internationalen Organisationen auf, „die palästinensischen und arabischen Frauen in ihrem Kampf gegen Zionismus, ausländische Besatzung und Fremdbestimmung zu unterstützen und ihnen zu helfen, ihre unveräußerlichen Rechte in Palästina zu erlangen, insbesondere ihr Recht auf Rückkehr in ihr Heim“.
Das zweite Ereignis war der berüchtigte Auftritt des Idi Amin Dada (sic!) vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 1. Oktober 1975. Der ugandische Diktator, der nach dem Attentat palästinensischer Terroristen auf das israelische Olympia-Team dem UN-Generalsekretär ein Telegramm sandte, in dem er den Holocaust lobte, trat als Vorsitzender der Organisation Afrikanischer Staaten (OAS) vor die Vollversammlung der Vereinten Nationen, um zur ersten UN-Resolution zu sprechen, die nicht nur Israel verurteilte, sondern Zionismus mit Rassismus gleichsetzte – die bis 1991 gültige, sogenannte Z=R-Losung. In seiner Rede forderte Idi Amin die „Vernichtung des Staates Israel“ und erklärte: „Die Vereinigten Staaten sind kolonisiert worden von Zionisten, die alle Instrumente von Entwicklung und Macht kontrollieren. Sie besitzen praktisch alle Bankgesellschaften und die zentralen Kommunikationseinrichtungen, sie haben die CIA unterwandert, um sie zu einer großen Gefahr für alle Nationen und Völker werden zu lassen, die der zionistischen Eroberung entgegenstehen könnten. Sie haben die CIA in eine Todesschwadron verwandelt, die jede Form des gerechten Widerstands in der ganzen Welt vernichtet.“(3)
Die Vollversammlung der Vereinten Nationen reagierte mit stehenden Ovationen. Die Z=R-Resolution wurde wenige Wochen später mit überwältigender Mehrheit und nur sechs Gegenstimmen angenommen. Moynihans Text, der gern als Starting Point des Neokonservatismus bezeichnet wird, entstand der eigenen Mythenbildung des späteren UN-Botschafters der USA (4) zufolge in der Nacht der Annahme der Resolution – während der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kurt Waldheim, der seinerzeit noch den Spitznamen „Oberkellner“ trug und dessen im UN-Sekretariat gehütete Nazi-Akte erst später gehoben wurde, im Waldorf-Astoria zum Wiener Walzer lud.
Die UN im Irak
Die Beispiele sind – zugegebenermaßen – mit bösem Willen gewählt. Dem kürzlich verblichenen Sir Peter Ustinov wäre sicherlich anderes eingefallen: Impfungen gegen Masernepidemien und Kinderdörfer für Kriegswaisen. Auch das gibt es, umgesetzt und verwaltet von Organisationen wie Unicef oder der Weltkulturorganisation Unesco und ihren über 40.000 Beamten. Ingesamt 19 derartiger Unterorganisationen unterhalten die UN, die lediglich von einem Office of Internal Oversight Services überwacht werden, dessen Mitarbeiter vom Generalsekretariat eingesetzt werden und das wiederum einzig dem Generalsekretär berichtspflichtig ist. Die Organisationsstruktur der UN ist der schultypische Fall einer Bürokratie, die Korruption und Vetternwirtschaft geradezu generiert. Beispiele für das Versagen der Riesen-Organisationen ließen sich daher viele finden, die von gravierenderem Ausmaß waren als jene beiden Vorkommnisse aus dem Jahre 1975 – wie das Totalversagen des UN-Sekretariats mit 14.000 Mitarbeitern im Falle Ruandas, wo vor dem Beginn des Mordens über Monate Berichte über die Vorbereitung einer systematischen Mordkampagne ignoriert wurden und der Generalsekretär Kofi Annan eigenmächtig alle Aktionen unterband, die die Massaker hätten vielleicht verhindern können.
Die beiden Beispiele aber stehen besonders deutlich jeweils für ein wesentliches Grundmerkmal des Ärgernisses UN, das sich wie ein roter Faden durch alle UN-Missionen und -Resolutionen zieht. Als symptomatisch muß das Hijacking der Weltfrauenkonferenz durch die palästinensische Delegation gesehen werden, die ganz offensichtlich nicht ein einziges der vielen drängenden Probleme arabischer Frauen thematisierte. UN-Konferenzen sind willkommene Gelegenheiten für Staaten und nationale Delegationen, Mehrheiten und Gehör für sachfremde Anliegen zu finden. Resolutionen wie die Z=R-Resolution von Mexiko werden außerhalb jener Gremien – wie dem Sicherheitsrat oder der Vollversammlung – durchgesetzt, innerhalb derer sie vorerst nicht mehrheitsfähig sind. Frauen-, Umwelt-, Klima- und Artenschutzkonferenzen der UN geraten regelmäßig zu Tribunalen gegen Israel und die USA, die für etwas verurteilt werden, das mit dem Gegenstand der Konferenz meist bestenfalls entfernt in Zusammenhang steht. Als derart normal wird dieses Hijacking empfunden, daß in Mexiko offensichtlich keiner der anwesenden Delegationen – mit Ausnahme der amerikanischen – aufgefallen war, wie verrückt die Forderung von Frauen ist, Palästinenserinnen sollten in ihr „Heim“ zurückkehren dürfen, ohne zugleich wenigstens pro forma einzuklagen, daß in diesen Heimen künftig von Ehrtötungen, Genitalverstümmelung und Unterdrückung von Frauen abzulassen sei.
Idi Amins Fall steht hingegen für einen ähnlichen, aber weniger von bitterer Überzeugung geprägten Mechanismus der UN-Politik. Israel und Großbritannien unterhielten lange Zeit gute Beziehungen zu dem ugandischen Diktator, die jedoch 1972 aus Protest gegen die Vertreibung von über 50.000 Asiaten aus Uganda und dem darauffolgenden wirtschaftlichen Zusammenbruch beendet wurden. Erst danach, im Februar 1972, wandte sich Idi Amin seinen arabischen Kollegen zu und erhielt Wirtschafts- und Militärhilfe aus Libyen. Im Gegenzug unterstützte Uganda die palästinensische Sache. Genau zu diesem Zeitpunkt entdeckte Idi Amin auch seine Vorliebe für Adolf Hitler und den Holocaust. Der Deal mit Libyen war für Ugandas Diktator noch von weiterem Nutzen: Die arabischen Staaten gaben sich fortan alle Mühe, eine Verurteilung wenigstens des Massenmordes in Uganda durch die UN zu verhindern. Als Idi Amin endlich gestürzt und ins saudische Exil gejagt wurde, tat dies die Armee Tansanias – ohne UN-Mandat und nach neuer Lesart also gänzlich völkerrechtswidrig.
Beide Mechanismen, das nationalistische Hijacking wie auch die durch Klientel- und Günstlingswirtschaft geförderte Koalitionsbildung, sollte man kennen, wenn man das Wirken der Vereinten Nationen im Irak betrachtet. Dreizehn Jahre spielten die UN im Irak eine maßgebliche Rolle; die gegen den Irak verhängten Sanktionen im Jahre 1990 waren vom UN-Sicherheitsrat ebenso verabschiedet, wie diverse UN-Agenturen nicht müde wurden, diesen Sanktionen die Schuld am Leiden der irakischen Zivilbevölkerung zu geben.
Anders als in der deutschen Presse nun suggeriert wird, ist die Weltorganisation unter Irakern weit weniger beliebt als die Koalition, die im vergangenen Jahr Saddam Hussein stürzte. Nicht zuletzt war es das UN-Generalsekretariat, das bis zum Schluß alles unternahm, den Sturz Saddams zu verhindern. Kaum hatte jedoch der Krieg begonnen, mit dem die Gefahr einer humanitären Katastrophe aufgekommen war, zogen die UN ihre Hilfsagenturen sukzessive aus dem Land ab. Als dann der „irakische Widerstand“ das UN-Hauptquartier in die Luft jagte, stellte die Organisation ihre Aktivitäten mehr oder weniger ein. Seitdem sind im Irak UN-Hilfswerke in relevanter Form nicht mehr tätig.
Oil for Food
Als wichtigen Schritt hin zu einer gerechten und auf multilateraler Verständigung beruhenden Nachkriegslösung wurde in Deutschland und Europa deshalb die Entsendung eines UN-Sondergesandten in den Irak begrüßt. In dem ehemaligen Funktionär der Arabischen Liga und algerischen Außenminister Lakhdar Brahimi hatte Kofi Annan dann auch einen Mann ganz nach dem Geschmack der Europäer gefunden. Daß mit Brahimi ausgerechnet ein arabisch-sunnitischer Politiker zum Sondergesandten für ein Land gewählt wurde, dessen Probleme eines ist, daß die nicht-arabische und nicht-sunnitische Bevölkerung jahrzehntelang von einer arabisch-sunnitischen Minderheit regiert und unterdrückt wurde, ist nur verständlich innerhalb der Logik der Vereinten Nationen. Mit Brahimi wurde einer der langgedienten Funktionäre aus dem arabischen Lager ins Amt gehoben – obendrein einer, der als algerischer Außenminister guten Kontakt zur Saddam-Regierung in Bagdad pflegte. Brahimi, der nicht nur Israel als „Gift in der Region“ bezeichnete, sondern der New York Sun erklärte, er sei stolz, noch nie einem Juden die Hand geschüttelt zu haben (5), entsprach ganz der Persönlichkeitsstruktur, mit der man sich im alten Europa bevorzugt zum kritischen Dialog setzt.
Gegen die Ernennung Brahimis liefen deshalb nicht nur die Kurden Sturm, die in dem UN-Gesandten zuvorderst einen Vertreter einer panarabischen Ideologie sahen, dem während seiner Tätigkeit im Irak nicht ein einziges Mal das Wort „Kurdistan“ über die Lippen kam und der in den 80er Jahren die Giftgasangriffe auf die Stadt Halabja in Abrede gestellt hatte (6). „Als Brahimi einen Zwischenstopp in Paris einlegte, klangen seine Ausführungen nicht so, als ob er einer neuen (irakischen) Übergangsregierung helfen wolle, sondern auf einer Unterstützungstour für die Palästinenser unterwegs war“, schreibt Dr. Sabah A. Salih. „Das Idiom, das Brahimi dabei verwendete, war keineswegs sehr verschieden von dem, das die arabischen und islamistischen Militanten auszeichnet.“ Denn Brahimi sehe „die arabische Welt als ein immerwährendes Opfer von westlichem Imperialismus und Zionismus“, er habe „die amerikanische Intervention im Irak aufs heftigste abgelehnt“, und anstatt sich über Saddams autokratische Herrschaft zu empören, habe er diese weitgehend unterstützt.(7) Als Saddams Republikanische Garden 1991 im Südirak Massaker anrichteten, verlor Brahimi darüber kein Wort – ein Grund, warum nicht nur die Kurden, sondern auch die Schiiten dem UN-Sondergesandten ohne jede Sympathie begegneten.(8) Überhaupt scheinen die einzigen Irakis, die für eine größere Rolle der UN im Land votierten, die „Widerstandskämpfer“ aus Falluja zu sein, die via Al-Jazeera ein stärkeres Engagement der Weltorganisation einforderten.(9)
Angesichts des Sondergesandten ist dies kein Wunder: Brahimi, Mitbegründer der Union islamischer Studenten in Algerien, repräsentiert nicht nur den gesamtideellen arabischen Nationalisten, der reflexhaft für jede Unbill in der Region Israel und die Juden verantwortlich macht, sondern zugleich den Prototypen des UN-Funktionärs, der sein Handwerk in der nominalsozialistischen algerischen FES gelernt und in den Fluren der arabischen Liga vertieft hat.
Mit Brahimis Wahl führt die UN im Irak allerdings lediglich eine Politik fort, die sie seit spätestens 1990 mit – wie sich immer deutlicher zeigt – großem Erfolg betrieben hat. Unangenehm erinnern die Ausfälle Brahimis an jene Zeiten, als die UN im Irak die wichtigste Rolle spielte und dem Wiederaufbau in dem heruntergewirtschafteten Land ihre eigene Prägung aufzwangen. Es geht um jenes Öl-für-Nahrungsmittel-Programm, das Kofi Annan noch am 20. November 2003 als eine der erfolgreichsten humanitären Missionen in der Geschichte der Weltorganisation pries, und das sich inzwischen als der wohl größte Korruptionsskandal des vergangenen Jahrhunderts entpuppt. Statt die Bäuche hungriger Kinder füllte das Programm vor allem Schwarzkonten Saddams und die Taschen aller bekannten Irakkriegsgegner. Millionen von Dollar flossen auf Konten von dem Irak wohlgesonnenen Politikern und Unternehmen, in erster Linie aus Frankreich und Rußland – jenen Ländern also, die gemeinsam mit Deutschland als „Achse des Friedens“ alles unternahmen, den Sturz des irakischen Diktators zu verhindern.
„Angesichts der mir vorliegenden Fakten hat die UN in ihrer Verantwortlichkeit gegenüber den Irakern und der Internationalen Gemeinschaft vollkommen versagt“, klagte kürzlich ein vom irakischen Übergangsrat zur Untersuchung des Falls beauftragter Jurist, Claude Hankes-Drielsma. Das Öl-für-Nahrungsmittel-Programm habe sich „als einer der weltweit peinlichsten Korruptionsfälle entpuppt, als Beispiel von mangelnder Kontrolle, Verantwortlichkeit und Transparenz, das Saddam Hussein als Instrument diente, um unter den Augen der UN seine Terrorherrschaft fortzuführen und seinen Unterdrückungsapparat auszubauen.“(10)
Es scheint, als habe Saddam Hussein insgesamt von den geschätzten 90 Milliarden Dollar, die Oil for Food in sechs Jahren seit 1997 einbrachten, sowie aus geduldetem Ölschmuggel über die Nachbarländer des Irak 10 Milliarden „abgezweigt“, die auf schwarze Konten flossen, statt – wie eigentlich vorgesehen – der Bevölkerung zugute zu kommen, die nach Angaben der UN zu 60% von dem Programm abhing. So erklärt sich auch, warum im selbstverwalteten irakischen Kurdistan, wo immerhin eine minimale Kontrolle des Programms funktionierte, eine merkliche Besserung der Situation eintrat, während die irakische Propaganda weiter über Tausende von Kindern im Süd- und Zentralirak klagte, die angeblich aufgrund des UN-Sanktionsregimes verhungerten.
Die ursprüngliche Idee des Oil for Food-Programms bestand darin, den Irak kontrolliert Öl verkaufen zu lassen, mit dessen Erlös über ein UN-Treuhandkonto Nahrungsmittel und Medizin für die leidende irakische Bevölkerung importiert werden sollten. Auf diese Weise sollte den Irakern geholfen und das Regime daran gehindert werden, Waffen und Dual-Use-Güter zu beschaffen. Möglichst große Transparenz bei den irakischen Ankäufen und bei seinem Finanzgebaren sollten ebenfalls gewährleistet werden. Um die Kontrolle der Verkäufe garantieren zu können, erhielten die UN aus jedem verkauftem Barrel irakischen Öl 2,2% für Verwaltungskosten und beschäftigten sowohl im Irak wie in Washington mehrere tausend Mitarbeiter zur Überwachung des Programms.
Die UN stellten es dem irakischen Diktator allerdings nicht nur frei, selbst die Firmen auszusuchen, die mit dem Einkauf von Gütern beauftragt wurden, sondern sie sorgten auch für Diskretion bei der Abwicklung, indem sie die Namen dieser Firmen geheimhielten. So erstaunt es wenig, was für dubiose Geschäftspartner nun ruchbar werden.
Am 15. April 2004 stellte das amerikanische Finanzministerium eine Liste von acht irakischen Firmen vor, die für das Regime „Waffen beschafften, Gelder verschoben und im Auftrag irakischer Geheimdienste handelten“. Unter diesen Firmen befindet sich beispielsweise die al-Wasel & Babel General Trading mit Sitz in Bagdad. Gegründet wurde die staatseigene irakische Firma eigenen Angaben zufolge i.J. 1999 vor allem als Vertragspartner zur Abwicklung des Öl-für-Nahrungsmittel-Abkommens. Laut Informationen des US-Finanzministeriums war al-Wasel vornehmlich damit beschäftigt, für Saddams Regime Waffen zu schmuggeln und Gelder zu waschen.(11) Geleitet wurde die Firma von Walid al-Kubaisi. Die al-Kubaisis sind eine Sippe aus dem „sunnitischen Dreieck“, die sich durch besondere Loyalität zu Saddam Hussein auszeichnete. Es mag Zufall sein, daß die „Irakische Patriotische Allianz“, die als Kooperationspartner europäischer Linker beim Einsammeln von Spendengeldern für den Terror im Irak auftritt, von einem Ahmed al-Kubaisi geführt wird (12) und die salafitischen Kämpfer in Falluja ebenfalls unter der Führung eines Kubaisi stehen. Seit langem aber erhärtet sich der Verdacht, daß Gelder der irakischen Regierung vor Kriegsbeginn gezielt an Organisationen verschoben wurden, die später den „Widerstand“ anführten.
Träfe dies zu, so würden heute irakische Zivilisten mit Hilfe des Geldes in die Luft gesprengt, das ursprünglich für ihre Versorgung bestimmt gewesen war. Wie eine Untersuchungskommission des US-Kongresses kürzlich bekannt gab, sind Gelder von syrischen Banken, die offizielle Kontraktoren von Oil for Food waren, aber auch irakische Schwarzgelddepots führten, an Fatiq Suleiman al-Majid geflossen, der als Mittelsmann des „Widerstandes“ fungiert.(13) Es gibt darüber hinaus starke Hinweise, dass Saddam das profitable Programm nicht nur genutzt hat, um die PLO und andere Parteien, die sich im Nahen Osten aktiv zu seinen Gunsten einsetzten, finanziell entsprechend zu honorieren und den Familien von Islambombern in Palästina großzügige Alimente zu zahlen, sondern international Unternehmen, Politiker, Parteien und Organisationen geschmiert hat.
Im vergangenen Jahr fand der Journalist Marc Perelman eine seltsame finanzielle Querverbindung zwischen Saddam und dem Terrornetzwerk al-Qaida heraus. Eine Vertragsfirma des UN-Programms, die in Liechtenstein ansässige Asat Trust, die ihre Geschäfte mit der Bank al-Taqwa auf den Bahamas abwickelte, wurde in einem nach dem 11. September 2001 veröffentlichten UN-Terrorreport als „mit al-Qaida eng verbunden“ eingestuft.(14) Al-Taqwa wiederum befindet sich diesem Report zufolge im Besitz der Muslimbruderschaft, und in ihrem Aufsichtsrat saß eine Zeitlang auch der Neonazi und Islamkonvertit Ahmed Huber. Laut US-amerikanischer Regierung „sammelt, verwaltet und investiert“ al-Tawqa Gelder für al-Qaida und „versorgt terroristische Unterstützer“. Schon 1996 vermutete die italienische Antiterroreinheit DIGOS, das über al-Taqwa Gruppierungen wie die Hamas, die ägyptische Jammaa Islamia und die algerische GIA finanziell unterstützt werden.(15)
Kofigate
Der Trick, den Saddam nutzte, um an die Milliarden zu kommen, bestand in erster Stelle darin, Ölgutscheine weit unter Marktpreis für importierte Güter und andere Dienstleistungen auszugeben, die die Empfänger dann zum bis zu 30% höheren Weltmarktpreis einlösen konnten. Einen Teil des Geldes behielt der Empfänger, der andere wurde auf schwarze Konten rücküberwiesen. Hinzu kommt, daß Saddams Vertragsfirmen phantastische Preise für die von ihnen gelieferten Waren verlangten. Die Hälfte des Surplus’, der zwischen 10 und 100% des Marktpreises betrug, strich ebenfalls der irakische Staat ein.
Ölgutscheine wurden auch direkt als Schmiergelder für Saddam wohlgesonnene Personen und Institutionen verwendet. Am 25. Januar 2004 veröffentlichte die irakische Zeitung al-Mada eine Liste aus den Unterlagen des irakischen Ölministeriums, auf der sich 270 Personen und Institutionen befinden, unter anderem der ehemalige französische Innenminister Charles Pasqua, die indonesische Präsidentin Megawiti Sukarnoputri, der libanesische Parlamentspräsident und ein Verwandter von Ghaddafi. Allein die russische Regierung erhielt Gutscheine im Wert von 1,36 Milliarden US-Dollar; zudem werden die Kommunistische Partei, Lukoil, Yukos, Gasprom, die orthodoxe Kirche und Wladimir Schirinowski in der Liste aufgeführt.(16) Den Löwenanteil des Oil for Food-Geschäfts bekamen neben arabischen Firmen Frankreich und Rußland, deren Ölfirmen ca. 40% der Förderlizenzen im Irak innehatten.(17) Auch der Name des prominenten Embargogegners und schottischen Ex-Labourabgeordneten George Galloway, der die internationale Kampagne gegen den Irakkrieg moralisch angeführt hat, taucht auf der Liste auf. Weiterhin profitierten neben vielen anderen auch die Österreichisch-Arabische Gesellschaft, die PLO, der libysche Premierminister, die ukrainischen Kommunisten, die serbische sozialistische Partei, die russisch-orthodoxe Kirche und Jean-Marie Le Pens Irak-Solidaritätsvereinigung von Geldern, die eigentlich für die Versorgung der irakischen Bevölkerung vorgesehen waren.(18)
Pikanterweise findet sich auf der Liste auch der Name Bevon Sevan. Sevan war der von Kofi Annan eingesetzte Leiter von Oil for Food. Unter seiner Ägide verpflichteten sich die UN gegenüber dem Irak darauf, alle Verträge, die mit Firmen geschlossen wurden, geheim zu halten. Außerdem erweiterte Sevan das Mandat des Programms bis hin zu jenem Oil for Food Plus, das 2002 in Kraft trat und dem Irak wieder ermöglichte, Mobiliar, Autos und Telekommunikation, unter anderem für den Bedarf des irakischen Informationsministeriums (50 Millionen) und des Justizministeriums, dem einige Geheimdienste unterstanden, über UN-Treuhandkonten einzuführen. Auch Uday Hussein konnte so für sein Hobby, den Ausbau eines Olympiastadions in Bagdad, Bewilligungen in Höhe von 20 Millionen US-Dollar durchsetzen.(19) ABC News behauptet, über einen Brief des ehemaligen irakischen Ölministers aus dem Jahr 1998 zu verfügen, in dem dieser Sevan fragt, über welche Firma er seinen Anteil von Ölgutscheinen in Höhevon 3,5 Millionen Barrel einlösen wolle.(20) Aber auch Kofi Annan höchstpersönlich steht nun unter Verdacht: Überwachte bis ins Jahr 1998 die britische Lloyd’s die Lieferungen an den Irak, so erhielt in diesem Jahr die Schweizer Firma Cotecta Inspections den Job. Ausgerechnet in dieser Firma arbeitete Annans Sohn Koyo seinerzeit als Berater.(21)
All diese Einzelheiten kamen ohne Kooperation der UN ans Licht, sie wurden von Journalisten recherchiert und vom irakischen Regierungsrat publiziert. Bislang liegen auch die Unterlagen der BNP Paribas, einer französischen Bank, über die das Programm abgewickelt wurde, noch nicht vor. Hauptaktionär von Paribas ist Nadhmi Auchi, der seit 1990 im Irak-Ölgeschäft tätig ist und Kontakte zu Elf Aquitaine pflegte.(22)
Nachdem in der amerikanischen und irakischen Presse immer lautere Fragen gestellt wurden und Kofi Annan einer Untersuchung zugestimmt hatte, schickte Annans Sekretariat, wie jetzt bekannt wurde, am 14. April 2004 einen Brief an Saybolt International, einer Vertragsfirma des Programms, mit dem deutlichen Hinweis auf die vertraglich geregelte Vertraulichkeit. Ein gleichlautendes Schreiben ging auch an Contecta, jene Firma also, die mit der Überwachung der Shipments in den Irak beauftragt war.(23) Mit der „Aufklärung“ der Vorwürfe wurde nunmehr ein Untersuchungsausschuß der UN beauftragt, dessen Mitglieder handverlesen und von Kofi Annan eingesetzt wurden und die wiederum nur dem Generalsekretariat gegenüber berichtspflichtig sind. Dabei wird voraussichtlich genau soviel herauskommen, wie von einer Untersuchung zu erwarten ist, die ein Beschuldigter selbst durchführt. Bereits nach wenigen Wochen meldete das Sekretariat Kofi Annans pflichtschuldigst, daß noch keinerlei Hinweise gefunden worden seien – und kritisierte in scharfem Ton, daß die Übergangsverwaltung der Koalitionstruppen im Irak die Verwendung von Geldern aus dem Ölverkauf seit Sommer 2003 bis dato nicht vollständig offengelegt hat.
Beruhigend dagegen ist die Tatsache, daß die USA ganz unilateral handeln: Inzwischen sind verschiedene Untersuchungsausschüsse auf den Skandal angesetzt und selbst Zeitungen wie die New York Times verfolgen „Kofigate“(24) mit wachsendem Abscheu. Anders das alte Europa: Rußland wollte eine UN-Untersuchungskommission unterbinden, und auch in keinem anderen Land wird eine Untersuchung des Oil-for-Food-Skandals angestrebt.
Der Geschichte der UN fügt der Korruptionsskandal um den Irak vermutlich kaum mehr als ein weiteres Beispiel für die Funktionsweise der Organisation hinzu. Ein wesentliches Charakteristikum, das nicht fehlen darf, wurde nämlich noch nicht erwähnt: Das Yanquee Stadion. Der Begriff steht für den Vorwurf, die UN seien von den USA kontrolliert und willfährige Helfer der US-Politik im Nahen Osten. Besonders beliebt ist der Vorwurf bei jenen, die es nun einmal wirklich besser wissen müssten. So wurde auf dem Irak-Tribunal nach dem Vorbild der Russell-Tribunale auch die Forderung erhoben, Kofi Annan müsse vor Gericht gestellt werden, weil dieser nicht getan habe, was ihm möglich gewesen sei, nämlich den US-amerikanischen Angriff auf den Irak zu verhindern. Veranstaltungen wie dieser galt Moynihans Zorn. „Es ist höchste Zeit“, schrieb er damals, „dass die amerikanischen Vertreter auf internationalen Foren gefürchtet werden für die Wahrheiten, die sie aussprechen. Und es sollte der Vergangenheit angehören, dass wir uns für eine unperfekte Demokratie entschuldigen.“

Thomas von der Osten-Sacken / Thomas Uwer (Bahamas 45/2004)

Anmerkungen:
1) Daniel Patrick Moynihan: The United States in Opposition,in: Commentary Magazine, No. 3, Vol. 59, März 1975.
2) Eigentlich waren es sogar drei Ereignisse. Das dritte und bis heute bedeutsamste war die Wahl Chinas zum ständigen Vertreter im UN-Sicherheitsrat. Die USA hatten Taiwan vorgeschlagen.
3) Im Original: »The United States of America has been colonized by the Zionists who hold all the tools of development and power. They own virtually all the banking institutions, the major manufacturing and processing industries and the major means of communication; and have so much infiltrated the CIA that they are posing a great threat to nations and peoples which may be opposed to the atrocious Zionist movement. They have turned the CIA into a murder squad to eliminate any form of just resistance anywhere in the world.« Zit. nach Mark Gerson: Norman’s Conquest: A Commentary on the Podhoretz Legacy, in: Policy Review, Nr. 74, Herbst 1995.
4) UN-Botschafter wurde Moynihan übrigens nicht, wie mitunter behauptet wird, unter Nixon, sondern unter Ford.
5) Benny Avni: Israel’s Envoy Protests Role of Mr. Brahimi, in: New York Sun, 27.4.2004
6) Dr Sabah A. Salih: Why the Kurds have reason to be wary of Lakhdar Brahimi, in: KurdishMedia.com, 2.5.2004
7) Ebd.
8) Michael Rubin: „Betrayal“; Iraqis are hesitant to trust the U.S., in: National Review Online, 19.4.2004.
9) Ebd.
10) Zit. nach: Claudia Rosett: The Oil-for-Food Scam: What Did Kofi Annan Know, and When Did He Know It? In: Commentary Magazine, 16.4.2004.
11) US-Treasury, Press Statement, 15.4.2004, „Treasury Designates Front Companies, Corrupt Officials Controlled by Saddam Hussein’s Regime“, http://www.treas.gov/press/releases/js1331.htm
12) Al Kubaisi ist gerne gesehener Gast auf linken Veranstaltungen zum Irak und wird vor allem von der Antiimperialistischen Koordination Wien und der jungen Welt beworben.
13) Niles Lathem: U. N. Oil $$ linked to Iraqi Terrorists, in: New York Post, 19. 7. 2004
14) Marc Perelman: Oil for Food Sales seen as Iraq tie to Al Qaida, in: Forward, 20. 6. 2003
15) Claudia Rosett: Oil-for-Terror; U.N. Iraq money may have ended up in accounts tied to al Qaeda and the Taliban, in: Opinion Journal, 28. 4. 2004.
16) The Saddam Oil Vouchers Affair von Dr. Nimrod Raphaeli in: Memri – Inquiry and Analysis Series – No. 164 vom 20.2.2004 – www.memri.org
17) Carrie Satterlee: „Facts on Who Benefits from Keeping Saddam Hussein in Power“, Heritage Foundation WebMemo Nr. 217 v. 28.2.2003. In einer Kongreßanhörung erklärte Claude Hanke-Drielsma, die Untersuchung ergebe eine offensichtliche Verbindung zwischen den finanziellen Interessen der Länder, die Saddam Hussein unterstützt hätten, auf Kosten der irakischen Bevölkerung und ihrer vehement vorgetragenen Kriegsgegnerschaft.
18) The Saddam Oil Vouchers Affair a.a.O.
19) Claudia Rosett: The Oil-for-Food Scam: What Did Kofi Annan Know, and When Did He Know It? A.a.O.
20) ABC News, 22.4.2004
21) Claudia Rosett: Kojo & Kofi; Unbelievable U.N. Stories, in: National Review Online, 10. 3. 2004
22) Diese Information stammt aus dem hervorragend recherchierten Buch von Kenneth Timmermann: The French Betrayal of America, New York 2004. Timmermann deckt die engen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Irak auf, vor allem die Männerfreundschaft zwischen Jacques Chirac und Saddam Hussein.
23) Claudia Rosett: „We Have Other Priorities“; Why won’t the U.N. answer questions about its Iraq scandal?, in: Opinion Journal, 5.5.2004.
24) In Europa war es die Schweizer Weltwoche, die dem Thema einen längeren Artikel unter dieser Überschrift widmete. Deutschen Medien sind zwar Unregelmäßigkeiten in Millionenhöhe amerikanischer Konzerne im Irak lange Artikel wert, der Oil-for-Food-Skandal wird dagegen schlicht verschwiegen.