Tuesday, August 22, 2006

Terroralarm: Deutschland soll bestraft werden

Nun hat der islamistische Terror auch Deutschland im Visier. Bisher war Deutschland eher Ruhe- und Rückzugs-, auch Vorbereitungsbasis. Ein Gastkommentar von Michael Wolffsohn zur neuen Strategie der Terroristen.
Berlin - Man erinnere sich an den 11. September 2001. Die "Hamburger Zelle" hatte ihn entscheidend vorbereitet und durchgeführt. Ihre Verästelungen, das zeigt sich jetzt im Zusammenhang mit den in London vereitelten Terrorplänen, reichen bis in die Gegenwart.
Als Ruhebasis war Deutschland für die Terroristen fast ideal: Die Professionalität und Effizienz unserer Sicherheitsdienste zählen nicht zur europäischen Spitzenklasse. Das liegt auch daran, dass Spitzenleute durch die ideologische Diskriminierung von Sicherheit nicht gerade motiviert werden. Um politisch nicht unkorrekt zu handeln, überlegt es sich jeder Beamte zweimal, ob er Sicherheitsüberprüfungen von muslimischen oder anderen Ausländern anordnet. Wer setzt sich schon freiwillig dem Vorwurf aus, "Muslime unter Generalverdacht zu stellen"? Die amerika- und israelfeindliche Stoßrichtung des Terrors ist zudem in bestimmten deutschen Kreisen nicht ganz unpopulär.
Der Plan der Bombenleger ist misslungen, doch ihre Botschaft klar: Deutschland ist nicht mehr Ruhe-, sondern Aktionsbasis des islamistischen Terrors. Eine Ruhebasis gibt man nicht leichtfertig, sondern nur bei einem Strategiewechsel auf. Was also ist die neue Strategie? Genaues wissen wir noch nicht, aber einiges. Einer der Täter mit den Vornamen Youssef Mohamad stammt aus dem Libanon und hat in Kiel studiert. Das Muster kennen wir von Mohammed Atta, einem der Todespiloten vom 11. September 2001. Er stammte aus Ägypten, studierte in Hamburg, und sein Vater ist Anwalt. Auch Youssef Mohamad dürfte ein Mann der gebildeten, durchaus strategisch handelnden Mittel- oder Oberschicht seines Heimatlandes sein. Seine biografischen und sozioökonomischen Daten sind denen anderer Topterroristen vergleichbar. Er ist Sunnit. Die letzten Wochen haben gezeigt, wie sehr sich auch die libanesischen Sunniten mit der vom Iran und Syrien gesteuerten Schiitenmiliz Hisbollah inzwischen identifizieren. Die Täterspur führt also zur Strategie des Iran und Syriens.
Sowohl im Iran als auch in Syrien stößt die deutsche Nahost-Politik auf massiven Widerstand. Außenminister Steinmeier sagte seinen Damaskus-Besuch ab. Präsident Assad propagiert offen Krieg, und Deutschland will aktiv Frieden vermitteln. Beides passt nicht zusammen. Zwar erfolgte Steinmeiers Absage deutlich nach dem versuchten Bombenanschlag, aber die strategische Verstimmung bestand schon vorher.
Noch viel tiefer sind die iranisch-deutschen Differenzen. Schon die rot-grüne Bundesregierung wollte sich nicht mehr mit papierenen Protesten gegen die nukleare Aufrüstung des Iran begnügen. Auf der letzten Sitzung des rot-grünen Kabinetts wurde (mit Zustimmung der neuen, großen Koalition) im November 2005 beschlossen, Israel ein fünftes deutsches U-Boot teils zu schenken, teils zu verkaufen. Jedermann kennt den Zweck dieser U-Boote: Sie verschaffen Israel die Möglichkeit eines nuklearen Zweitschlages im Falle eines erlittenen Erstschlages. Von wem und woher wäre mit einem solchen Erstschlag zu rechnen? Er käme aus dem Iran. Für die nukleare Aufrüstung des Iran ist demnach Deutschland ein Störfaktor.
Die große Koalition setzte Mitte Juli noch eins drauf: Mit den UN-Vetomächten beschloss sie, den Weltsicherheitsrat die iranische Atompolitik erörtern und gegebenenfalls Strafmaßnahmen dagegen verhängen zu lassen. Genau da gab Teheran der Hisbollah grünes Licht für den Überfall auf israelische Soldaten. Es folgte der Libanon-Krieg, der zeigte: Der Iran kann auch ohne Atombombe Nahost-Brände auslösen. Der Libanon-Krieg hat Deutschland nur indirekt betroffen. Doch sollte es fast gleichzeitig mit Terror getroffen werden. Der Iran will Deutschland zum Strategiewechsel, also zur Aufgabe Israels zwingen, denn Deutschland sagt nicht nur, es werde die Existenz Israels sichern, es handelt auch entsprechend. Der iranische Präsident Ahmadi-Nedschad sagt offen: "Israel muss zerstört werden." Er rühmt Hitlers Ziel der Judenvernichtung und wollte Deutschland sogar als Partner seines Nahost-Holocausts gewinnen. Das misslang. "Strafe muss sein."
Bislang hat Deutschland konsequent bewiesen, dass es sich einem neuen Holocaust innen- und außenpolitisch massiv widersetzt. Wird es, kann es diese Politik auch angesichts der Öl- und Terrorwaffe des Iran fortsetzen, oder wird es sich erpressen lassen?
Der Autor ist Historiker an der Universität der Bundeswehr in München
DIEWELT.de

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