Thursday, November 09, 2006

Möllemann light

Angst vor Syrien.
Der Waffenschmuggel geht weiter von ivo bozic
Es war eine der zahlreichen Medienpannen des amtierenden US-Präsidenten. Weil die Mikrofone noch aufgedreht waren, bekam die Welt im Juli beim G8-Gipfel zu hören, wie George W. Bush die Lage im Libanon ein­schätz­te: »Syrien sollte die Hizbollah dazu bringen, mit dieser Scheiße aufzuhören«, raunte er Tony Blair zu und offenbarte damit einerseits eine recht naive Sicht der Dinge, andererseits brachte er das Dilemma auf den Punkt: Den Libanon stabilisieren, schön und gut, doch solange Syrien der Hizbollah nicht nur im übertragenen Sinne Feuerschutz gibt, ist eine dauerhafte Befriedung der Region nicht absehbar.
Auch Israel will weiterhin den Libanon stabilisieren. »Unser Interesse ist es, dass Fuad Siniora an der Macht bleibt«, betonte der israelische Gesandte Ilan Mor am vergangenen Donnerstag in einem Gespräch mit der Jungle World. Der Libanon stelle keine strategische Bedrohung Israels dar, weder politisch noch militärisch. Auch der Iran sei erst auf dem Weg, zu einer strategischen Bedrohung zu werden. Problem und Lösung lägen zurzeit in Syrien.
Dass Syrien und der Iran an einem Sturz der libanesischen Regierung arbeiteten, wie ­Bushs Pressesprecher Tony Snow erklärt hat, wies die Hizbollah zwar als »lächerlich« zurück. Doch dass die syrische Regierung die Hiz­bollah unterstützt und der Waffenschmuggel in den Libanon wieder floriert, pfeifen die Spat­zen von den Dächern. In der vergangenen Woche erst berichteten libanesische Behörden von solchen Waffentransporten über die syrische Grenze. Die syrische Regierung bestreitet dies nicht, weist aber jede Verantwortung von sich. Offenbar gibt es für den Schmuggel auch Beweise, wie Israels Justizminister Meir Shitreet der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge sagte, allerdings sei es ihm aus »politischen Gründen« nicht möglich, sie vorzulegen.
Welche »politischen Gründe« das sind, ist klar: Man hat Angst davor, die libanesische Regierung weiter zu schwächen – eine höchst fra­gile Regierung, in der Hizbollah-Minister mitwirken und die den Brandstifter nicht offen anzuklagen wagt, da er es sich längst auf der Wohnzimmercouch gemütlich gemacht hat.
Um die Bedeutung Syriens wissen alle politischen Akteure. Auch der britische Premierminister dürfte nicht erst durch den hemdsärmeligen Hinweis Bushs davon erfahren haben. Blair hat jetzt seinen wichtigsten außenpolitischen Berater, Nigel Sheinwald, zu Gesprächen nach Damaskus entsandt, er selbst plant noch in diesem Jahr eine Reise dorthin. Aber auch die Gegner Israels kennen das strategische Gewicht Syriens: Iran und Venezuela haben gerade gemeinsam mit der Regierung in Damaskus eine Absichtserklärung zum Bau einer großen Erdölraffinerie in Syrien unterschrieben, um Syriens Wirtschaft und das System zu stärken.
Natürlich weiß man auch in Deutschland, dass Syrien die Schlüsselrolle spielt. Die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Kreuzfahrt der Bundesmarine vor der libanesischen Küste ist deshalb berechtigt. Wenn allerdings die FDP erklärt: »Diese Seefahrt ist nicht lustig«, dann sind die Motive wohl weniger in der Frage nach der Effizienz des Einsatzes, als in der von Anfang an geäußerten Absicht zu suchen, »nicht parteiisch« sein zu wollen. Westerwelle mache »den Möllemann light«, sagte dazu ein Politiker des Auswärtigen Amtes in der vergangen Woche der Jungle World. Eine Aussage, die sich auf jeden übertragen lässt, der sich scheut, die Verantwortung Syriens deutlich beim Namen zu nennen, und den Bundeswehreinsatz deshalb in Frage stellt, weil es eventuell zu Konfrontation mit der Hizbollah kommen könnte.
jungle-world

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