Das Urteil einer Richterin, das Schläge gegen eine Ehefrau mit dem Verweis auf den Koran rechtfertigt, zeigt, welche Gefahr der Kulturrelativismus für die Rechtsordnung darstellt. Nicht jede Kultur ist schützenswert.
Der Begriff „Kultur“ hat in den vergangenen Jahrzehnten eine verhängnisvolle Karriere gemacht. „Kultur“ gilt demnach an und für sich als ein positiver Wert. Wer sich bei seinen Handlungen auf seine „Kultur“ beruft, kann sich in der aufgeklärten Öffentlichkeit von vorneherein des Verständnisses und einer gewissen ehrfürchtigen Zurückhaltung bei der Beurteilung seiner Taten sicher sein.
Diese ehrfürchtige Scheu rührt vom Trauma des Kolonialismus her. Weil damals die Sitten und Gebräuche unterworfener Völker verachtet und mit Füßen getreten wurden, will heute kein aufgeklärter Mensch mehr den Eindruck erwecken, er bringe fremden kulturellen Gepflogenheiten Geringschätzung entgegen.
Darüber wurde vergessen, dass Kulturen nicht voraussetzungslos schützenswert und unantastbar sind. Kulturen können vielmehr grausam, mörderisch und menschenunwürdig sein, und es ist die Pflicht der zivilisierten Menschheit, die Einzelnen vor der Unterwerfung unter brutale Gebote ihrer eigene Kultur zu schützen.
Ein Essayist hat die dunkle Seite der Kultur einmal in dem Aphorismus zugespitzt: „Zivilisation ist, wenn jemand, der einem anderen den Schädel eingeschlagen hat, vor Gericht gestellt wird. Kultur ist, wenn er aus dem Schädel seines Opfers eine schöne Trinkschale anfertigt.“
Die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit eines Menschen verstößt gegen die Menschenwürde und damit gegen die grundlegenden Menschenrechte. Diese sind universal und stehen absolut über allen Vorschriften, die aus einer bestimmten kulturellen Tradition abgeleitet werden. Wie Religionen sind Kulturen nur akzeptabel, wenn sie sich fähig zeigen, diese Vorherrschaft des universalen Rechts anzuerkennen und umzusetzen.
Doch längst haben sich Unterdrücker und Menschenschinder jeglicher Couleur das positive Image des Begriffs „Kultur“ zunutze gemacht und rechtfertigen ihre Untaten mit dem Verweis auf ihre kulturellen Eigenheiten, die mit fremden Maßstäben nicht beurteilt werden dürften. Nur allzu häufig müssen universale Grundrechte daher gegen die Ansprüche von „Kulturen“ durchgesetzt werden. Dies zu tun, ist die oberste Verpflichtung eines liberalen demokratischen Rechtsstaats.
Dass eine Frankfurter Richterin dies vergessen konnte, zeigt, wie weit das kulturrelativistische Denken unter dem Deckmantel eines falsch verstandenen „Multikulturalismus“ und einer irregeleiteten Vorstellung von „Integration“ bereits in das gesellschaftliche Bewusstsein durchgesickert ist. Es ist daher gut, dass eine Sprecherin des „Zentralrats der Muslime“ unzweideutig feststellte: "Die Richterin hätte nach der deutschen Verfassung urteilen müssen statt den Koran auszulegen."
Frauen, wie alle Menschen, vor Schlägen zu schützen, ist freilich wiederum nicht nur das Gebot einer spezifisch deutschen Rechtsauffassung oder „Leitkultur“. Es ist ein universales zivilisatorisches Grundgebot, dem sich die deutsche Rechtsprechung absolut verpflichtet fühlen muss.
Richard Herzinger
msn-nachrichten
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