Wednesday, October 01, 2008

Rasse statt Klasse - Zum aktuellen Stand der Rassismuskritik

JAN HUISKENS
Als Hans Mentz in seiner Titanic-Humorkritik über einen neuen Film Eddie Murphys schrieb, dieser sei „ein solch unsympathisches Machwerk, dass man zum Rassisten werden könnte“, rechnete er nicht damit, dass die Satirezeitschrift auch Leser hat, die weder des Lesens mächtig sind, noch über Humor verfügen. Noah Sow, Medientante („Popstars“), Musikerin und Autorin, hält das zitierte Statement Mentz’ in einem eigens für ignorante Weiße eingerichteten Rassismustest in ihrem Buch Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus für dringend des Rassismus verdächtig: „Warum Hans Mentz den Impuls verspürt, er könnte, wenn er nicht aufpasst, Schwarze Menschen ganz generell als minderwertig betrachten (= ‚Rassist werden’), weil er einen beliebigen Schwarzen irgendetwas tun sieht, was ihn persönlich nicht genug amüsiert, ist das klarer Rassismus. […] Den Beweis tritt er im nachfolgenden Nebensatz auch gleich selbst an, denn komplett lautet das Zitat: ‚Murphys neuer Film ‚Mr. Doolittle’ ist ein solch unsympathisches Machwerk, dass man zum Rassisten werden könnte, wenn man in gewisser Hinsicht nicht schon einer wäre.’ Den Konjunktiv und die ‚gewisse Hinsicht’ können wir da ruhig streichen.“ (S. 69) Dass eine, die nicht schreiben kann („Warum er den Impuls verspürt, ist das Rassismus“!), auch gerne Konjunktive aus Sätzen ausstreicht, die sie nicht versteht, verwundert kaum. Das Problem ist, dass sich dieser Mangel an Intellekt auf das ganze Buch ausdehnt und damit die wenigen Vorzüge, die das Buch gegenüber anderen zum Thema hat, entwertet. Die bisweilen scharfen Beobachtungen aus dem Alltag werden in das Schema der critical whiteness theory gepresst und verlieren deshalb an Präzision. Denn wo die in der Tat rassistische Identifizierung jeglichen Tuns oder Nichttuns von Schwarzen mit ihrer Hautfarbe und einer daraus resultierenden grundlegenden Andersartigkeit verknüpft wird, schreibt die critical whiteness theory dieses identitäre Gebaren noch fest, indem sie die Weißen fühlen lassen möchte, was Schwarze erleben. Dass Weiße sich nie dafür rechtfertigen müssten, warum sie in Deutschland sind, wie Sow behauptet, ist so offenkundig falsch, dass man das Bemühen, alles in ein Schwarz-Weiß-Schema aufzulösen, hinter jeder Ecke vorlugen sieht.
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prodomo

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