Monday, May 13, 2013

Queen`s Speech: Tories `not amused´

von Gerrit Liskow
Die in Groß Britannien seit fast einem Jahr schwelende Krise in der Koalition von Pemierminister Cameron aus der Conservative Party und den Liberal Democrats seines Vizes, Nick Clegg, hat in der letzten Woche deutlich an Brisanz gewonnen.
Etliche Abgeordnete der Tories haben für diese Woche eine Abstimmung im Unterhaus angemeldet um zum Ausdruck zu bringen, dass das britische Parlament mit einem wesentlichen Punkt der Queen´s Speech nicht einverstanden ist: das ominöse Fehlen eines Referendums über “Projekt Europa”.
Der Antrag der Tory-Backbencher kommt auf dem Rücken einer empfindlichen Wahlschlappe, die die konservative Partei bei den jüngst durchgeführten Kommunalwahlen einstecken musste.
Backbencher sind übrigens nicht etwa die “unwichtigen” Abgeordneten, sondern diejenigen MPs, die nur die Interessen ihrer Wahlkreise und nicht auch noch die Interessen ihrer Ministerien in Westminster zu vertreten haben.
Der Antrag der euroskeptischen Tory-Rebellen soll ihren Parlamentskollegen zur Wahl stellen, “einem Ausdruck des Bedauerns” zuzustimmen, weil die Regierungserklärung kein “Gesetz über ein Referendum” bezüglich des Verbleibs Groß Britanniens in der EU in Aussicht gestellt hat.
Zuvor hatte Mr Cameron in einer persönlichen Erklärung ein solches Referendum für das nächste Parlament (das ab 2015) in Aussicht gestellt. Bereits diese Ankündigung war erst durch erheblichen innenpolitischen Druck zustande gekommen und gilt als ein wenig zweifelhaft, zumal es unüblich ist, dass das amtierende Parlament seine Nachfolger beauftragt, bestimmte Gesetze zu erlassen.
Zudem gilt es seit dem Kommunalwahl-Debakel von vorletzter Woche allgemein als unwahrscheinlich, dass Mr Cameron nach 2015 wieder Chef einer Regierung sein könnte, an der die Tories in irgendeiner Form, Farbe oder Größe beteiligt wären.
Mr Cameron zwischen Baum und Borke
Mit der Abstimmung über die Regierungserklärung wäre die in Groß Britannien lange nicht dagewesene Situation geschaffen, dass Teile der regierenden Partei mit zentralen Punkten der Exekutive in den offenen, parlamentarischen Konflikt gehen.
Das Misstrauen zwischen der Tory Party und ihren Wählern auf der einen Seite, und Mr Cameron und seinen Kabinetts- und Koalitions-LibDems auf der anderen Seite wäre damit vertieft, vor allem aber öffentlich nur sehr schwierig zu leugnen.
Über die konservativen Kabinettsminister wurde bereits spekuliert, ob und wenn ja welche von ihnen sich dem Antrag ihrer Parlamentskollegen anschließen könnten; darunter politische Schwergewichte wie Theresa May (Innenministerin) und Iain Duncan Smith (ehemaliger Parteivorsitzender und heutiger Arbeits- und Rentenminister).
Auch das Verhalten von Philipp Hammond (Verteidigungsminister), Michael Gove (Bildungsminister), Chris Grayling (Justizminister), Owen Paterson (Umweltminister) in einer Abstimmung über die Regierungserklärung gilt als unklar.
Es wird auch Mr Cameron nicht entgehen können, dass die Revolte praktisch seines halben Kabinetts ihn in seiner Funktion als Premierminister politisch überflüssig machen könnte.
Sollten alle 100 Minister und Staatssekretäre der Tories den Vorschlag im Parlament unterstützen, würde das als denkbar peinliche Kritik an Mr Camerons Regierungskurs angesehen werden.
Auch waren die öffentlich betriebenen Spekulationen über Mrs Mays Aussichten auf den Job in 10, Downing Street, erst vor zwei Monaten mit viel Getöse zum Schweigen gebracht worden.
Angesichts der Abstimmung im Unterhaus wurde Ende letzter Woche schließlich eine Selbstkontrolle mit den Ministern vereinbart. Mr Camerons Kabinettskollegen wollen sich bei der euroskeptischen Abstimmung am Donnerstag enthalten; “freiwillig”, wie die offizielle Sprachregelung seitdem nicht müde wird zu betonen.
Und auch Mr Cameron war bemüht zu beteuern, dass es doch letztlich nur seinem Koalitionsvertrag mit den LibDems geschuldet wäre, dass er sich zu keinerlei grundsätzlichen Schritten bezüglich des von ihm bereits in Aussicht gestellten Referendums durchringen können würde.
Wie es nun dazu kommen konnte, dass die beiden Worte “Referendum” und “Europa” in der Queen´s Speech nicht ein einziges Mal im Zusammenhang erscheinen, ist überhaupt nicht rätselhaft und Ihre Majestät dürfte damit überhaupt nur das Wenigste zu tun gehabt haben.
Denn selbstverständlich stünde es der Monarchin, der verfassungsmäßigen Verkörperung der staatlichen Souveränität, nicht sehr gut zu Gesicht, aus dem “Vorschlag”, den die Regierung Ihrer Majestät an den Buckingham Palast schickt, Themen eigenmächtig wegzulassen oder gar zu ergänzen.
Insofern ist die politische Akzentsetzung in der als Gracious Speech / Gnädige Ansprache bekannten Regierungserklärung unzweifelhaft das Produkt einer Exekutive, deren Chef bekanntlich in einer leutseligen Nebenstraße von Whitehall haust.
Jeder weiß, dass das Büro des Premierministers die Themen vorgibt, und einen Text “vorschlägt”, der ohne Änderungen akzeptabel ist, und der letztlich nur deshalb vom Staatsoberhaupt verlesen werden sollte, weil es sich nun mal um die Regieung Ihrer Majestät handelt, zumindest dem Namen nach.
Die halbautonome Sonderwirtschaftszone, das ehemalige Groß Britannien?
Was den praktischen Ausgang der angekündigten Abstimmung über ein EU-Referendum betrifft, ist davon auszugehen, dass die LibDems und Labour sich dagegen aussprechen werden, dem Elektorat irgendeine Mitbestimmung über britische “Europa”-Politik einzuräumen.
Das “Projekt Europa” steht auf den britischen Inseln nämlich in dem Ruf, die seit vielen Jahrhunderten praktizierte demokratische Selbstregierung abschaffen und durch unkontrollierbare Interessen in Brüssel ersetzen zu wollen.
LibDems und Labour sehen der Selbstabschaffung der britischen Demokratie durch “mehr Europa” und “Integration” Groß Britanniens in einen föderalen Über-Staat offenbar voller Zuversicht entgegen und scheinen sich von ihrer Auslieferung an die Brüsseler Beamtendiktatur vielleicht nicht zu letzt auch persönlich so manches zu versprechen.
Die konservative Partei ist in der Frage offensichtlich gespalten, kommt mit ihrer “Ja, äh nein, äh ja, äh nein”-Politik bei den Wählerinnen und Wählern aber nicht mehr so richtig gut an, was sich bei den vor zwei Wochen stattgefundenden Kommunalwahlen gezeigt hat und sich selbstverständlich auch zu den Tory-Abgeordneten in Whitehall herumgesprochen hat.
Die UK Independence Party von Mr Farage liegt in Wahlen und Umfragen derzeit im Aufwind und setzt sich dafür ein, politische Kompetenzen aus Brüssel zurückzugewinnen um die demokratische Entscheidungsfähigkeit des Landes wiederherzustellen.
Die übrigen Beziehungen zu “Europa” sollen auf dem Niveau eines Freihandelsabkommens unter anderen fortgesetzt werden, sofern der demokratischen Entscheidungsfähigkeit von Groß Britannien dadurch kein unziemlicher Schaden entseht.
Das sind politische Positionen, die das Talent haben, die Koalition politisch zu spalten, und die bei langjährigen Nichtwählern, ehemaligen Tories und desillusionierten Labour-Wählern in Umfragen und Wahlen gerade punkten.
Berechnungen zufolge ist ab 2015 dennoch eine Labour-Regierung mit einer hauchdünnen Mehrheit möglich, sollte sich der Trend aus den Kommunalwahlen bei Parlamentswahlen bestätigen.
Das wäre allerdings weniger der politischen Stärke von Labour geschuldet, sonden dem Umstand, dass angesichts der sich untereinander in drei Fraktionen bekämpfenden politischen Gegner von Labour bereits verhältnismäßig niedrige einfache Mehrheiten genügen, damit Labour das Mandat erlangt.

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