Monday, July 01, 2013

Spur der Steine

Wieder einmal schlägt der alltägliche palästinensische Terror zu und in Deutschland herrscht beredtes Schweigen. Dieses Mal traf es ein prominentes israelisches Opfer: die aus der Satire-Sendung Latma TV bekannte Schauspielerin Ronit Awrahamof Shapira, ihr Mann, sowie ihre beiden Kinder wurden von palästinensischen Steinewerfern attackiert als sie mit dem Auto durch die Westbank fuhren. Nur die schnelle Reaktion ihres Manns verhinderte Schlimmeres. Auf ihrer Facebook-Seite berichtet sie über den Vorfall:
„Als wir mit dem Auto in Samaria unterwegs waren, sieht Leizi [der Ehemann von Shapira] plötzlich Steine auf der Straße und versteht sofort was los ist. Er ruft mir zu, ich solle die Kinder im Rücksitz schützen, und in unglaublicher Geschwindigkeit: ein Stein (nicht nur ein Stein. Stellen Sie sich einen großen Stein vor, und dann noch ein bisschen größer. In etwa die Größe einer schönen Grapefruit) durchschlägt das Fenster neben mir. Glasssplitter überall. Auf meinem Körper, einfach überall, auch auf unseren Babys. Sie liegen unschuldig in ihren Sitzen, bedeckt von Tausenden großen und kleinen Glassplittern […] Ich bin verletzt. Blut. Ein bisschen nur, trotzdem es ist Blut. Auf dem Gesicht, auf den Händen. Auf den Beinen meiner Babys. Wir flüchten um unser Leben. In Todesangst, dass weitere Steine folgen. Ich bin mir nicht sicher, was los ist. Werden wir beschossen? Wenn der Stein das Auto trifft, tut dies einen lauten Schlag, so wie Gewehrschüsse. […] Glücklicherweise verliert Leizi nicht die Kontrolle über das Lenkrad. Glücklicherwiese hat er mir rechtzeitig zugerufen, mich zum Schutz über die Kinder zu werfen, sodass die meisten Glassplitter mich trafen und ich nicht vom Stein am Kopf getroffen wurde. Bitte, lass es uns nur heil zum nächsten Checkpoint schaffen! Wir haben es geschafft. Wir können uns von unserem Schock erholen. Oder nicht. Ich zittere immer noch. Wir sehen nach, ob alle Ok sind. Gott sei Dank sind wir es. […] Es timmt, sie haben gerade versucht, uns zu ermorden und wir sind heil davon gekommen.“
Aber nicht alle überleben diese heimtückischen Steinattacken. Der 5 Monate alte Yehuda Shoham starb 2001 bei einem ähnlichen palästinensischen Angriff, als ein großer Stein die Windschutzscheibe durchschlug und ihm den Schädel spaltete. Oder Asher Palmer und sein 12 Monate alter Sohn Yonatan, die Ende 2011 in der Nähe von Hebron durch den Steinwurf eines Palästinensers auf ihr Auto starben. Anfang März dieses Jahres traf es die 2-jährige Adele Bitton, die mit ihrer Mutter und zwei Schwestern auf der Route 5 bei Ariel unterwegs war. Auch ihr Auto wurde bei voller Fahrt von einem Stein getroffen, sodass die Mutter die Kontrolle verlor und das Auto mit einem parkenden Lastwagen zusammenstieß. Zwei Monate rang die kleine Adele mit dem Tod und verbringt jetzt ihren Sommer nicht im Garten, sondern in der Rehaklinik.
Über keinen dieser Vorfälle werden Sie in einer deutschen Zeitung etwas erfahren können. Denn es interessiert sich keiner der vielen Nahost-Korrespondenten für die Leiden der jüdischen Bewohner der Westbank. Für Sebastian Engelbrecht, Peter Münch oder Ulrike Putz sind dies ja auch keine Menschen, sondern „Siedler“, moderne Dämonen. Gewalt gegen sie ist, wenn nicht legitim, so zumindest uninteressant.
Während beispielsweise der Journalist Christian Wagner am 31. Mai im deutschen Staatsfunk etwas von „jüdischer Gewalt“ fantasierte (gibt es so etwas wie palästinensische, amerikanische oder deutsche Gewalt?), gemeint waren die abartigen terroristischen „Preisschild“-Attacken einiger rechtsnationalistischer Siedler; derweil entging ihm völlig, dass es kurz zuvor, in der Woche zwischen dem 13. und dem 20. Mai, zu mindestens 98 Angriffen gegen Israelis durch Steinwürfe kam. Das bedeutet: jeden Tag wurde durchschnittlich 14 Mal mit Steinen nach Menschen geworfen und damit in Kauf genommen, diese zu töten.
Zu Zielscheiben wurden diese Menschen,weil sie Juden waren.
Und die Situation verschlechtert sich zunehmend. Während es im Jahr 2010 „nur“ 3.636 solcher Angriffe mit Steinen von Palästinensern gegen Israelis gab, stieg die Zahl bis Ende 2012 auf 4.731 Steinwürfe. Zusätzlich kam es im letzten Jahr zu 15 Schusswaffenangriffen sowie 642 Angriffen mit Molotov-Cocktails durch Palästinenser, wie der israelische Inlandsgeheimdienst Shin Bet berichtet. Ja, bei solchen Dimensionen sollte man vor allem und ausschließlich über „jüdische Gewalt“ nachdenken.
Dass es bei Angriffen mit 5 bis 10 Kilogramm schweren Steinen nicht zu deutlich mehr Toten kommt, ist vor allem, wie im Falle der Shapiras, der Aufmerksamkeit israelischer Fahrer geschuldet, dem Umstand, dass viele Autos bereits mit einer Sicherheitsverglasung ausgestattet sind, und natürlich dem Glück.
Es ist aber durchaus aufschlussreich, dass es deutsche Journalisten nicht zu interessieren scheint, wenn jüdische Familien, die mit ihrem Auto in der Westbank unterwegs sind, nicht mehr ihres Lebens sicher sind.
Für sie zählt stattdessen nur die „jüdische Gewalt“. Ganz ohne Frage, jüdisch-israelische Terroristen sind so widerlich wie jede Form des Terrorismus, aber sie bilden die Ausnahme. Das zeigt die Statistik: so gab es laut Shin Bet im gesamten Jahr 2012 ganze 18 Terrorattacken durch jüdisch-nationalistische Terroristen, die „Preisschild“-Attacken eingeschlossen.
Aber warum Fakten, wenn es die Imagination auch tut. Und so verbreiten deutsche Märchenonkel und -tanten weiter ihre Geschichten aus 1001 Nacht, in denen es von „jüdischer Gewalt“ nur so wimmelt, aber kein einziger steinewerfender Palästinenser mit Mordabsichten vorkommt. Karl May hätte seine Freude daran gehabt.
Kevin Zdiara/achgut

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