Friday, October 11, 2013

Türkischer TV-Moderation gekündigt – weil sie zu tief blicken liess


Grosse Entrüstung in der Türkei: Ein TV-Sender hat eine Moderatorin gefeuert, nachdem ein Sprecher der Regierungspartei AKP ihr tiefes Dekolleté kritisiert hatte. Das türkische Volk ist empört. Eine hitzige Debatte ist entbrannt. Die türkische Moderatorin Gözde Kansu springt über die Bühne und lächelt dabei sympathisch in die Kamera. Doch das wird ab sofort nicht mehr möglich sein: Der hübschen Moderatorin wurde gekündigt, weil sie das falsche Kleid trug. Oder besser gesagt: Sie liess bei ihrem Auftritt zu tief in ihr Dekolleté blicken. Das gefiel nicht etwa ihrem Chef nicht, nein, Hüseyin Celik meldete sich nach der Sendung öffentlich und beklagte sich über die zu sexy angezogene Moderatorin. Und das ist kein geringerer als der Sprecher der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Erdogan. «Wir mischen uns nicht in die Lebensweisen anderen Menschen ein. Aber das ist zu viel. Das ist auch weltweit inakzeptabel. Nirgends auf der Welt kann das toleriert werden», sagte Hüseyin Celik. Kaum hatte der AKP-Sprecher sich lauthals beschwert, war Kansu ihren Job los. Mit der Kritik des AKP-Mannes habe das aber natürlich nichts zu tun, hiess es beim Sender ATV. Die Entscheidung, sich von Kansu zu trennen, sei schon vorher getroffen worden. Doch das glauben in der türkischen Öffentlichkeit nur die wenigsten. Die meisten sind überzeugt, dass Kansu schlicht zu sexy für Erdogans fromme Regierung angezogen war. Brisant dabei: Der Sender ATV gehört zu einem Konzern, der von Berat Albayrak geführt wird - einem Schwiegersohn des Ministerpräsidenten. Celik stritt zwar jede Verantwortung für die Entlassung ab, doch für viele Beobachter dokumentiert der Vorfall die wachsende Macht islamisch-konservativer Kreise über die türkische Gesellschaft. Entsprechend scharf fiel die Kritik aus. «Lasst die Frauen in Ruhe», forderte die bekannte Politologin Deniz Ülke Aribogan und ergänzte: «Die Grenzen eines Dekolletés dürfen nicht von der Politik gesetzt werden.» Der Sänger Onur Akay sagt, dass er immer noch nicht verstanden habe, ob Celik ein Modemacher oder ein Politiker sei. Die hitzige Debatte um ein Dekolleté einer Moderatorin kommt für die Erdogan-Regierung denkbar ungünstig. Erst Ende September hat die Regierung das Verbot des Kopftuches in staatlichen Institutionen aufgehoben (wir berichteten). Damit dürfen unter anderem Lehrerinnen mit einem Kopftuch arbeiten. Regierungs-Kritiker fürchten, dass damit Druck auf Frauen entstehen könnte, die ihr Haar nach wie vor unverhüllt tragen. Viele globaldenkende Kritiker sprechen von einem weiteren Schritt Richtung Islam. Moderator Cüneyt Özdemir zeigt sich wütend: «Warum bestimmen eigentlich immer Männer, wie sich Frauen anzuziehen haben?» Und auch TV-Produzent und Anwalt Armagan Caglayan äusserst sich kritisch: «Es wird von nun an kaum noch möglich sein, dass Fernsehmoderatorinnen sich frei anziehen können.»
oltnertagblatt

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