Wednesday, November 27, 2013

Kampf um den Islam an einer deutschen Uni

Im Bundespräsidialamt hielt man den Termin zunächst für einfach: Joachim Gauck fährt nach Münster, um sich über die Ausbildung von Lehrern für islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen zu informieren. Doch wenn der Bundespräsident am Donnerstag das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) an der Universität Münster besucht, gerät er in einen brisanten Konflikt. Seit Wochen gärt in Münster ein Grundsatzstreit über drei Fragen. Erstens: Was dürfen muslimische Verbände an einer deutschen Universität bestimmen? Zweitens: Was darf der Staat den Verbänden vorschreiben? Drittens: Wie viel Freiheit brauchen Wissenschaftler wie die Münsteraner Theologen Mouhanad Khorchide und Ahmad Milad Karimi? Die beiden bilden am 2011 geschaffenen ZIT islamische Religionslehrer aus, weil immer mehr Bundesländer wollen, dass muslimische Kinder an den Schulen glaubensgemäß unterrichtet werden. Aber die Ausbildung jener Islamlehrer – am ZIT gibt es insgesamt rund 400 Studierende – unterscheidet sich vom Studium christlicher Religionspädagogik in einem Punkt grundlegend: Es gibt im Islam keine repräsentativen Organisationen, die als Körperschaften analog zu den Kirchen an der bekenntnisorientierten Lehrerausbildung beteiligt werden könnten. Das führt zu einer kaum lösbaren Frage: Wer legt fest, was dem Islam entspricht? Wer sagt, was Khorchide und Karimi lehren sollen? Als Notbehelf wurde am ZIT ein achtköpfiger Beirat entworfen, dessen Mitglieder je zur Hälfte von der Uni und vom Koordinationsrat der Muslime (KRM) berufen werden sollen. Dabei aber gab es Ärger. Denn der Islamrat, einer der vier Verbände im KRM, benannte für den Beirat den Islamrat-Generalsekretär Burhan Kesici. Aber die Bundesregierung, die das ZIT mitfinanziert, zweifelt an der Verfassungstreue von Kesici und blockierte seine Berufung. Doch längst sitzt Kesici in Nordrhein-Westfalen in einem anderen Beirat. Der befindet in NRW über schulische Lehrpläne für den islamischen Religionsunterricht. Da darf Kesici mittun. Nicht am ZIT. Das Verhältnis des Staates zum Islam ist widersprüchlich. Eine Person wird mal akzeptiert, mal nicht. Zwar wurde jetzt ein Ersatz für Kesici gefunden, die Berliner Islamlehrerin Rukyie Kurtbecer. Gegen sie hat die Bundesregierung keine Einwände, wie die "Welt" im Innenministerium erfuhr. Aber für Münster bringt das noch keine Lösung. Weil nämlich Kesici nicht berufen werden durfte und Kurtbecer erst nur nominiert ist, konnte sich der ZIT-Beirat bislang nicht konstituieren. Folglich ist alles in Münster nur vorläufig. Doch ausgerechnet in diesem Schwebezustand begannen die muslimischen Verbände zu provozieren. Aiman Mazyeck, Vorsitzender des im KRM vertretenen Zentralrats der Muslime, warf kürzlich dem ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide vor, nicht wie ein Vertreter einer bekenntnisorientierten Religion zu argumentieren, sondern wie ein weltlicher Orientalist. Khorchide, so Mazyeck, rede "nicht wie ein Islamlehrer". Khorchide wolle in Münster die Mitsprache der muslimischen Verbände "kappen". Khorchide stelle sich damit "gegen die Verfassung". Mazyeck kündigte ein KRM-Gutachten an, in dem man Khorchides "sogenannte Theologie genauer unter die Lupe nehmen" wolle. So etwas wagen christliche Kirchen trotz ihrer sichereren Rechtsverhältnisse bei ihren Theologie-Professoren nur in Ausnahmefällen. Sind Professoren erst einmal akzeptiert (was bei Khorchide der Fall ist), müssen sie schon vom Bekenntnis oder von zentralen Dogmen abfallen, ehe die Kirchen gegen sie vorgehen. Ein Abfall von islamischen Grundlehren aber lässt sich bei Khorchide, 1971 in Beirut geboren und über Wien nach Münster gekommen, nicht feststellen. Schon deshalb, weil es im Islam nicht jene festen Bekenntnisse gibt, auf die sich christliche Konfessionen gründen. Zudem wirbt Khorchide in seinen Büchern gerade für die Theologie des Islam, für einen nach seinem Verständnis menschenfreundlichen Glauben, den man nicht mit zeitgebundenen Gesetzen des ersten Jahrtausends verwechseln dürfe. Im Gespräch mit der "Welt" wehrt sich Khorchide gegen den Eindruck, er seit so etwas wie ein Liberalisierer, der Theologie ignoriere. "Ehrlich gesagt", so Khorchide, "weiß ich nicht, was mir der Zentralrat der Muslime vorwirft. Herr Mazyek sagt nicht, dass ich zu liberal wäre. Vielmehr erklärt er nur, ich würde nicht bekenntnisorientiert arbeiten, um dann aber zu sagen, dass meine Bücher und meine Lehre nichts beinhalten, was es nicht in der Tradition islamischer Theologie gäbe. Letzteres stimmt ja auch: Nichts von dem, was ich sage und schreibe, steht im Widerspruch zu den klaren Grundsätzen des Islam." Für Khorchide steht es "im Einklang mit der Tradition unseres Glaubens, wenn ich den Islam nicht restriktiv auffasse, sondern ihn in einem dialogischen Verhältnis zwischen Gott und den Menschen gründen sehe". Darüber wolle er persönlich mit Mazyek sprechen, aber der habe "bislang leider nicht auf mein Gesprächsangebot geantwortet".
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