Tuesday, February 11, 2014

Kanadische Ermittlungen führten offenbar zu Edathy

Das Ermittlungsverfahren gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy hat internationale Bezüge, die auf einen längeren zeitlichen Vorlauf schließen lassen. Hinweise auf Edathy fanden sich in umfangreichem Material, das die kanadische Polizei in den vergangenen drei Jahren bei Ermittlungen gegen einen internationalen Kinderporno-Ring sicherstellte. Das berichtet der "Spiegel". Dabei handelt es sich um Ermittlungen, die bereits im April 2013 bekannt wurden und im November abgeschlossen worden waren. Ausgangspunkt der Operation, die unter dem Codenamen "Spade" lief, war eine Undercover-Kontaktaufnahme der kanadischen Polizei in Toronto. Bis Ende 2013 waren in diesem Zusammenhang mehr als 340 Personen festgenommen worden, die kinderpornografische Fotos und Filme in Kanada, den USA und anderen Ländern über das Internet gehandelt haben sollen. Unter den Opfern sollen, neben fünf- bis zwölfjährigen Jungen aus Osteuropa, auch Kinder aus Deutschland gewesen sein. Die "Welt" erfuhr aus Sicherheitskreisen, dass das Bundeskriminalamt (BKA) vor einiger Zeit im Rahmen der Bekämpfung der Kinderpornographie strafrechtlich relevante Informationen an die zuständige Staatsanwaltschaft Hannover übermittelt habe. Das BKA selbst wollte sich allerdings dazu ebenso wenig äußern, wie die Staatsanwaltschaft. Nach Einschätzungen aus Ermittlerkreisen handelt es sich laut NDR bei dem Verdacht um einen minderschweren Fall. Der Verdacht erscheint ungeheuerlich. Was sollte Sebastian Edathy, der am Freitag überraschend – "aus Gesundheitsgründen", wie er schrieb – zurückgetretene Bundestagsabgeordnete und Innenpolitikexperte seiner Fraktion, mit Kinderpornos zu tun gehabt haben? Edathy hat den Vorwurf des Besitzes mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen. "Die öffentliche Behauptung, ich befände mich im Besitz kinderpornographischer Schriften bzw. hätte mir diese verschafft, ist unwahr", erklärte Edathy am Dienstag auf seiner Facebook-Seite. "Ich gehe davon aus, dass die Unschuldsvermutung auch für mich gilt. – Ein strafbares Verhalten liegt nicht vor", schreibt der 44-Jährige weiter. Und viele im politischen Berlin würden ihm das auch nur allzu gern glauben, so integer und korrekt wie Edathy bislang wahrgenommen wurde – parteiübergreifend. Der Mann, der sich durch seine umsichtige Leitung des NSU-Untersuchungsausschuss bei Freunden ebenso wie bei politischen Gegnern Achtung und Respekt verdient hat, ein Pädophiler? Die Nachwuchshoffnung seiner Partei, der unerschrockene Aufklärer, der Verfassungsschützer, Bundeskriminalamt und der rechtsextremistischen Szene gleichermaßen die Stirn geboten hatte, bei der Aufklärung all der amtlichen Versäumnisse rund um die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds? Das mag niemand glauben. Und so verging fast ein halber Tag, bevor am Dienstag entsprechende Recherchen des niedersächsischen Lokalblatts "Die Harke" breit aufgegriffen wurden. Das Blatt hatte in seiner vorab im Netz publizierten Dienstagsausgabe von einer Hausdurchsuchung in Edathys Rehburger Wohnung und in seinem Büro in der Nienburger Georgstraße berichtet. Durch ein Zimmerfenster von außen geschossene Fotos zeigten aufgetürmte Einrichtungsgegenstände und einen Polizeibeamten. Die Wohnungstür hatte aufgebrochen werden müssen, Edathy war persönlich nicht anwesend. Später hieß es, er sei im Ausland. Berichte, wonach auch das Bundestagsbüro von Edathy durchsucht worden sei, wurde sowohl von der SPD-Fraktion als auch von der Bundestagsverwaltung als falsch zurückgewiesen. "Es wurde kein Bundestagsbüro durchsucht", sagte Bundestags-Sprecher Ernst Hebeker. Die federführende Staatsanwaltschaft Hannover verweigerte zunächst jede Auskunft. Möglicherweise werde man sich aber am Mittwoch äußern, hieß es. Der Bundestag – also der Bundestagspräsident beziehungsweise der Vorsitzende des Immunitätsausschusses – war nicht über ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy informiert. Auch seine Partei ließ sich zunächst Zeit, in der Sache Stellung zu beziehen. Auf drängendes Nachfragen erklärte sich dann zuerst die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht bestätigte, dass gegen Edathy wegen des Verdachts auf Kinderpornografie ermittelt werde. "Wir sind alle sehr bestürzt", sagte sie. "Die gegen Sebastian Edathy geäußerten Vorwürfe wiegen schwer und müssen sorgfältig, schnell und umfassend aufgeklärt werden", erklärte dann auch der Generalsekretär der niedersächsischen SPD, Detlef Tanke. So bestürzt seine Parteifreunde auch reagierten, völlig unvorbereitet kann zumindest die Spitzen-Genossen der Verdacht gegen Edathy nicht getroffen haben. Wie die "Welt" erfuhr, ist bereits seit November vergangenen Jahres innerhalb der SPD-Fraktion klar, dass Edathy – als bis dahin aufsteigender Stern der SPD im Bundestag – seine Karriere in der folgenden Legislaturperiode nicht fortsetzen sollte. Entsprechend hat sich zu diesem Zeitpunkt der SPD-Innenexperte Michael Hartmann vor Parteifreunden geäußert, wie aus Fraktionskreisen zu erfahren war.
abendblatt

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