Unter strengster Geheimhaltung sind erstmals 30 palästinensische Studenten nach Auschwitz gereist. In palästinensischen Medien löste die Reise scharfe Kritik aus.
Die Geheimhaltung durchbrach Amira Hass, eine in Ramallah lebende israelische Journalistin der Tageszeitung „Ha‘aretz“. In palästinensischen Medien wird die Reise als „Verrat“ und „Normalisierung“ mit Israel kritisiert. Die palästinensische Al-Quds-Universität distanzierte sich von Professor Mohammed S. Dajani, der die Fahrt unter der Leitung von zwei Holocaustüberlebenden organisiert hatte.Dajani war 25 Jahre lang wegen seiner Aktivitäten für die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) im Libanon in den siebziger Jahren aus Israel verbannt. Heute ist er Professor für Amerikanische Studien an der Jerusalemer Al-Quds-Universität. 2011 beteiligte er sich an einer aufsehenerregenden Reise von Juden, Moslems und Christen aus Israel nach Auschwitz. Für ihn war das ein einschneidendes Erlebnis. Daraus entstand ein Artikel für die Tageszeitung „New York Times“ mit dem Titel „Warum Palästinenser über den Holocaust lernen sollten“.
Die Initiative für die Reise der Palästinenser ergriffen Studenten der Al-Quds-Universität in Jerusalem, der Bir-Seit-Universität bei Ramallah, der Friedrich Schiller-Universität in Jena und der israelischen Ben-Gurion-Universität. Der Rahmen ist ein gemeinschaftliches Projekt zu Versöhnung und Konfliktlösung. 70 Studenten bewarben sich. Fünf von ihnen sprangen wegen Drucks aus ihrer Umgebung vorzeitig ab. Insgesamt gab es nur 30 Plätze.
Palästinenser befassen sich mit dem Leid der Juden in der Nazi-Zeit
Im Rahmen des Programms wurden israelische Studenten durch Besuche in palästinensischen Flüchtlingslagern mit der „Nakba“ konfrontiert, der „Katastrophe“ der Palästinenser infolge der Staatsgründung Israels 1948. Mit der Fahrt nach Polen sollten sich Palästinenser mit den Leiden der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus auseinander setzen. Am Ende sollen Doktoranden der beteiligten Universität die psychologischen Auswirkungen auf beide Gruppen untersuchen. Für sie gilt es zu erforschen, ob die Konfrontation mit den jeweiligen historischen Narrativen der anderen Seite den Studenten hilft, ihre „Feinde“ besser zu verstehen und ob dies Bemühungen um Versöhnung und Koexistenz erleichtert.Noch ist die palästinensische Studentengruppe aus Auschwitz nicht zurückgekehrt. Doch wie der palästinensische Journalist Chaled Abu Toameh beim „Gatestone Institut“ berichtet, hat die Reise bereits erhebliche Kontroversen in palästinensischen Medien ausgelöst, bis hin zur Forderung, Professor Dajani und seine Studenten zu „bestrafen“. Es gab aber auch Leserbriefe, die Dajanis Reise verteidigten: „Wir haben alles politisiert, außer der Entwendung öffentlicher Gelder. Ist es in Ordnung, Millionen Dollar vom Volk zu stehlen, aber nicht in Ordnung, eine akademische Studienreise vorzunehmen?“
Universität distanziert sich von Professor
Mit einer offiziellen Erklärung distanzierte sich die Al-Quds-Universität auf ihrer Internetseite von Dajani. Er habe nicht im Rahmen seines Mandats gehandelt, zumal die Al-Quds-Universität seit 2009 alle akademischen Kontakte mit israelischen Einrichtungen boykottiere.Die Al-Quds-Universität machte in jüngster Zeit vor allem in den USA Schlagzeilen, nachdem Studenten der islamistischen Hamas -Organisation auf dem Campus in schwarzer Uniform und mit zum „Hitlergruß“ ausgestreckten Armen eine Parade abgehalten haben. Im November hatten deshalb mehrere angesehene amerikanische Universitäten ihre Kontakte mit der Al-Quds-Universität abgebrochen, trotz einer formellen Entschuldigung des Präsidenten der Universität, Professor Sari Nusseibeh. Als es dieser Tage erneut einen ähnlichen Aufmarsch gab, hat Nusseibeh seinen Rücktritt eingereicht. Er unterhält enge Kontakte zu Israelis und ist ein prominenter palästinensischer Verfechter des Dialogs und einer „Normalisierung“ mit Israel.
Von Ulrich W. Sahm via INN
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