Wednesday, October 01, 2014

Der Konsequente

Im vergangenen Bundestagswahlkampf war es der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der sich über Antisemitismus in der Partei Die Linke echauffierte. Herablassend ließ er in einer Talkshow Sahra Wagenknecht wissen, “solange sie ein ungeklärtes Verhältnis [..] zu dieser Frage haben, wird die deutsche SPD mit ihnen keine Koalition machen”.
Man konnte diesen Auftritt Sigmar Gabriels sicher abtun als “ein Armutszeugnis” oder “eine bodenlose Frechheit ohne Beispiel, die in normalen Zeiten ein politisches Nachspiel” hätte haben müssen. Gleichwohl warf Sigmar Gabriel eine Frage auf, vor der auch er sich gewöhnlich lieber versteckt: Wie gehen deutsche Parteien mit Antisemitismus in den eigenen Reihen um?
Heute, gut ein Jahr nachdem er mit einem Antisemitismusvorwurf wahlkämpfte, könnte der zwischenzeitlich zum Minister beförderte SPD-Vorsitzende nämlich unter Beweis stellen, daß er Problembewußtsein in “dieser Frage” nicht bloß geheuchelt hat. Einer seiner Genossen, und zwar ein nicht eben unbekannter, meint, die israelische Regierung und islamistische Gangster gleichsetzen zu dürfen.
Kann man aus verschiedenen Gründen unzufrieden darüber sein, wie die von Benjamin Netanjahu geführte Regierung in diesem Sommer auf “palästinensischen” Terrorismus reagierte, ist es keine Kritik mehr, ihr “ein wirkliches Interesse an einem dauerhaften Frieden” abzusprechen, über “die radikalen Kräfte in beiden Lagern” zu schwadronieren und zu klagen:
“Aber auch die vormals gemäßigten Kräfte in der israelischen Gesellschaft haben sich, vermutlich aus tiefer Verunsicherung, in den vergangenen Jahren verändert. Und diese Veränderung führt leider nicht in Richtung eines friedlichen Zusammenlebens.”
Potzblitz, gibt es überhaupt noch einen jüdischen Bürger Israels, der ein friedliches Zusammenleben will? Mit wem? Die Regierung “radikal” wie die Hamas, die “vormals gemäßigten Kräfte” verändert und auf einem Pfad, der “nicht in Richtung eines friedlichen Zusammenlebens” führt – waren da nicht eine Entführung und Ermordung dreier Jugendlicher? Raketenhagel aus Gaza?
“[D]ie vielen zivilen Opfer zeigen, dass die israelische Armee hier die vom Völkerrecht geforderte Verhältnismäßigkeit der Mittel oft völlig missachtet.”
Vier Wochen lang hat Reinhold Robbe, SPD-Mitglied und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), nach einem Brief an SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann auf dessen Stellungnahme gewartet – vergeblich. “Es sei unprofessionell und beschämend, wenn ausgerechnet der sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion sich ‘in vereinfachender und geradezu populistischer Weise’ äußere”, erklärt Reinhold Robbe.
“Ich habe für das Interview viel Zustimmung aus der SPD erhalten”, bekräftigt Rainer Arnold gegenüber der Welt seine Aussagen. Und Sigmar Gabriel schweigt. Noch immer. Mit seiner Fraktion und Rainer Arnold kann man jederzeit eine “Koalition machen”, denn antisemitisch sind offenbar immer nur die anderen.
 tw24

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