Monday, October 27, 2014

Überflüssiges Geschenk

Es gibt viele Möglichkeiten, den Holocaust zu verharmlosen. Eine von ihnen ist der »Vergleich«, der gleichsetzt. Ausgerechnet auf dem Portal Die Achse des Guten und aus der Feder Henryk M. Broders Spott über »das alberne und unverantwortliche Gerede von der >Singularität des Holocaust<« lesen zu müssen, ist daher bedauerlich.
Mit der Behauptung eines »syrischen Holocaust« verfolgt der Publizist unter Berufung auf eine Ausstellung des United States Holocaust Memorial Museum in Washington gewiss nur gute Absichten, nämlich auf Verbrechen aufmerksam zu machen, die ohne Frage furchtbar sind, doch nicht immer ist gut gemeint auch wirklich gut.
Ist es sicherlich auch ein wenig makaber, eine Art »Hitparade« von Verbrechen aufzustellen, ist es der Verzicht auf die Betonung von Unterschieden erst recht. Setzt man nämlich letztlich alle Verbrechen gleich, verharmlost man gewaltig oder übertreibt. Findet in Syrien tatsächlich eine Neuauflage des Holocaust statt, ein »syrischer Holocaust«?
Warum darf es kein Völkermord sein, ein Begriff, der, falls er angebracht ist, dem Geschehen in Syrien doch nichts von seinem Schrecken nehmen würde? Im Holocaust wurden Juden als Juden verfolgt und ermordet. Auch die Flucht war nicht unbedingt eine Alternative; viele Staaten schlossen ihre Grenzen, trotzdem sie wussten oder ahnten, welches Schicksal Juden in Europa erwartete.
Flüchtlinge aus Syrien werden gewiss nirgends mit offenen Armen empfangen. Doch ist sich die Welt sehr bewusst, dass sie nicht einfach abgewiesen und zurückgeschickt werden können. Widerstand gegen den IS, der seinen Anteil zur Fluchtbewegung beiträgt, wird sogar militärisch unterstützt. Von Deutschen und deren Helfern gejagte Juden hatten solche Unterstützung nicht.
Auch Wohlverhalten oder Unterwerfung als zweifellos alles andere als angenehme Überlebens-Optionen gab es für Juden gegenüber ihren Verfolgern nicht. Wenn dagegen selbst deutsche Unions-Politiker angesichts des Leids in Syrien oder im IS-Irak menschliche Regungen verspüren und hilfsbereit sein wollen, dann ist das mehr als das, auf was Juden je hoffen konnten.
Mit seiner Formulierung vom »alberne[n] und unverantwortliche[n] Gerede von der >Singularität des Holocaust<« und einem »syrischen Holocaust« macht Henryk M. Broder den Weg frei, in Gaza das Ghetto von Warschau wiederzuentdecken, die DDR mit Nazideutschland gleichzusetzen oder in Muslimen die »Juden von heute« und in Juden die »Nazis von heute« zu sehen.
Mit seinem unverantwortlichen Geschwätz hat Henryk M. Broder möglicherweise vielen unappetitlichen Gestalten ein nicht unwillkommenes Geschenk gemacht. Schade.
 tw24

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