von Gerrit Liskow
Nach der vollständigen Auszählung aller Stimmen steht fest, dass die
UK Independence Party die gestrigen Nachwahlen in Rochester und Strood,
Kent, mit 42% und recht komfortablem Abstand für sich entscheiden
konnte.
Zuvor hatte Mark Reckless, MP, seine Parteimitgliedschaft von Tories
zu UKIP gewechselt und sein Parlamentsmandat im Unterhaus freiwillig zur
Wahl gestellt. Mr Reckless konnte die Wahl mit 2.900 Stimmen bzw. 8%
Vorsprung für sich entscheiden und bleibt somit MP; nur eben nicht mehr
für Mr Camerons „Conservative Party“, sondern UKIP.
Auf die Kandidatin der Tories, eine leidenschaftliche
„Israel-Kritikerin“, entfielen 34%, auf den Labour-Mann knapp 14%. Die
britische Sozialdemokratie hatte diesen Wahlkreis bis zur Gebietsreform
von 2010 als „sicheres Mandat“ betrachtet. Die Liberalen fielen von 16%
auf knapp 1% der Stimmen, entwickeln sich also weiter auf dem Niveau der
FDP.
Die Wahl wurde mit Spannung verfolgt, zumal Rochester-and-Strood nur
auf Platz 271 aller Wahlkreise liegt, in der die UK Independence Party
bei den Allgemeinen Wahlen 2015 wahrscheinlich ein Parlamentsmandat
erringen könnte. Vom demografischen Profil her entspricht der Wahlkreis
dem nationalen Durchschnitt recht gut: Die Bevölkerung ist hier
lediglich etwas jünger, besser ausgebildet, wohlhabender und seltener
arbeitslos als der statistische Durchschnitt.
Für Mr Cameron und „Mehr Europa“ verheißt dieses Ergebnis wenig
Gutes. Immerhin wohnt in Rochester jene politische Kundschaft, die auch
seine Tories gerne bedienen würden. Deswegen hatte Mr Cameron sein trotz
allem Malheur in den letzten vier Jahren nicht unerhebliches
politisches Gewicht in die Waagschale geworfen und alle Tory-MPs dazu
verdonnert, mindestens einmal beim Wahlkampf in Rochester zu erscheinen.
Man sieht nun, mit welchem Ergebnis.
Zum anderen dürfte die zunehmend gegen die EU und nicht etwa gegen
Europa gerichtete Stimmung auf den britischen Inseln auch im
„politischen“ Berlin nicht unbemerkt bleiben. Jaja, liebe Freunde von
„Deutschland in Europa“: ohne Großbritannien in der EU könnte das ein
sehr teures Hobby werden, das Ihr Euch da ausgesucht habt! Bemerkenswert
ist in diesem Zusammenhang, dass die UK Independence Party ihre
Wahlkämpfe offenbar führt um Mandate zu gewinnen - und nicht um Recht zu
behalten, liebe Professorenpartei.
Labour, Mrs Thornberry und: Wie man es nicht macht
Noch während der gestrigen Stimmabgabe schoss Emily Thornberry, MP
für die britische Sozialdemokratie, ein bildhübsches Eigentor, das sie
inzwischen um ihren sicher geglaubten Job als nächste
Generalstaatsanwältin (und Justizministerin) in einem hypothetischen
Labour-Kabinett gebracht hat: Sie fotografierte ein stinknormales
Reihenhaus in Strood mit weißem Lieferwagen vor der Tür und ein paar
England- (und West Ham-) Fahnen im Fenster – wie aus der Rubrik „so sind
hier die Eingeborenen“.
Der Besitzer der Immobilie bekundete auf Nachfrage, die Fahnen hingen
da seit der Fußball-Weltmeisterschaft; außerdem hätte er noch gar
nichts von irgendeiner Nachwahl gehört.
Die abfällige, beleidigende Bekundung der Labour-Abgeordneten ist
deshalb so pikant, weil die Dame zwar behauptet, in einer Sozialwohnung
aufgewachsen zu sein, inzwischen aber ein florierendes
Immobilienimperium in der britischen Hauptstadt betreibt und im
Nobelviertel Islington residiert – in einer Doppelhaushälfte für 3
Millionen Pfund. Richtig, das sind knapp vier Millionen Euro. Mrs
Thornberry sieht zudem nicht aus wie ein Mensch, der jemals eine
Mahlzeit übersprungen hätte.
Nachdem sie sich davon überzeugen konnte, dass sie tatsächlich einen
Sturm der Entrüstung ausgelöst hat, versuchte Mrs Thornberry sich als
unschuldiges Opfer eines von ihr zweckdienlich unterstellten Sozialneids
zu inszenieren, der sich gegen „die BewohnerInnen von Islington“
richten würde; jenseits ihrer politischen Wahnvorstellungen ohne viel
Erfolg.
In Gerüchten heißt es, Mrs Thornberry hätte ihr nicht unerhebliches
Vermögen gemacht, indem sie Sozialwohnungen billig von der Kommune
gekauft und anschließend einträglicher vermietet hätte. Ihr
überraschender Karriereknick ist selbstverständlich etwas, das auch Euch
passieren kann, liebe deutsche Sozialdemokratie. Oder gibt es in Eurer
neuen Mitte keine „Miethaie“?
Pikant ist außerdem, dass Mrs Thornberry zwar in einer von ihr und
ihresgleichen unterstellten nächsten Labour-Regierung ab 2015 gerne
einen Job bekommen hätte, der im weitesten Sinne mit Juristerei zu tun
hat (Generalstaatsanwältin, wie gesagt), sie dennoch anscheinend keine
Ahnung davon hat, dass sie eventuell geltende Datenschutzrechte
verletzt, wenn sie das Foto eines Fahrzeuges publiziert, ohne das
amtliche Kennzeichen vorher unsichtbar zu machen. Nun ja, wie solche
Fälle vor Gericht auszugehen pflegen, hat man ja letztlich gesehen, als
der EU-Doppelstimmen-Lorenzo von der Zeit sich die Einstellung seines
Verfahrens wegen Wahlbetrugs erkaufen durfte.
Mr Miliband, selbst mit wenig Fortune in der eigenen Partei, soll in
der Sache „ärgerlicher denn je“ gewesen sein. Allerdings fällt der Apfel
in Form von Mrs Thornberry in diesem Fall nicht weit vom Stamm: Mr
Milibands marxistischem Vater, der vor den Nazis nach London geflohen
war, waren die Engländer derartig unangenehm, dass er sich in seinen
Tagebucheintragungen gelegentlich wünschte, nicht England, sondern die
Nazis mögen den Krieg gewinnen.
Der große Vorsitzende wohnt übrigens in ganz ähnlichen Verhältnissen
wie seine geschasste Parteisoldatin, Mrs Thornberry. Die „erfolgreiche“
Oppositionsarbeit seiner Partei gegen eine der unbeliebtesten
Regierungen, die es in Großbritannien seit dem Krieg gab, hatte bislang
lediglich zur Folge, dass die britische Sozialdemokratie in Umfragen
hinter den Tories liegt. Zuvor hatte UKIP sich in einer anderen Nachwahl
in einem der angeblich „sicheren“ Labour-Mandate im Großraum Manchester
bis auf 600 Stimmen dem Labour-Ergebnis genähert.
haolam
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