Sunday, April 26, 2015

Islamwissenschaftler: Anwohner können Muezzinruf nicht ausweichen

Zwischen dem Glockengeläut der Kirchen und dem Muezzinruf bestehen Unterschiede. Den muslimischen Gebetsruf mit Lautsprechern zu verstärken, ist zudem in vielen Fällen nicht angemessen. Darauf macht der Theologe und Islamwissenschaftler Friedmann Eißler (Berlin) aufmerksam. Anlass ist, dass in Gladbeck (bei Essen) seit dem 17. April werktags vom Minarett einer Moschee der Gebetsruf eines Muezzins zu hören ist. Sie gehört zum Dachverband Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB). Eißler, Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), schreibt im EZW-Newsletter: „Abgesehen davon, dass die Lautsprecherverstärkung nur sinnvoll sein kann, wenn sie vom Großteil der Gläubigen zu hören ist, wird durch sie eine Situation geschaffen, in der die Anwohner dem öffentlichen Bekenntnis des islamischen Glaubens ausgesetzt sind, ohne ausweichen zu können.“ Damit rücke das politische und gesellschaftliche Interesse in den Blick, das dem Islam durch die Ausrufung des Bekenntnisses öffentlich Gehör verschaffen will. Das liturgische Glockengeläut der Kirchen unterscheide sich davon vor allem dadurch, dass es nicht als Teil des Gebets aufgefasst werden könne und über die Einladung zum Gottesdienst hinaus keine inhaltliche Botschaft proklamiere. Wie Eißler weiter schreibt, erschallt der islamische Gebetsruf einmal wöchentlich oder bis zu fünfmal täglich in schätzungsweise 15 bis 20 deutschen Städten. Darunter seien Dortmund, Marl, Recklinghausen, Gelsenkirchen, Bochum und Siegen. Laut Eißler sind Lautsprecheranlagen an Moscheen nicht genehmigungsbedürftig: „Der Gebetsruf des Muezzins kann wie das kirchliche Glockengeläut nur bei Kollision mit anderen Menschenrechten rechtlich eingeschränkt werden; etwa wenn Lärmschutzbestimmungen nicht eingehalten werden oder bei Beeinträchtigung der ,negativen Religionsfreiheit’ – des Grundrechts, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben.“ Der Gladbecker Bürgermeister Ulrich Roland (SPD) hatte den künftigen Muezzinruf im März in einer Pressekonferenz mit dem Vereinsvorsitzenden der Moschee, Nadir Kahraman, der Öffentlichkeit mitgeteilt. Die beiden großen Kirchen kritisierten, dass sie im Vorfeld nicht informiert worden waren. Ebenso wie die CDU hätten sie sich vorab eine breite öffentliche Diskussion gewünscht. Am 24. April hat sich nun auch der ehemalige CDU-Bürgermeister Eckhard Schwerhoff (1995-2004) zu Wort gemeldet. Die Moschee war während seiner Amtszeit gebaut worden. Er hebt in einem Leserbrief in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung hervor, dass der Bau der Moschee mit einem nicht befristeten öffentlichen Verzicht des Moscheevereins auf die Nutzung von Lautsprechern einher gegangen sei: „Eine Abkehr von einer seit langem geübten Praxis ... sollte – gerade bei einem sensiblem Thema – nur nach einem intensiven, vertrauensvollen und konsensorientiertem Dialog erfolgen.“
 idea

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