Monday, May 11, 2015

Gefährdete Redefreiheit

von Wolfgang G. Schwanitz 

"Good guys win, every once in a while", mögen nicht wenige mit dem Gitarristen Jimmy Buffet gesummt haben als sich am Freitag die Nachricht über David Camerons mächtigen Wahlsieg bestätigt hat. Damit wächst die Frage, wie der Konservative sowohl Schottland im Königreich als auch sein Land in der Europäischen Union über das magische Jahr 2017 hinaus halten kann.
Camerons Labour-Rivale Ed Miliband machte vor Toresschluss noch schlimme Zusagen. Islamisten suchte er zu gewinnen und "Islamophobie" zu verbieten, sollte er am 7. Mai Premier werden. Abgesehen davon, dass diese nicht Phobie sondern Islamrealismus sein kann, unterlief er Religionskritik als Wert der Aufklärung. Was für eine Beschneidung der freien Rede. Zumeist geht es gar nicht um die Religion Islam, sondern um eine daraus interpretierte Ideologie, um Islamismus, obzwar die Trennwände zwischen beiden fließen.
Wiederum setzte Miliband ein Schreckenszeichen, was Politiker aufgeben, nur um Macht zu erlangen. Die Mehrheit der Wähler durchkreuzte dies. Diesmal siegte der "good guy" Cameron. Aber die unabdingbare Redefreiheit steht weiterhin zur Disposition. Darunter in den Vereinten Nationen immer dann, wenn für eine Ideologie eine "absolute Ausnahme" erlaubt werden soll, wonach der heutige Terror nicht an diese geknüpft sei. Wer genauer hinsieht, erkennt darin die illusorische Verkennung der Realität. Es ist stets eine Denkart, die etwa zum Londoner Mord an Lee Rigby führte. Diese Geisteshaltung uferte weiter aus. Vor Kameras köpften Michael Adebolajo und Michael Adebowale jenen Soldaten. Beide, die für Mord lebenslang erhielten, sind Briten nigerianischer Herkunft - und Konvertiten.
Wer so etwas wie Miliband verschleiern will, oder den Weg eröffnet, eine freie Analyse, Debatte und Auswege zu behindern, fällt in totalitäre Epochen zurück, die es überall gab und noch gibt. Es sind gerade einmal zweieinhalb Dekaden her, da lebte noch ein Teil der Deutschen in erdrückenden Verhältnissen. Zum Glück fand Angela Merkel, die 35 Jahre im Osten Deutschlands in einer Diktatur aufwuchs, klare Aussagen über den Islamismus.
Zwar gestand die Kanzlerin am Jahresbeginn ein, "zu wenig über den Islam zu wissen." Doch geht es um Islamismus als aus der Religion erstellte Mischideologie, die Muslime von Islamisten trennt. Merkel meinte: Islamismus finde statt, wo unter Berufung auf die Religion Gewalt angewendet oder dazu aufgerufen werde, um andere zu unterwerfen. Eine Mehrheit der Muslime daheim sei vor einem Generalverdacht zu schützen, aber Gewalt im Namen des Islams sei zu bekämpfen. Zum 70. Jahrestag der Befreiung des Todeslagers in Dachau am 3. Mai 2015 verwies die Kanzlerin auf Anschläge gegen das Brüsseler Jüdische Museum, das Pariser Satireblatt "Charlie Hebdo" und Kunden eines koscheren Marktes.
Laut Merkel zeige dies "zwei der großen Übel" unserer Ära: mörderischen, islamistischen Terrorismus und Judenhass. Redefreiheit ist ein stets zu erringendes Gut. Als Angriffe in Amerika durch Islamisten verfehlten, meinte ein Islamologe, rassistische Karikaturen zu Jim Crow und antisemitische Cartoons lassen uns erschauern. Sie, und die zu Muhammad, gelten hier als geschützte Rede. "Aber stärken sie unsere Freiheit als Land oder sind sie ein Krankheitssymptom, das wir austilgen sollten?" Ruft der Akademiker zur Hexenjagd auf?

Israel, Iran und Ägypten

Weithin gegeben ist die Redefreiheit in Israel, wo auch arabische Parlamentarier wirken. Kurz vor Ultimo verkündete Israels Premier Netanjahu, seine Mitte-rechts-Regierung. Er begann seine vierte Amtszeit mit nur einer Stimme Mehrheit in der Knesseth, also 61 von 120 Sitzen. Am Mittwochabend, den 6. Mai, teilte er dies Präsident Reuven Rivlin mit. Doch mag Benjamin Netanjahu, der vorerst noch Außenminister ist, dies ändern, wenn er andere Seiten einlädt oder, wenn nötig, eine Regierung mit der Zionistischen Union sucht.
Bruchstellen gibt es recht viele: der Streit mit der Obama-Administration zum Atompakt mit Iran, zur Palästinafrage in der UN, wo von 193 Mitgliedern über 100 den Staat Palästina anerkennen und Israels Rückzug aus 1967 besetzten Gebieten erlangen wollen, sowie in Israel Reformen der Wirtschaft und des Wahlsystems, das so zersplitterte Parteien erlaubt. Der Premier wird anstreben, dass Boykotte aus Europa nicht überhand nehmen, wobei die Kooperation mit Kanzlerin Merkel eine Hauptrolle erfährt. Beide Seiten blicken morgen, am 12. Mai, auf 50 Jahre diplomatische Beziehungen zurück. Deshalb besuchte Präsident Rivlin seinen Amtskollegen Joachim Gauck. Sicherlich sprachen sie gleichwohl über Iran.
Muhammad Ali Jafari erklärte in Teheran Ideen der Herrscher. Der General, der 150.000 Revolutionäre Garden und die al-Quds-Truppe anführt, sagte am 27. April, Irans Ideologie schreibe den Export der Revolution vor. Ziel der Islamischen Revolution sei, die islamische Zivilisation zu schaffen (dies will auch der "Islamstaat"). Das saudische Haus sei vor dem Kollaps. Wenn Gott will, stürze dieses eine Volksrevolte. Ajatullah al-Khumaini hatte es am 21. März 1980 zur Staatsdoktrin erhoben, islamistische Revolten regional auszuführen.
Teheran tat dies ebenso gegenüber Kairo. Als dort Muslimbrüder nach der Lotusrevolte regierten und Ende 2012 eine Verfassung berieten, warnten Kritiker vor "Irans Fehler", der die Redefreiheit begrenze: Im Entwurf seien der Großscheich der al-Azhar-Universität und Kleriker in der Lage wie die Rechtsgelehrten im Wächterrat, vom Obersten Führer erwählt.
Dies verlinke Staat und Religion. Kritik könne dann als "gegen den Islam" gelten und vom Staat verfolgt werden. Der Rat der oppositionellen Iraner wurde am Nil aber erst nach der Coupvolte unter Abd al-Fattah as-Sisi realisiert. Seither dürfen Juden und Christen auch laut Paragraph drei "nach ihren Scharias" leben. Wie überall, muss der Grundwert errungen werden. Osteuropäer entsagten nach friedlichen Revolten 1989 konstitutionell verbrieften Ideologien. Doch wollen Islamisten in der Globalära allen "ihre Zivilisation" aufzwingen.
Im Atomstreit mit Iran behielt sich der Kongress am 7. Mai das Recht vor, jedes Abkommen abzustimmen. Votiert er "Nein", darf Obama keine Sanktionen der Legislative aufheben. Am 12. Mai umwirbt der Präsident ihn besuchende Golf-Araber in Camp David. Das Ringen ist keineswegs ausgestanden.
 gatestoneinstitute

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