Monday, July 20, 2015

Irak: Ordensfrau übt heftige Kritik am Westen

Heftige Kritik am Westen hat die syrisch-orthodoxe Ordensschwester Hatune Dogan geübt, die sich um christliche und jesidische Flüchtlinge im Irak kümmert. Sie berichtet auch von entsetzlicher Gewalt gegen Frauen.
In einem Interview für die aktuelle Ausgabe des deutschen katholischen Pur-Magazins berichtete die aus der Türkei stammende Nonne von unzähligen Mädchen und Frauen, Christinnen und Jesidinnen, die von den Terroristen des Islamischen Staats (IS) entführt, missbraucht und brutal vergewaltigt wurden. Sr. Hatune: „Die jüngste von ihnen war fünfeinhalb Jahre alt. Vielen von ihnen wurden die Schamlippen, die Brüste oder das Gesicht zerschnitten.“

Amerika und Westeuropa „lügen“

„Amerika und Westeuropa behaupten, dass sie alles tun, um solche Verbrechen zu verhindern. Aber sie lügen, sie tun fast nichts“, so Sr. Hatune. Die Amerikaner „die mit ihrer Radarüberwachung weltweit jede Nadel auf dem Boden finden, wollen offenbar nicht den IS ausschalten und den Konflikt wirklich beenden“.
Der Westen sei nicht die Ursache für die Verfolgung, diese liege im militanten Islam, sagte die Ordensfrau: „Aber der Westen trägt natürlich auch eine Mitverantwortung, beispielsweise wegen des Irak-Kriegs.“ Christen würden in den muslimischen Staaten des Nahen Ostens systematisch verfolgt und vertrieben. „Es tut weh, das Elend zu sehen und mitzubekommen, dass diese Verfolgten im liberalen Westen fast keine Anwälte finden.“

„Die Christen haben Angst“

Sr. Hatune arbeitet mit und für Frauen und Mädchen, die in den Nordirak flüchten konnten: „Sie müssen sich ausweinen können. Ihr Leid anzuhören ist ganz wichtig, damit sie anfangen können, ihr Trauma zu verarbeiten.“ Sie versuche, so die Ordensfrau, den Mädchen und Frauen eine sichere Unterkunft zu geben, „weil sie in den Lagern nicht sicher sind und ständig Angst haben“. Zusätzlich leiste man auch materielle Hilfe.
Jesidische Frauen aus dem Irak nahe einem Checkpoint in Kirkuk

Jesidische Frauen aus dem Irak nahe einem Checkpoint in Kirkuk
Die Christen seien meist nicht in den großen Flüchtlingslagern im Nordirak und der Türkei untergebracht, da sie dort nicht sicher seien. Sie würden meist separat untergebracht in provisorischen Hallen oder eigenen Camps. Sr. Hatune: „Die Christen haben Angst. Sie haben kein Vertrauen, dass sie in den Lagern geschützt sind. Die Frauen und Mädchen haben Angst, weil nur ein Zelt-Reißverschluss sie von der Außenwelt abschirmt und vor neuen Vergewaltigungen schützt.“ Selbiges gelte auch für die Jesiden.

Ein „richtiges Business“

Die Ordensfrau sagte, dass die Verfolgung der religiösen Minderheiten nicht erst mit dem Aufkommen des IS begonnen habe. Schon 2004 seien Christen entführt und von radikalen Sunniten im Irak geköpft worden. Christliche Mädchen seien entführt und vergewaltigt worden. Schon vor der Zeit des IS hätten die Ordensfrau und ihre Mitarbeiter entführte Mädchen und Frauen freigekauft. „Bis heute haben wir fast 300 von ihnen auf unterschiedlichem Weg und mit unterschiedlichen Summen freigekauft“, so Sr. Hatune.
Freilich sei das eine umstrittene Sache, da man damit auch die Terroristen finanziere, aber: „Ich sehe das Problem zuerst mit den Augen der Eltern und Geschwister. Und von 1.500 Euro wird der IS auch nicht reich.“ Die Mädchen würden auch nicht direkt vom IS, sondern von „Händlern“ gekauft.
Sr. Hatune: „Ein Mädchen haben wir einmal aus der elften Hand gekauft, das Mädchen war also schon elfmal weiterverkauft worden. Die machen mit den Mädchen ein richtiges Business. Die Frauen werden von den IS-Kämpfern, nachdem sie missbraucht wurden, an sunnitische Moslems weiterverkauft, und die machen ihr Geschäft mit den Mädchen. Sie benutzen sie dann selber noch und verkaufen sie dann wieder weiter.“

Schutzzonen notwendig

Der Westen müsse politischen Druck schaffen und Schutzzonen für die Minderheiten einrichten, forderte die Ordensfrau: „Schutzzonen sind wichtiger, als die kurdischen Peschmerga-Kämpfer zu unterstützen, die keinerlei Schutz für die christlichen und jesidischen Minderheiten darstellen.“ Auch die Arbeit des UNO-Hilfswerks UNHCR beurteilte die Ordensfrau sehr kritisch, da ihrer Ansicht nach Saudi-Arabien zu viel (finanziellen) Einfluss habe und viele Verantwortliche vor Ort Muslime seien, die die nichtmuslimischen Minderheiten benachteiligen würden.

Irak-Schwerpunkt in Stift Lambach

Die dramatische Situation im Irak wird auch einer der Schwerpunkte der diesjährigen „Fachtagung Weltkirche“ am kommenden Freitag und Samstag im oberösterreichischen Stift Lambach sein. Die Ordensschwester Luma Khudher wird auf der Fachtagung über das Friedensengagement der katholischen Kirche im Irak berichten. Im Sommer 2014 musste die Dominikanerin mit ihren Mitschwestern vor den IS-Terroristen aus Mossul und Karakosch fliehen. Derzeit ist sie in Flüchtlingslagern des irakischen Kurdengebietes im Einsatz, wo sich die Schwestern u. a. um die medizinische Versorgung der Flüchtlinge und die Kinderbetreuung angenommen haben.
Die Fachtagung Weltkirche ist eine Veranstaltung der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, der MIVA-Austria und der Koordinierungsstelle für internationale Entwicklung und Mission
 orf.at

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