Saturday, July 18, 2015

Irans Atomabkommen: Gute und schlechte Nachrichten für die Türkei

von Burak Bekdil
  • Bei der Unterstützung des schiitischen Kriegs gegen die Sunniten im Nahen Osten wird der Iran nun noch bessere Karten haben – finanziell, militärisch und politisch.
  • Wieder einmal jagt die Türkei einem unerreichbaren Ziel nach: Sie will, dass der Iran seine Religionskriege einstellt, aber die Türkei weiter die ihren führen lässt.
  • Den Türken wird im Zuge des Atomabkommens klar, dass ihre Religionskriege gegen die schiitische Vorherrschaft in der Region nun schwieriger auszukämpfen sein werden.
Offiziell hat die Türkei das zwischen den Mitgliedern der 5+1-Gruppe (die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland) und dem Iran ausgehandelte Atomabkommen sowie die Aufhebung der Sanktionen gegen ihren östlichen Nachbarn begrüßt.
Wie Ankara mitteilte, werde der Vertrag erstens zur Stabilität und der Stärkung der Wirtschaftskraft der Region beitragen, zweitens einen unmittelbaren positiven Einfluss auf die Türkei haben und müsse drittens mit vollständiger Transparenz umgesetzt werden.
Ironischerweise ist die Türkei mit dieser freudigen Reaktion in der Gesellschaft ihres schlimmsten Erzfeindes in der Region, dem syrischen Regime von Präsident Bashar al-Assad, der das Abkommen ebenfalls begrüßte. "Wir sind zuversichtlich, dass die Islamische Republik Iran nun noch energischer die gerechte Sache der Völker verfolgen und sich für Frieden und Stabilität in der Region und der Welt einsetzen wird", sagte Assad in einer Botschaft an Irans Obersten Führer Ajatollah Ali Khamenei.
Wie immer lässt sich die Einschätzung der Türkei von etwas, das den Iran betrifft, eher den "vorsichtigen" Worten einer offiziellen Verlautbarung entnehmen als den "jubelnden".
Nachdem er das Atomabkommen mit dem Iran begrüßt hatte, rief der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu den Iran dazu auf, seine Politik in der Region zu ändern und "die sektiererische Politik aufzugeben". Insbesondere forderte Cavusoglu den Iran dazu auf, seine Rolle in Syrien, dem Irak und dem Jemen zu ändern. Der Iran "sollte eine positive und konstruktive Rolle spielen. Er sollte seine sektiererische Politik aufgeben und bei der Suche nach Lösungen auf politischen Dialog setzen. Dies ist die Erwartung, die wir an unseren Bruder Iran haben", so der türkische Minister.
In welcher Position befindet sich die Türkei infolge des Irandeals? Die kurze Antwort: im Fegefeuer. Denn für die Türken ist der Iran ein "brüderlicher muslimischer Staat", aber gleichzeitig ist er, abseits der Mikrofone, auch "ein Rivale und potenzieller Gegner, der sich zu einer ketzerischen Sekte des Islam bekennt".
Würde Teheran eine Atombombe entwickeln, die nur Israel bedroht, würde Ankara das insgeheim begrüßen. Aber man weiß dort auch, dass ein mit nuklearen Waffen bewaffneter Iran nicht nur für Israel eine existenzielle Bedrohung darstellt: Die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten befinden sich entweder in derselben Lage, oder sie entwickeln als Antwort darauf ihre eigenen Atomwaffen.
Der Iran ist für die Türkei kein neuer Rivale in der Region. Angeblich ist die 550 km lange Grenze zwischen der Türkei und dem Iran eine der stabilsten und friedlichsten im volatilen Nahen Osten. Der letzte "offizielle" Krieg zwischen dem Osmanischen Reich und Persien (unter der Safawiden-Dynastie) fand zwischen 1623 und 1639 statt. Dieser Krieg, bei dem es um die Kontrolle Mesopotamiens ging, endete mit dem Vertrag von Zuhab, der Mesopotamien in den Händen der Osmanen beließ, bis das Reich im Zuge des Ersten Weltkriegs zugrunde ging.
Die sunnitische und die schiitische Regionalmacht führten allerdings auch 1733 einen veritablen Krieg gegeneinander, als die Perser versuchten, den Osmanen Bagdad zu entreißen.
1775 griff Persien (unter der Zand-Dynastie) das von den Osmanen regierte Basra an, eine Invasion, die bis 1821 währte, als ein weiterer Krieg ausbrach, der bis 1823 andauerte. Im Jahr 1840 gab es zwischen den Osmanen und den Persern einen großen Konflikt über die Kontrolle der heutigen iranischen Stadt Khorramschar.
In der modernen Ära, nämlich 1930, unterstützte der Iran kurdische Aufstände gegen die Republik Türkei; auf diese folgte ein Streit über den Verlauf der türkisch-iranischen Grenze.
In jüngerer Zeit, in den 1980er und 1990er Jahren, beschuldigte die Türkei den Iran der Ermordung säkularer und linker türkischer Intellektueller, des Versuchs, sein islamistisches Regime in die Türkei zu exportieren (damals war die Türkei ein säkularer Staat), und der Unterstützung militanter Kurden, die für die Unabhängigkeit von der Türkei kämpfen.
Das Atomabkommen wird, falls es erfolgreich und ehrlich umgesetzt wird – wenn es also tatsächlich Irans Streben nach Atomwaffen beendet –, für die Türkei eine Erleichterung sein: ein atomarer Iran wäre ein zu gefährlicher regionaler Rivale, als dass die Türkei damit umgehen könnte.
Der türkische Präsident (damals noch Ministerpräsident) Recep Tayyip Erdogan begrüßt Irans Präsidenten Hassan Rouhani in Ankara, 9. Juni 2014. (Foto: AKP)
Der Besitz eines nuklearen Arsenals würde zudem die politische Schlagkraft und den militärischen Einfluss des Iran deutlich stärken. Die "offizielle" türkische Begrüßung des Atomabkommens spiegelt also auch Freude über die Vorstellung wider, dass dieses Alptraumszenario vielleicht abgewendet wurde.
Doch zugleich lässt das Abkommen in der türkischen Hauptstadt auch die Alarmglocken läuten – darum die vorsichtigen Worte, die die offizielle türkische Verlautbarung begleiteten.
Die Aufhebung der Sanktionen wird dem Iran schrittweise den Zugang zur internationalen Gemeinschaft öffnen und seiner Wirtschaft einen Schub geben, Milliarden von Petrodollars könnten ins Land strömen, der Handel mit dem Rest der Welt florieren – all das würde die "schiitischen Ketzer" stärken. Was würde das für die Türkei bedeuten? Bei der Unterstützung des schiitischen Kriegs gegen die Sunniten im Nahen Osten wird der Iran nun noch bessere Karten haben – finanziell, militärisch und politisch. Man lese nun noch einmal die Warnung des türkischen Außenministers:
"Der Iran sollte seine Politik in der Region revidieren und seine sektiererische Politik aufgeben ... Er sollte seine Rolle in Syrien, dem Irak und dem Jemen ändern ... Er sollte eine positive und konstruktive Rolle spielen. Er sollte seine sektiererische Politik aufgeben und bei der Suche nach Lösungen auf politischen Dialog setzen. Dies ist die Erwartung, die wir an unseren Bruder Iran haben."
Lässt man die diplomatische Höflichkeit – "unser Bruder Iran" – beiseite, dann ist die Erklärung ein diskreter, aber klarer Ausdruck von Besorgnis und kindischer Heuchelei. Wieder einmal verlangt die Türkei zu viel, auf unbillige Art. Sie verlangt vom Iran, "seine sektiererische Politik aufzugeben". Was so viel bedeutet wie: "Die Iraner sollten aufhören, die schiitischen Dschihadisten zu unterstützen, aber die Türken sollten weiterhin die sunnitischen Dschihadisten unterstützen."
Und wieder einmal jagt die Türkei einem unerreichbaren Ziel nach: Sie will, dass der Iran seine Religionskriege einstellt, aber die Türkei weiter ihre Religionskriege führen lässt.
Den Türken wird im Zuge des Atomabkommens klar, dass ihre Religionskriege gegen die schiitische Vorherrschaft in der Region nun schwieriger auszukämpfen sein werden.
 gatestoneinstitute

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