Das Zürcher Migrationsamt hat Anfang 2015 verfügt: «S. B.* wird aus
der Schweiz weggewiesen. Er hat das Staatsgebiet bis am 16. April zu
verlassen.»
S. B. ist ein heute 35-jähriger Algerier, der
seit 13 Jahren in der Schweiz und von der Sozialhilfe lebt. Zusammen
mit seiner dreiköpfigen Familie hat er bis heute knapp eine halbe
Million Franken bezogen – für das Migrationsamt der Hauptgrund, weshalb
es ihm die Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert. Nachdem S. B.
so viel Sozialhilfe bezogen habe, wiege das öffentliche Interesse an
seiner Wegweisung mehr als sein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf
Familienleben, befand das Amt in der Wegweisungsverfügung. Sie liegt dem
TA vor.
Das Migrationsamt bewegt sich damit in einem
Spannungsfeld, das die Gerichte oft beschäftigt – zwischen dem Recht auf
Familienleben und dem öffentlichen Interesse an einer Wegweisung wegen
Fürsorgeabhängigkeit.
S. B. kam 2002 von Algerien in die Schweiz
und ersuchte hier erfolglos um Asyl. Nach der Ablehnung seines
Asylgesuchs tauchte er unter, bis er 2005 eine Schweizerin heiratete und
die Aufenthaltsbewilligung bekam. Inzwischen haben die beiden einen
Sohn und leben zu dritt in einer Zürcher Gemeinde.
Laut der Verfügung des Migrationsamts ist S. B. an seiner
Fürsorgeabhängigkeit selber schuld. Er spreche nach 13 Jahren kaum
Deutsch, sodass die Anhörung auf dem kantonalen Amt auf Französisch
durchgeführt werden musste. Gearbeitet habe er immer nur kurz, meist
habe der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis vorzeitig aufgelöst. Es sei
ihm in all den Jahren nicht gelungen, im Arbeitsmarkt Tritt zu fassen.
Dasselbe gelte für seine 19 Jahre ältere Frau. Dass die Stadt einen
Betreuungsplatz für das Kind organisiert und bezahlt habe, habe nicht
geholfen. Arbeitsprogrammen habe S. B. sich verweigert, weil er darin
keinen Sinn gesehen habe. Auf Forderungen nach mehr Engagement sei er
ausfällig geworden.
Ausserdem, schreibt das Migrationsamt, habe S.
B. zusätzliche Kosten verursacht: Wegen häuslicher Gewalt habe die
Vormundschaftsbehörde eine «Familienstabilisierungsmassnahme für 15 000
Franken anordnen müssen». Auch sei er wegen Hehlerei zu einer bedingten
Strafe verurteilt worden, und er habe Tausende Franken Schulden.
Es
überrascht nicht, dass das Migrationsamt S. B. eine schlechte Prognose
stellt: Ein Ende der Fürsorgeabhängigkeit sei nicht absehbar und nicht
erwartbar. Es bestehe ein «immenses öffentliches Interesse» an seiner
Wegweisung.
Diesem öffentlichen Interesse stehen die privaten
Interessen von S. B. gegenüber: sein Recht auf Familienleben. Das
Migrationsamt sieht dieses nicht gefährdet: Die Ehefrau spreche
Französisch, so wohl auch der Sohn. S. B. habe in Algerien Verwandte,
mit denen er in Kontakt stehe. Die Chance auf berufliche und soziale
Integration, folgert das Amt, sei in Algerien also grösser als in der
Schweiz, wo sie offenbar gegen null tendiere.
tagesanzeiger.ch
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