„Wer hetzt, der fliegt“, sagt jetzt der neue IG-Metall-Chef Jörg
Hofmann, weil er es richtig findet, dass Mitarbeiter, die eine aus
Unternehmenssicht falsche Gesinnung äußern, ihren Arbeitsplatz
verlieren. Auch dann, wenn sie diese falsche Gesinnung nicht am
Arbeitsplatz vertreten, sondern in ihrer Freizeit öffentlich
beispielsweise in sozialen Netzwerken. Aber weil es ja hier um
Äußerungen geht, die als rassistisch und fremdenfeindlich bewertet
werden, ist „wer hetzt, der fliegt“ auf alle Fälle guter Populismus.
Etwas anderes kann man einem Spitzengewerkschafter auch nicht
zuschreiben, auch wenn er damit seine Verachtung für Grund- und
Arbeitnehmerrechte demonstriert.
Denn wer hat die Definitionshoheit, ab wann ein mit dem
Arbeitsplatzverlust zu sanktionierender Rassismus beginnt? Sind es die
Tugendwächter, die aktuell auch schon fundierte Islamkritiker wie Hamed Abdel Samad als Nazi brandmarken
und zum Protest gegen ihre Auftritte aufrufen? Wo sind wir angekommen,
wenn schon beim Vorsitzenden der weltweit größten Einzelgewerkschaft
die Grundkenntnisse über die Prinzipien eines demokratischen
Rechtsstaats nicht mehr abrufbar sind. Gibt es vielleicht noch ein paar
Gewerkschafter, die den Vorsitzenden daran erinnern können, dass
Arbeitnehmervertreter früherer Generationen dafür gekämpft haben, dass
niemand für legales Handeln in seiner Freizeit arbeitsrechtlich
sanktioniert werden darf?
Gibt es vielleicht noch jemanden, der ihm erklären kann, dass
Freiheit nichts wert ist, wenn sie nicht für alle gilt, solange sie
nicht die Freiheit eines anderen einschränken? Und dass es für den Fall
der Grenzüberschreitung und notwendigen Sanktionen das Strafrecht und
den Rechtsweg gibt? Ansonsten muss man auch dumme und mitunter üble
Meinungsäußerungen aushalten. Natürlich ist es legitim, einen
Mitarbeiter zu entlassen, der den Betriebsfrieden stört, aber Hofmann
wurde explizit nach Mitarbeitern gefragt, die sich „im Internet über
Twitter oder über Facebook“ rassistisch und fremdenfeindlich geäußert
hätten, als er antwortete: „Wer hetzt, fliegt! Und das muss auch jedem
klar sein.“
Ein Verweis auf Strafanzeigen, ordentliche Gerichte und den Rechtsweg
fiel ihm hingegen nicht ein – vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung
gar nicht erst zu reden. Vielleicht erinnert sich der Genosse Hofmann –
als guter Gewerkschaftsfunktionär ist er natürlich in der SPD – noch an
das früher oft gebrauchte Zitat: „Die Freiheit stirbt zentimeterweise“.
Vielleicht schenkt ihm eine Erleuchtung doch noch den Gedanken, auf
welch abschüssigen Weg er sich begibt, wenn er im Sinne des Guten den
Arbeitsplatzverlust als Ersatz-Strafe für ein Gesinnungsvergehen
sanktioniert. Was sich heute gegen vermeintlichen Rassismus richtet,
kann morgen schon zur Eindämmung ganz anderer missliebiger Haltungen
eingesetzt werden. Nicht ohne Grund müssen deshalb Grundrechte für alle
verteidigt werden, auch für Idioten.
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