Saturday, January 30, 2016

Mehr wissen

Der SPIEGEL, der seiner Kundschaft einst einen Wissensvorsprung versprach, hat sich, scheint’s, vorgenommen, deren und dessen Dürftigkeit vorzuführen. Denn besonders neu ist nun wahrlich nicht, was das einstige Nachrichtenmagazin da zur freilich durchaus irreführend formulierten Überschrift hochstapelt: »Israels Justizministerin bekräftigt Nein zu Zweistaatenlösung«.
Tatsächlich wiederholt Ayelet Shaked, die seit 2013 Abgeordnete der Knesset ist und seit Mai 2015 israelische Justizministerin, ihre Ablehnung einer Zwei-Staaten-Lösung und die ihrer Partei, um die weder die Politikerin noch ihre Partei Jüdisches Heim je ein Geheimnis machten. So beschrieb beispielsweise Naomi Zeveloff bereits im Januar 2015 für den Forward die Position der Partei:
»Im Mittelpunkt des Parteiprogramms steht der Plan einer Kein-Staaten-Lösung für die Palästinenser, der eine Annexion von Teilen der besetzten Westbank umfaßt, für Palästinenser, die in der Umgebung von Siedlungen leben, die israelische Staatsbürgerschaft und eine begrenzte Autonomie unter israelischer Herrschaft für Millionen weitere Palästinenser vorsieht.«
Nun kann man diese Vorstellung gewiß begrüßen oder ablehnen, sie entspricht aber nicht jener der israelischen Regierung, was die Website des SPIEGEL jedoch – absichtsvoll oder auch nicht, jedenfalls aber erhellend – verschleiert. Und so ist denn im Kommentarbereich anschaulich das Defizit zu erleben, das übriggeblieben ist vom Spruch »SPIEGEL-Leser wissen mehr«.
Da wird schon im ersten Leserbeitrag das »säkulare Gesicht der ultra-nationalistischen Partei« (Forward) zur »religiösen Fanatikerin im Staatsdienst« erklärt, der im zweiten Kommentar gleich noch »religiös-rassistischer Fanatismus« bescheinigt wird. »Mit solcher Klarheit hat man es bisher nicht gehoert [sic!]«, bekennt sich ein weiterer Kommentator zur eigenen Ahnungslosigkeit.
Von keiner Ahnung im Überfluß kündet auch der Ruf nach Reaktionen: »Wie werden die Staaten der EU und die USA auf diese Aussagen eines israelischen Regierungsmitgliedes reagieren? [sic!]« Werden sie denn überhaupt reagieren, die »Eltern«? »Die (orthodoxen und radikalen) Israelis führen sie [sic!] auf wie ein verzogener, reicher Balg. Und die Eltern (USA & D)? Schaun weg [..]«.
Bestdesinformiert – »dass in Israel die Justizministerin das Lied ihres Herrn singt (Netanyahu) braucht nicht zu verwundern« – wird es aber immerhin noch, nun, konstruktiv: »Die Hamas und die Hisbollah sollten in die Friedensgespräche mit einbezogen werden. Die Israelis solltem den Likud-Block von Netanyahu bei der nächsten Wahl durch eine liberalere Gruppierung ersetzen. [sic!]«
Hamas und Hisbollah als Teil einer Lösung, während der Likud in die Verbannung gehört – darauf muß man erstmal kommen.
 tw24

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