Zu verdanken haben wir diese Informationen dem Informatiker Hadmut Danisch, der im Februar dieses Jahres ein Auskunftsersuchen nach Informations-, Freiheits- und Presserecht an das Bundesjustizministerium gerichtet hat. Den Inhalt des Auskunftsersuchens mit allen darin enthaltenen Fragen finden Sie hier.
Zunächst versuchte der Pressesprecher des Ministeriums mit einem etwas obskuren Anruf, die unangenehme Post auf dem kleinen Dienstweg vom Tisch zu bekommen. „Er stellte mir das gerade so dar, als habe das Ministerium nur so neutral und unbeteiligt den äußeren Ablauf (des Gründungstreffens der Taskforce / meine Anmerkung) ermöglicht, Räume und Getränke gestellt, und Facebook & Co nur so eine Art Selbstfindungserlebnis ermöglicht“, erinnert sich Danisch an das Telefonat.
Ansonsten lautete die Botschaft des Ministeriumssprechers: „Aber eigentlich hätten sie damit fast gar nichts zu tun, denn sie seien ja auf gar keinen Fall irgendwie eine Zensur- oder Aufsichtsbehörde, das dürften sie ja auch gar nicht, dafür fehle ja die Rechtsgrundlage, das ließe die Verfassung ja auch gar nicht zu. Das wollten sie auf gar keinen Fall sein“.
Nun gilt folgendes: Laut bestehender Verfassungsrechtsprechung (Beispiel: Demorecht am Frankfurter Flughafen) kann sich der Staat seinen verfassungsrechtlichen Pflichten und Verboten nicht durch Umwege in privatrechtliche Konstruktionen entziehen. Das entsprechende Schlagwort dazu heißt „keine Flucht ins Privatrecht.“
Hadmut Danisch notierte nach dem Gespräch: „Mein Eindruck ist, dass die da ganz genau wissen, das sie das verfassungsrechtlich nicht dürfen, und dass das missbraucht wird, und sich aber mit dieser komischen Gremiumskonstruktion versucht haben, darum herumzumogeln. Ich hatte sogar ein bisschen den Eindruck, dass da einige selbst nicht glücklich damit sind, aber was der Minister befiehlt...“
Offenbar weiß man im Bundes-Justizministerium ganz genau:
- Dass man das, was gerade praktiziert wird, auf offiziellem Wege, durch die Vordertür, verfassungsrechtlich nicht darf
- Und dass es die Hintertür Privatrecht verfassungsrechtlich nicht gibt und sie der Vordertür gleichgestellt ist, und damit also auch die Hintertür verboten ist
Nun gibt es die zweifelhaften Praktiken des Hauses Maas inzwischen nicht mehr nur als Gesprächsaufzeichnung, sondern schriftlich. Weil Hadmut Danisch auf eine formelle Antwort auf sein Ersuchen bestand, erreichte ihn am 23. März ein entsprechendes Schreiben aus dem Justizministerium.
Die Antworten wurden unwillig, ausweichend und oft missverständlich gegeben, was sie dennoch enthüllen, ist entlarvend. Bei der Task Force handelt es sich um ein völlig undurchsichtiges Unternehmen, bei dem weder die Rechtgrundlage, noch die Verantwortlichkeiten klar sind. Von den Entscheidungen dieser Internetwächter Betroffene haben keine rechtliche Möglichkeit, sich zu wehren. Sie stehen, bildlich gesprochen, vor einem schwarzen Loch.
Fest steht, dass der Minister sowohl die Internetanbieter Facebook, Google (für seine Videoplattform YouTube) und Twitter, die zivilgesellschaftlichen Organisationen eco - Verband der Internetwirtschaft e.V., die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), jugendschutz.net, klicksafe.de, die Amadeu-Antonio-Stiftung (Netz gegen Nazis) sowie den Verein Gesicht zeigen! eingeladen hat.
Nicht beantwortet wurde die Frage wie diese Auswahl zustande kam. Und auch nicht, wieso die „Verbreitung von Hassbotschaften“ sich allein auf Nazis bezieht, aber nicht etwa auf Linksextremisten, Islamisten und so weiter, denn die sind ja auch nicht harmloser. Und warum aus dem reichlich besetzten „Kampf-gegen-Rechts-Spektrum ausgerechnet die Amadeu-Antonio-Stiftung ausgewählt wurde und nur die.
Alle Eingeladenen seien der Aufforderung freiwillig gefolgt, also auch die Internetanbieter. Vorher gab es jede Menge Druck auf diese, sowohl von der Bundeskanzlerin als auch vom Justizminister, als auch von einschlägigen Akteuren, gegen „Hassbotschaften“ im Netz vorzugehen. Es gab sogar mehrere Klagen gegen Facebook und Google. Auf diese Weise wurde der „Freiwilligkeit“ auf Seiten der kommerziellen Internetanbieter nachgeholfen.
Die Eingeladenen gründeten, wohl ebenfalls nach Aufforderung, eine Task Force, von der, laut Ministerium, "nach intensiven Beratungen Standards für die zielgerichtete Löschung rechtswidriger Hassbotschaften festgehalten (wurden). An diesen Standards können sich alle Anbieter von sozialen Medien und anderen Internetdiensten orientieren, über die fremde Inhalte verbreitet werden können... Die von der Task Force erarbeiteten Maßnahmen sollen die Verfolgung von online begangenen Straftaten nicht ersetzen. Zur Ermittlung der Täter und zur Anklage der begangenen Straftaten sind weiterhin die zuständigen Strafverfolgungsbehörden berufen."
Was sofort die Frage aufwirft: Wozu wird diese Task Force dann eigentlich gebraucht? Wie umfangreich ihre Arbeit ist, kann das Ministerium nicht beantworten. Man erfährt nur, dass die Treffen im Ministerium stattgefunden haben und die beteiligten Ministerialbeamten in ihrer „regulären Arbeitszeit“ tätig waren. Aber wer bezahlt die Internet-Putzkolonnen selbst, deren Belegschaft mittlerweile mehrere Hundertschaften umfasst? Kommt das Geld womöglich - fein säuberlich über Stiftungen und Tarnorganisationen für edle Zwecke gewaschen - nicht letztlich doch aus dem Staatssäckel? Darauf gibt es keine Antworten.
Die Antwort auf die Frage, durch wen das Gremium über anzuwendendes Recht informiert wurde, verursacht dann Gänsehaut der ganz unangenehmen Art:
„In den Sitzungen der Task Force wurden im Dialog zwischen den beteiligten Akteuren ‚Best Practices‘ für den Umgang mit Hassbotschaften im Internet erarbeitet sowie der Ausbau bestehender Kooperationen zwischen den vertretenen Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen vereinbart. Die Task Force hat daher keine Regeln oder gesetzliche Bestimmungen angewendet.“
Solche undurchsichtigen Gremien, die jenseits gesetzlicher Bestimmungen agieren, vermutet man in Diktaturen und nicht im Hause eines Ministers einer demokratisch gewählten Regierung, der qua Amt für die Einhaltung von Recht und Ordnung zuständig ist.
Die Antworten auf die Fragen nach den Themen der Task Force lassen erkennen, dass der Minister nach dem Prinzip, „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, handelt. Weder das Ministerium, noch die Task Force würden Prüfungen von Inhalten vornehmen, noch Löschungen veranlassen. Das wäre Sache der Internetanbieter.
Auf welcher Grundlage wurden dann Kriterien entwickelt, wenn es keine Prüfung von Inhalten gab? Antwort: „Die in der Task Force vertretenen Unternehmen haben zugesagt, angemessene Maßnahmen gegen Nutzer und Inhalte zu ergreifen, die gegen örtlich geltende Gesetze verstoßen; hierzu zählt, soweit gerechtfertigt, das Entfernen rechtswidriger Inhalte für den Geltungsbereich der betreffenden Rechtsordnung und das Sperren von Nutzerkonten im Falle eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen des Unternehmens.“
Woher wissen die amerikanischen Unternehmen, was in Deutschland „rechtswidrig“ ist?
Wie groß dabei der Unsicherheitsfaktor ist, konnte ich selbst erleben. Meine Facebookseite wurde am 22. März wegen eines merkelkritischen Posts gesperrt. Wie mir Facebook über einen Monat später entschuldigend mitteilte, hatte der Mitarbeiter einen Fehler gemacht, als er meine Seite sperrte. Ich weiß von dutzenden Fällen, in denen anscheinend ähnliche Fehler gemacht wurden.
Auf die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten einem von einer Sperrung Betroffenen zustehen, antwortet das Ministerium ausweichend. Gegebenenfalls stehe dem Betroffenen der Zivilrechtsweg offen. Das ist eine abenteuerliche Ahnungslosigkeit, die unser Justizministerium da offenbart. Amerikanische Unternehmen unterliegen amerikanischem Recht. Das können nur Amerikaner beanspruchen, oder Menschen, die sich in Amerika befinden. Eine Zivilklage hier wäre völlig aussichtslos.
Den Internetnutzern (und im Prinzip auch den Internet-Anbietern) bleibt nur, öffentlichen Druck gegen die von unserem maßlosen Maas eingesetzten Zensoren auszuüben. Der ist dringend nötig, denn die einseitige Festlegung auf rechtsextreme Hassbotschaften, unter Ausklammerung terroristischer, linksextremer, islamistischer Hetze bis hin zu Mordaufrufen, lässt befürchten, dass diese Zensur gegen Regierungskritiker eingesetzt werden könnte.
Wo bleiben in dieser Sache die großen journalistischen Institutionen? Wo bleibt der „Rechercheverbund NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung“? Wo bleibt BILD? Wo bleibt das „Sturmgeschütz der Demokratie“? Wo bleibt Reporter ohne Grenzen? Wo bleibt das Netzwerk Recherche? Die Journalisten-Verbände? Und vor allem: Wo bleiben die Parlamentarier des Deutschen Bundestages?
Hier noch einmal der Link zu Hadmut Danischs Blog mit seinen Fragen und den Antworten des Justizministeriums.
achgut.com / Vera Lengsfeld
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