Der 21. September 2016 wird als jener Tag in die schweizerische Geschichte eingehen, an dem der Nationalrat das erste Mal seit 1848, seit Gründung des Bundesstaates, die Verfassung gebrochen hat. Man tat es mutwillig und bewusst, ohne jedes Zucken und ohne schlechtes Gewissen, zum Teil mit aussergewöhnlicher Freude. Cédric Wermuth, ein sozialdemokratischer Nationalrat aus dem Aargau, war so fröhlich, dass er selbst über die Verlierer von der SVP lachen mochte, die man geschlossen in die Minderheit versetzt hatte. Nachdem deren Präsident, Albert Rösti, angekündigt hatte, dass seine Partei kein Referendum ergreifen dürfte, weil das seiner Meinung nach nichts ändern könnte, schrieb Wermuth via Twitter: «Momol, die heldenhaften Volksvertreter…» Es war der Humor eines Henkers, der sich über jenen lustig machte, dem er gerade den Kopf abgeschlagen hat.
Am Mittwoch, dem 21. September 2016, kurz nach zehn Uhr abends, beschloss eine Mehrheit aus SP, FDP, Grünen, CVP, BDP und Grünliberalen, dass das, was Volk und Stände vor nahezu drei Jahren in die Verfassung geschrieben hatten, was also der Souverän entschieden hatte, nicht gilt. Die angebliche Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative ist keine Umsetzung, sondern deren Beseitigung. Inländervorrang light? Das erinnert an Bill Clintons unsterbliche Sätze: «I experimented with marijuana a time or two, and I didn’t like it. I didn’t inhale and never tried it again.» Ich rauchte Marihuana, aber ich inhalierte nicht.
Wenn es je einen Moment gab, wo man zu zweifeln hatte, ob sich unsere politische Elite überhaupt noch bewusst ist, von wem sie gewählt und bezahlt wird, – nämlich von Tausenden von einfachen Bürgern, die Tag für Tag arbeiten, vielleicht ihre Kinder erziehen, immer Steuern abliefern, und trotzdem die gleichen Rechte haben, wie jene Leute, die sie als ihre Vertreter nach Bern schicken –, dann war das so ein Moment. Im 19. Jahrhundert löste solches Verhalten der führenden Schichten Saubannerzüge aus: Bauern, Journalisten, Handwerker und Pfarrer zogen in die Hauptstadt, um mit Gewehren und Mistgabeln die Gnädigen Herren aus dem Rathaus zu treiben.
http://bazonline.ch/schweiz/standard/wir-untertanen/story/10256137
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