Saturday, April 29, 2017

Van der Bellen: Es ist etwas faul am Dänemark-Vergleich

Beim missglückten Aufruf zur Solidarität für Kopftuch-Trägerinnen unterlief Österreichs Bundespräsident ein weiterer Fauxpas: Sein Judenstern-Vergleich über Dänemark im Zweiten Weltkrieg ist falsch
Der neue österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen steht in der Kritik. In einem Interview vor einem Monat, das erst jetzt näher bekannt wurde, hatte das neue Staatsoberhaupt gesagt: "Jede Frau kann ein Kopftuch tragen. Und wenn das so weitergeht [mit der] um sich greifenden Islamophobie - wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun."
In diesem Zusammenhang griff er zu einem historischen Vergleich, der sich auf Dänemark in den Jahren 1940-45 bezog: “Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Dänen während der deutschen Besatzung doch etwas ähnliches gemacht. Und nicht-jüdische Dänen haben angefangen, den Davidstern zu tragen - als symbolische Geste des Widerstands gegen die Deportation von Juden.”
Geschichtsbewusstsein und fundierte Kenntnisse der Vergangenheit sind eine Zier für jedes Staatsoberhaupt. Man darf sich indes fragen, welche Expertise historischer Berater van der Bellen in Anspruch nimmt. Die Geschichte mit dem Judenstern während der deutschen Besatzungszeit in Dänemark: Sie stimmt so nicht. Und vor allem: Die Schlussfolgerung, die Österreichs Bundespräsident daraus zieht, geht in eine völlig andere Richtung.
Christian X., König von Dänemark 1912-1947, pflegte täglich frühmorgens mit seinem Pferd alleine in Kopenhagen auszureiten. Diese Freiheit ließ er sich auch nicht nehmen, nachdem Nazi-Deutschland im April 1940 Dänemark besetzt hatte. Als die deutschen Besatzer die Absicht andeuteten, dort den Judenstern einführen zu wollen, kündigte der König Widerstand an. Er soll gesagt haben: Falls solche Pläne Gesetz würden, wäre er der Erste, der sich den Davidstern anheften würde.
In dem Tagebuch des Monarchen findet sich ein Eintrag von September 1941, der darauf anspielt. Im Anschluss an ein Treffen mit Finanzminister Vilhelm Buhl schrieb Christian X.: “Wenn man sich die inhumane Behandlung von Juden anschaut, nicht nur in Deutschland, sondern auch in besetzten Ländern, muss man sich Sorgen machen, dass entsprechende Forderungen [nach Kooperation bei der Verfolgung] irgendwann auch an uns gestellt werden - welche wir aber eindeutig zurückweisen müssen mit Verweis auf ihre Rechtsstellung als dänische Staatsbürger durch die Verfassung. [...] Sollten solche Forderungen jemals erhoben werden, begegnen wir ihnen am besten, indem wir alle den ‘Davidstern’ anlegen.” (Quelle: Forschungsbericht in der Zeitung ‘Politiken’ vom 13.09.2013)
Tatsächlich gingen die deutschen Besatzer bis zum Frühjahr 1942 der Konfrontation mit dem populären König aus dem Weg: Sie wollten keinen Ärger mit dem kleinen Dänemark, das während des Zweiten Weltkriegs trotz einiger Eigenwilligkeiten pragmatisch blieb und wo weniger als 9.000 Juden lebten. Der Judenstern wurde nie eingeführt. Als im September 1943 durchsickerte, dass die jüdischen Dänen alsbald verhaftet und deportiert werden sollten, warnte der deutsche Diplomat Georg Ferdinand Duckwitz die dänische Regierung. In einer beispielhaften Rettungsaktion wurden die allermeisten der Juden von dänischen Fischern ins sichere Schweden gebracht. Jüngere Forschungen lassen vermuten, dass auch König Christian von der Aktion wusste und die jüdischen Flüchtlinge beim Neuanfang in Schweden heimlich finanziell unterstützte.Vergleicht man den Solidaritätsaufruf van der Bellens mit der Absichtserklärung des ehemaligen Königs von Dänemark, mögen sie auf den ersten Blick ähnlich sein. Aber er gibt einen großen Unterschied. Bei König Christian trug die Absichtserklärung des furchtlosen Monarchen dazu bei, dass den Juden in Dänemark die Stigmatisierung erspart blieb. Alexander van der Bellen allerdings signalisiert mit seiner Idee zum Tragen des Kopftuchs aus Solidarität mit muslimischen Frauen, dass er sich an die reaktionäre Gedankenwelt religiöser Eiferer anzupassen gedenkt, die Freiheiten beschränken wollen - in diesem Falle: die Freiheiten der Frau.
 https://www.fischundfleisch.com/historix108/van-der-bellen-es-ist-etwas-faul-am-daenemark-vergleich-34328

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