Monday, April 01, 2019

My Own Private Holocaust — Untergangswunsch, Vernichtungsangst und die toten Augen der Greta Thunberg


Autistoide Emotionslosigkeit ist es, was den gesamten halbgaren Klimaprotest charakterisiert. Schüler lassen sich am Freitag von ihren Eltern zur Schule bringen; implizit geben die Schulleiter ihnen frei, es wird halt dann nachgeholt, was am Freitag, ohnehin der unwichtigste Schultag, verpasst worden ist. Von Streik oder Protest könnte keine Rede sein, wäre da nicht die Angst der Eltern vor der Rache ihrer Kinder. Es ist keineswegs Radikalität oder Konsequenz, die deren Protesten Bedeutung verschafft, vielmehr ist es schlechtes Gewissen und schiere Angst, dass alle Kinder so sein oder werden könnten wie Greta – und wo die Angst ist, ist der Wunsch nicht weit. Die German Angst war schließlich einstmals der German Wish nach Weltherrschaft bis zur Selbstvernichtung; heute ist sie die verallgemeinerte Form eines Vorbewussten, das sich um die Niederungen des Alltags nicht mehr zu kümmern braucht, sondern individuell das große Ganze im Blick hat. Diese Leidenschaftslosigkeit in der Abrechnung mit den Altvorderen war auch den Nationalsozialisten eigen, und ohne historische Parallelen allzu sehr strapazieren zu wollen, ist es doch auffällig, dass vor allem jüdische Vertriebene ausdrücklich das jugendlich-revolutionäre, aber dennoch vollkommen leidenschaftslose Element der nationalsozialistischen Machtübernahme thematisiert haben, und zwar nicht zuletzt in Horror- und Gruselfilmen, die die Möglichkeit bieten, eigene Phantasien zu visualisieren.
In dem britischen Film Das Dorf der Verdammten von Wolf Rilla aus dem Jahr 1960, nach einer nichtssagenden Romanvorlage von John Wyndham, tauchen Kinder mit jenem toten Blick der Rache auf, mit dem auch Greta die Welt betrachtet. Rilla war ein jüdischer Emigrant; er fügte der Vorlage die gespenstische, arisch-totäugige Aura hinzu, die den Film zum Klassiker werden ließ: In einem normalen Dorf verlieren die Erwachsenen eines Tages plötzlich das Bewusstsein. Nachdem sie wieder aufgewacht sind, werden in kürzester Zeit fast allen Ehepaaren neue Kinder geboren, die alle gleich aussehen und sich sehr schnell entwickeln. Sie diktieren ihren Eltern, darin Greta sehr ähnlich, was diese zu tun haben. Der Widerspruch und der eigentliche Horror entstehen im Film dadurch, dass die Eltern merken, dass etwas nicht stimmt; nicht sie, die Kinder sind fremd geworden. Die Verleugnung dieses Gefühls, dem Sigmund Freud sich in der historischen Wirklichkeit bis zur letzten Minute widersetzt hat: dass da eine Generation heranwächst, die mit der Generationenfolge aufräumt, weil sie glaubt, nur die Vernichtung der Eltern könne ihre Zukunft sichern, hat vielen anderen das Leben gekostet, weil sie für sie eine Denkunmöglichkeit darstellte. Heute scheint die Lage anders zu sein: Seit Jahrzehnten sinkt der Lebensstandard der Mittelschichten, und deren Kinder ahnen, dass sie keineswegs den ihrer Eltern erhalten oder übertreffen werden. Den Verzicht ökologisch zu rationalisieren, als eigene Wahl darzustellen, hilft dabei, sich der Enttäuschung zu entziehen, dass es die Eltern nicht richten können, dass sie ebenso ohnmächtig sind wie man selbst und einem lediglich Bildungschancen und Beziehung anbieten können. Die Naziklone im Dorf der Verdammten stehen für diesen Mord an den Eltern, den Mord an der Tradition: eine Drohung, die unbewusst von Greta ausgesprochen wird. In der Phantasie, dass die Eltern und Großeltern auf Kosten ihrer Kinder leben und deshalb bestraft, gar liquidiert werden müssen, entäußert sich der tiefe Kern des Antisemitismus: der Neid auf die unterstellte bedingungslose Eltern- und Kindesliebe der Juden, die die Verleugnung des Erbes und die Rückkehr zu ihm zu einer notwendigen Entwicklungsphase werden lässt, weil es – nicht zu Unrecht – große Zweifel gibt, wohin man da zurückkehren könnte.
http://redaktion-bahamas.org/artikel/2019/81-my-own-private-holocaust/

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