Der heimliche Orientalismus Deutschlands,durchleuchtet von Fred Alan Medforth
Thursday, June 08, 2006
Handkes Brief im Wortlaut
Der österreichische Schriftsteller Peter Handke verzichtet auf den Heine-Preis der Stadt Düsseldorf. Der bei Paris lebende Autor teilte dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) seine Entscheidung in einem Brief mit:
„Lieber Joachim Erwin, lieber Oberbürgermeister –
ihre freundliche Stimme noch im Ohr, möchte ich ihnen sagen, welch gute Überraschung dieser Heinrich-Heine-Preis war, erst einmal für mich, der sich überhaupt keinen Preis mehr erwartet hatte, und wie er solch eine Überraschung weiterhin ist, gut vielleicht weniger für mich persönlich als für ein endliches allgemeines Auftauen, so scheint es inzwischen zumindest, der gefrorenen Blicke und Sprache in Hinsicht auf das jugoslawische Problem, einschließlich des Prozesses gegen Slobodan Milosevic, wie das ja wohl auch Sie sich gewünscht haben.
Doch ich schreibe Ihnen heute zusätzlich, um Ihnen (und der Welt) die Sitzung des Düsseldorfer Stadtrats (heißt das so?) zu ersparen, womit der Preis an mich für nichtig erklärt werden soll, zu ersparen auch meiner Person, nein, eher dem durch die Öffentlichkeit (?) geisternden Phantom meiner Person, und insbesondere zu ersparen meinem Werk, oder meinetwegen Zeug, welches ich nicht wieder und wieder Pöbeleien solcher wie solcher Parteipolitiker ausgesetzt sehen möchte.
Ich bitte Sie – so das in Ihrer Macht steht -, die Sitzung oder Veranstaltung auf den Nimmerleinstag zu verschieben und statt dessen die Stadträte an die frische Luft zu entlassen, z.B. zu einem Picknick an den Rhein.
Schade ist vielleicht nur, daß ich im Dezember einiges hätte darlegen können zum Unterschied zwischen journalistischer und literarischer Sprache und daß ich nun in Düsseldorf-Rath sowie in der Gartenstraße beim Hofgarten meine Streunereien vor 35, 40 Jahren nicht wiederholen kann. Aber dafür werde ich bald wieder einmal vor dem Grab Heinrich Heines auf dem Friedhof von Montmartre stehen – der Friedhof ist nicht weit von meinem Kaff hier. Und seien Sie nochmals bedankt, lieber Joachim Erwin, für Ihre Aufgeschlossenheit – die Sie sich für Ihr Tun und Lassen bewahren mögen.
Herzlich, Ihr Peter Handke“
WELT.de/dpa
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