Die Gefahr von islamistischen Anschlägen in Deutschland scheint zu wachsen. Die Linke meint, mit einem Rückzug aus Afghanistan wäre das Problem gelöst. von jesko bender
Die Videobotschaft wirkt beunruhigend und skurril zugleich. Vor den Bildern von wehenden deutschen Fahnen und malerischen Aufnahmen von österreichischen Ferienregionen prangert ein vermummter Sprecher an, dass die jeweiligen Regierungen ihre eigene Bevölkerung belögen. Zu diesen Lügen zählen die islamistischen Autoren des Videos, das in der vergangenen Woche über das Internetportal Globale Islamische Medien-Front veröffentlicht wurde, skurrilerweise auch die österreichische Hochschulpolitik. Das Geld, das Österreich für »Bush und seine Leute« ausgebe, heißt es in fehlerhaften deutschen Untertiteln, »könnt ihr für die Studenten verwenden, denen ihr euer Versprechen gebrochen habt«.
Das Beunruhigende an der Botschaft ist: Sollten Deutschland und Österreich ihre Soldaten nicht aus Afghanistan zurückziehen, so drohten in beiden Ländern Anschläge. Dass die Drohungen gegen Deutschland und Österreich nur einen Tag nach der Entscheidung des Bundestags, Aufklärungstornados der Bundeswehr nach Afghanistan zu entsenden, ausgesprochen wurden, dürfte kein Zufall sein. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, spricht im Zusammenhang mit dem Video von einer »neuen Qualität« der Bedrohung, weil es sich intensiv mit Deutschland befasse. Der »Abstand in der Gefährdung« zu den USA, Großbritannien und Israel habe sich verringert, ein Anlass zur Panik sei das aber nicht.
Dennoch ist in den vergangenen Wochen deutlich geworden, dass auch deutsche Zivilisten vom islamistischen Terror bedroht sind. In der vorletzten Woche wurde in Afghanistan Dieter Rübling, ein Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe, ermordet. Seine afghanischen Mitarbeiter berichteten, von den Tätern wüst beschimpft worden zu sein, weil sie für eine westliche Organisation arbeiteten. Dann sei ihr deutscher Kollege erschossen worden. Kurze Zeit später drohten die Entführer zweier Deutscher im Irak in einem Video ebenfalls mit deren Ermordung, falls die Bundesrepublik nicht umgehend ihre Soldaten aus Afghanistan abziehe. Beide Taten und das Video stehen in direktem Zusammenhang mit der Beteiligung deutscher Soldaten an der Isaf-Schutztruppe der Uno in Afghanistan.
Wie mit solchen Drohungen umzugehen sei, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Für einige Empörung sorgte in der vorigen Woche eine E-Mail an alle Mitarbeiter der Ludwig-Maximilians-Universität in München, versendet vom leitenden Regierungsdirektor, Matthias Hüttenhofer. Er bat die Mitarbeiter, auf islamistische Umtriebe in der Studentenschaft zu achten und »verdächtig erscheinende Wahrnehmungen, die Rückschlüsse auf eine islamisch-fundamentalistische Haltung zulassen, unverzüglich hierher mitzuteilen«.
Der Sprecher für Innere Sicherheit der Bundestagsfraktion der Grünen, Wolfgang Wieland, sagte der Jungle World, dass ein »Generalverdacht gegen alle Muslime« nicht bei der Abwehr von Terror helfe. »Sinnvoll ist nur eine gezielte Beobachtung der islamistischen Szene.« Außerdem verstießen »allgemeine Bespitzelungsaufrufe im öffentlichen Dienst« gegen die Grundrechte. Noch drastischer äußerte sich die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Petra Pau. »An einer so genannten Exzellenz-Uni gehört Denunzieren zum guten Ton«, meinte sie.
Von ihrer Partei und von der Wasg kommen allerdings die denkbar einfachsten Vorschläge zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Sie reichen in ihrer Weltsicht nicht über das bei ihnen beliebte Schema von Ursache und Wirkung hinaus. Den islamistischen Terroristen, die als die »Wirkung« angesehen werden, bringen sie dabei durchaus Verständnis entgegen. So teilte die Wasg in der vergangenen Woche schlicht und einfach mit: »Wer Krieg sät, wird Terror ernten.« Die Pressesprecherin Christine Buchholz erläuterte: »Immer mehr Afghanen realisieren, dass sie es mit Besatzern, nicht mit Helfern zu tun haben, weshalb sie zunehmend die Widerstandsbewegung gegen die Besatzung unterstützen.« Über den Mord an dem deutschen Entwicklungshelfer und die Entführten im Irak verliert sie kein Wort. Gehören sie etwa auch zu den »Besatzern«? Auch die Linkspartei hat zur Entsendung der deutschen Aufklärungsflugzeuge nichts anderes zu sagen als: »Statt weiterer 500 deutschen Soldatinnen und Soldaten, die mit den Tornados entsandt werden, brauchen wir in Afghanistan 500 zusätzliche zivile Aufbauhelferinnen und -helfer.« Wie diese aber ohne den Schutz der Isaf-Truppen arbeiten sollen, verrät die Linkspartei nicht.
Wenn Islamisten keinen Unterschied zwischen Zivilisten, Entwicklungshelfern und Soldaten machen, kann auch der Kampf gegen sie nicht alleine von Entwicklungshelfern gewonnen werden. Unfreiwillig, aber folgerichtig treffen sich die Aussagen der Linkspartei mit denen der Islamisten, wenn die gegenwärtige Regierungspolitik Deutschlands von beiden als Grund für den Terrorismus angesehen werden.
Oskar Lafontaine prophezeite im Fernsehsender n-tv, die Bundesregierung werde mit dem Engagement in Afghanistan »den Terror ins Land« holen. Die Linkspartei fordert auch deshalb einen Abzug der deutschen Soldaten. Wieland weist dagegen auf die vereitelten Anschläge auf den Strasbourger Weihnachtsmarkt im Jahr 2000 hin; schon seit damals bestehe die Gefahr islamistischer Anschläge auch in der Bundesrepublik. »Erst kam der Terror nach Deutschland, dann kam der deutsche Beitrag im Rahmen des internationalen Kampfes gegen den Terror«, sagt der Politiker der Grünen. Der Bundesvorstand seiner Partei verabschiedete Anfang März einen Beschluss für »eine politisch-zivile Offensive in Afghanistan«, in dem er sich gegen einen Rückzug aus dem Land und für eine »massive Ausweitung« der zivilen Anstrengungen und für eine »Veränderung des militärischen Vorgehens im Süden« aussprach.
Die Linke sieht das völlig anders und schmiedet deshalb sogar ein Bündnis mit den Rechtspopulisten Peter Gauweiler (CSU) und Willy Wimmer (CDU), um den Einsatz der Aufklärungsflugzeuge zu verhindern. Die beiden Politiker reichten unmittelbar nach dem Beschluss des Bundestags eine Klage beim Bundesverfassungsgericht ein, die aber aus formalen Gründen abgelehnt wurde. In einem Eilantrag will die Linkspartei Gauweilers und Wimmers Anliegen zur Verhandlung bringen. »Der Antrag Gauweilers und Wimmers ist sehr stimmig«, sagte der außenpolitische Sprecher der Linkspartei, Wolfgang Gehrcke, der Jungle World. Er versicherte aber, dass die gemeinsamen Überzeugungen der Linkspartei und der Unionspolitiker »nur an diesem einzelnen Punkt bestehen«.
Für dieses kuriose Bündnis spielen die Demokratisierung und der Wiederaufbau Afghanistans, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Welche fatalen Konsequenzen ein Rückzug aus Afghanistan hätte, scheint egal zu sein. So groß die Probleme bei dem Militäreinsatz in Afghanistan auch sind: Diese Form des Isolationismus hilft weder den bedrohten Entwicklungshelfern, noch hilft sie dabei, Anschläge in Deutschland zu vermeiden.
jungle world
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