Jetzt schon etwas über die Katastrophe in Duisburg zu schreiben, ist früh, sehr früh. Viele wissen immer noch nicht, wie sie nach Hause kommen sollen. Wir wissen noch nicht, was aus den Schwerstverletzten wird, die in den Duisburger Krankenhäusern noch mit dem Tode ringen. Ich weiß noch nicht, wie es meinen beiden guten Freunden geht, die mich um Verständnis baten, dass sie nicht zu der Geburtstagsfeier gekommen sind, die am Samstag Nachmittag und Abend bei uns zuhause stattgefunden hat, weil ihnen die Loveparade doch so viel bedeutet. Ich hatte freilich Verständnis, aber auch vor dem Besuch der Loveparade gewarnt, obwohl ich um die Zwecklosigkeit dieser Warnung sehr wohl wusste. Inzwischen bin ich immerhin bis auf die Mailbox des Handys eines der beiden durchgedrungen, bekomme aber keine Antwort. Das muss nichts heißen; aber Sorgen mache ich mir schon. Große Sorgen hatte ich mir auch über die Kollegen von xtranews gemacht, die vor Ort von der Loveparade berichtet haben oder berichten wollten. Sie sind alle wohlauf. Dennoch habe ich mich lange gefragt, ob es legitim ist, schon jetzt die furchtbaren Ereignisse zu kommentieren. “Die Leichen sind noch warm“, heißt es hierzu in einem Kommentar zu einer „Abrechnung“ auf bei den Ruhrbaronen; da sollte man sich eigentlich noch etwas zurückhalten. Zumal die Duisburger Katastrophe selbstverständlich noch nicht in allen Details aufgeklärt ist. Dass ich dennoch schreibe, erklärt sich daraus, dass ich keinerlei Grund sehe, das Feld dem für diese Katastrophe politisch Verantwortlichen zu überlassen. Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland erklärt öffentlich, das Sicherheitskonzept sei stichhaltig gewesen. Dies kann nicht unwidersprochen bleiben. Es ist für jedermann erkennbar, dass eben kein „stichhaltiges“ Sicherheitskonzept vorgelegen hat. Ob es überhaupt in Duisburg ein Sicherheitskonzept, das diesen Namen verdient, hätte geben können, oder ob man – wie letztes Jahr Bochum – hätte erklären müssen, dass Duisburg die Sicherheit für etwa eine Million Teilnehmer gar nicht garantieren kann, ob man also hätte absagen müssen, vermag ich nicht zu beurteilen. Dies muss ich auch nicht. Denn es ist unbestreitbar, dass wer diese Veranstaltung durchführen will, auch für deren Sicherheit zu sorgen hat. Ebenso unbestreitbar war es Adolf Sauerland, der alles dafür unternommen hat, dass die Loveparade in Duisburg stattfindet. Sauerland war eben nicht in der Lage, ein – wie er sich ausdrückt: „stichhaltiges“ – Sicherheitskonzept vorzulegen. Deshalb war das Drama im Duisburger Kessel vorhersehbar.
Adolf Sauerland trägt die politische Verantwortung für die Toten und Verletzten der Duisburger Katastrophe. Inwieweit er auch strafrechtlich dafür zur Rechenschaft gezogen wird, werden andere zu entscheiden haben. Dafür werden umfangreiche Untersuchungen, Gutachten etc. heranzuziehen sein. Vorher steht es niemandem zu, sich hier als Richter aufzuspielen. Doch Sauerlands politische Verantwortung ist sonnenklar. Er hat – auch ganz persönlich und mit großem Engagement – dafür gesorgt, dass alle Hindernisse für die Durchführung der Loveparade in Duisburg aus dem Weg geräumt werden konnten. Er wäre schließlich auch bis vor kurzem der einzige gewesen, der die Möglichkeit gehabt hätte, die Reißleine zu ziehen. Er hat es nicht getan. Dabei kann Sauerland nicht entgangen sein, dass es sich bei dem gesamten Loveparade-Konzept um eine, wie ich am Donnerstag schrieb, „Fehlplanung ungeheuren Ausmaßes“ gehandelt hat. Und selbst wenn ihm dies entgangen sein sollte, wäre ihm die politische Verantwortung dafür nicht abzunehmen.
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