70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs steht das Gedenken an den Holocaust vor neuen Herausforderungen. Neben der Frage des aktiven Gedenkens in Abwesenheit von Zeitzeugen stellt sich vor allem jene, wie die sich zu Migrationsgesellschaften gewandelten europäischen Staaten mit dem Massenmord an den Juden umgehen sollen, ohne den Antisemitismus zu schüren. Praktisch anwendbare Lösungen dafür liefert ein neues Buch, das sich dem Holocaust-Bild von Muslimen widmet.
Die Wissenschafter Günther Jikeli, Kim Robin Stoller und Joelle Allouche-Benayoun beschäftigen sich in ihrem Sammelband mit dem Titel "Umstrittene Geschichte – Ansichten zum Holocaust unter Muslimen im internationalen Vergleich" mit der geschichtlichen Aufarbeitung der Shoah in europäischen und arabischen Ländern.
Teile der muslimischen Bevölkerung in Europa, meinen sie darin, hätten in den vergangenen Jahren eine Abwehrhaltung gegenüber dem Shoah-Gedenken an den Tag gelegt. Dies sei von einer Häufung antisemitischer Äußerungen insbesondere von Schülern mit muslimischem Migrationshintergrund, über eine Weigerung einiger europäischer muslimischer Organisationen an Gedenkveranstaltungen teilzunehmen bis hin zu aktiven Boykottaufrufen derselben gegangen, etwa vonseiten des Muslim Council of Britain (MCB).
Doch warnen die Wissenschafter ausdrücklich vor dem Pauschalurteil, dass ein muslimischer Migrationshintergrund automatisch zu einer verzerrten Wahrnehmung des Holocausts führe. Die Gruppe der schätzungsweise zwischen 13 und 20 Millionen Muslime in Europa sei sehr heterogen in ihrer religiösen Auffassung, aber auch in kultureller, ethnischer und ökonomischer Hinsicht.
Holocaust-Leugnung sei vor allem eine gängige Haltung und Argumentationslinie von Islamisten, schreiben die Autoren. Die aktuellen Entwicklungen in der arabischen Welt ließen diesbezüglich nichts Gutes für die Zukunft erwarten. Doch gebe es Lichtblicke in Form von Initiativen und Organisationen, die zum Teil unter schwierigsten Umständen aktiv Antisemitismus bekämpfen und sich mit dem Holocaust auseinandersetzen.
Antisemitische Einstellungen sind laut den Autoren unter Muslimen weiter verbreitet als unter Nicht-Muslimen. So hätten etwa bei einer Studie in Deutschland 40,7 Prozent der Jugendlichen mit arabischem Migrationshintergrund der Aussage zugestimmt: "Was der Staat Israel mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip nichts anderes, als das was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben." Unter den türkischstämmigen sei die Zustimmung bei 27,7 Prozent gelegen, unter den deutschen Jugendlichen lediglich 7,2 Prozent.
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