Friday, July 11, 2014

Islamisten rekrutieren in Istanbul für den «Heiligen Krieg»

Für einen 21-Jährigen hat Ahmet schon viele Leichen gesehen. Er hat selbst getötet, um sein Leben gefürchtet, sich in Häuserkämpfen Gefechte geliefert, Handgranaten geworfen, Bombenexplosionen überlebt und Verletzte geschleppt. Er zeigt Filme davon auf seinem Smartphone. Ahmet mit Waffe. Ahmet mit Leiche. Ahmet mit Verletztem. Ahmet ist Kämpfer der Terrororganisation «Islamischer Staat» (IS), er war zweimal in Syrien im Einsatz und demnächst wird er wieder dorthin gehen, «bis zum Ende», sagt er. Derzeit hält er sich in Istanbul auf, um sich zu erholen. Hier wurde er auch angeworben. Er sieht ausgezehrt aus, seine knochigen Schultern zeichnen sich unter dem viel zu grossen Hemd ab, der Gürtel in seiner Jeans sitzt auf dem engsten Loch. Er trägt einen Vollbart, die Haare über der Oberlippe sind wegrasiert. «Wie der Prophet, Friede sei mit ihm», sagt er. Jetzt wohnt er bei Cousins in Fatih, einem konservativen Stadtteil, ein paar Wochen will er bleiben. Ahmet ist türkischer Staatsbürger, aber er träumt von einem Leben in einem Kalifat, das vom Irak bis Syrien und «irgendwann, inschallah», von Pakistan über die Türkei bis nach Israel reicht. Vor zwei Jahren wurde Ahmet in Istanbul von einer IS-Vorgängerorganisation rekrutiert, ein Teenager aus zerrütteten Verhältnissen, sechs Jahre Schulbildung, auf der Suche nach Halt. Seine Mutter starb, als er sieben war. Sein Vater heiratete wieder, die Stiefmutter schlug ihn, sagt er. Ahmet zog oft durch sein Viertel und bewunderte in der Koranschule die älteren Jungen, die mit ihren radikalen Ideen protzten. Einer von ihnen sprach ihn an, fragte, ob er nicht Lust habe, für den Islam zu kämpfen. «Er versprach mir 400 Dollar im Monat», sagt Ahmet. Sie brachten ihm den radikalen Islam näher, «ohne Moschee, ein Muslim braucht nur einen schlichten, sauberen Platz zum Beten». Und sie versprachen ihm eine Kampfausbildung in einem Camp in Syrien. Es muss eine Gehirnwäsche gewesen sein, denn die Cousins von Ahmet, die ihn zum Treffen in einem Teehaus in Istanbul begleiten, sagen, er sei vorher nicht so radikal gewesen. Ahmet sagt: «Ich glaube, es ist nicht falsch, im Kampf für den Glauben zu sterben. Man gelangt auf direktem Weg ins Paradies.» Die Dschihadisten von IS haben ein Gebiet so gross wie Bayern auf irakischem und syrischem Territorium erobert. Mindestens 10'000 Mitglieder zählt die Terrororganisation, junge Männer aus dem arabischen Raum, aber auch aus Zentralasien, Deutschland, Grossbritannien, Frankreich und der Türkei.
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